Gute Stimmung am JKG: Auf ein Selfie mit dem US-Diplomaten Jonathan Henick. Foto: Georg Linsenmann

Eine spannende Doppelstunde mit dem US-Diplomaten Jonathan Henick hatten die Elft- und Zwölftklässler des Johannes Kepler Gymnasiums (JKG) kurz vor der bevorstehenden Präsidentenwahl in den USA.

Bad Cannstatt - Ginge es nach den Oberstufenschülern des JKG, dann wäre der Ausgang der Wahl um die Nachfolge von US-Präsident Barack Obama klar: Von den 50 Schülern denkt nur ein einziger, dass Donald Trump tatsächlich siegen könnte: „Das wird Hillary Clinton freuen“, meinte der hochrangige US-Diplomat Jonathan Henick launig, als er sich im Musiksaal der Schule den Fragen der Schülerschar stellte, und zwar im Rahmen einer „Englisch-Stunde“, die in Kooperation mit dem US-Generalkonsulat und dem Deutsch-Amerikanischen Zentrum in Stuttgart zustande kam und in der sich die Schüler gut vorbereitet zeigten.

Wobei Henick eingangs einräumte, dass der Außenblick auf den amerikanischen Wahlkampf durchaus „Verwunderung und Verwirrung“ stiften könne. Er versuchte die Art der Auseinandersetzung zunächst mit dem Wahlsystem der USA zu erklären: mit der über ein Jahr dauernden Kampagne sowie dem Zwei-Parteien- und Wahlmänner-System, die dem Prinzip „Der Sieger bekommt alles“ folgten. Das führe zu einer „politischen Polarisation“, die sich die vergangenen Jahre noch verschärft habe. Hinzu komme das Social media-Phänomen, wonach sich Nutzer trotz der Multiplikation der Informationsmöglichkeiten „oft nur wie in einer Echokammer zur Bestätigung fixer Meinungen“ bewegten. Zudem tobten sich im Wahlkampf „durch die Globalisierung verursachte Frustrationen der ökonomischen Verlierer“ aus: „Auch der Brexit ist ein Symptom davon“, meinte Henick.

Rassismus ist „ein wirkliches Problem“

Ein Block, auf den eine Fülle von Fragen folgten. Etwa, warum Frauen Trump die Treue hielten, trotz dessen vulgären, frauenfeindlichen Auslassungen. Das sei „schwer zu verstehen“, stellte Henick fest, erkläre sich aber damit, „dass einer bestimmten Klientel wichtiger ist, wie sich Trump in der Frage von Abtreibungen positioniert“. Vom Republikaner erhofften sie sich eine Revision der liberalen Praxis: „Und deshalb ist ihnen das Andere nicht wichtig.“ Im übrigen bedauerte er, „dass wir keine Kandidaten haben, die von der Bevölkerung mehr respektiert werden“. Daraus resultiere „die Menge an Müll von beiden Seiten“.

Ausführlich ließ der Diplomat sich auf die Frage nach Rassismus in den USA ein. Der 46-Jährige nannte das „ein wirkliches Problem. Rassismus ist real. Es ist schrecklich, das zu sehen“. Schrecklich sei auch, wie dies in Deutschland zunehme: „Wir brauchen dazu eine offene Debatte. Wichtig ist auch, wie die Rechtssysteme damit umgehen.“ Letzteres betonte er auch bei der Frage nach dem Waffenrecht in seinem Land. Das Recht, eine Schusswaffe zu tragen, sei „Teil der amerikanischen Identität“. Gut sei immerhin, dass tödliche Dramen und Polizeigewalt gegen Schwarze wie in Ferguson „eine öffentliche Debatte“ ausgelöst hätten.

Diplomat ist beeindruckt von den Schülern

Auch sonst drehten die Schüler thematisch an großen Rädern. Etwa mit der Terrorismus-Problematik. Henick wollte hier nicht von Krieg sprechen, sondern von Kriminalität und entsprechendem Umgang damit. Oder bei den Themen Abschottung gegen Zuwanderung und Russland. Trumps Ankündigung, im Falle eines Sieges eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu bauen, nannte Henick „eine Simplifikation von viel komplexeren Problemen“. Ganz Diplomat war er hinsichtlich Putin: „Wir brauchen Kooperation, trotz großer Differenzen.“ Fürs deutsch-amerikanische Verhältnis sieht er im Fall eines Präsidenten Trump keine Gefahr: „Diese Partnerschaft hat tiefe Wurzeln, sie ist unabhängig von Personen.“

Voller Respekt äußert sich danach über die Gymnasiasten: „Sie waren sehr interessiert und informierter und kritischer als die jungen Leute, die ich kürzlich bei einer Debatte an einer amerikanischen High School hatte.“ Auch die 17- und 18-jährigen Schülerinnen und Schüler waren beeindruckt. Tomi und Mohammed fanden die Stunde „sehr informativ und interessant“. Sibel fand es gut, dass der Diplomat „nicht förmlich geantwortet hat, sondern auch persönlich und mit eigener Meinung“. Und Jaanshy gefiel, dass sie hier „eine direkte Quelle aus dem Land“ erleben konnte. „Sehr zufrieden“ mit ihren Schülern war die Englischlehrerin Stephanie Korter: „Ich habe mich gefreut, wie sich meine Schüler in der großen Runde getraut haben zu fragen. Ich glaube, sie haben sich gut geschlagen.“