Jetzt will auch der Stuttgarter Elektronikkonzern Bosch bei Bosch Rexroth in Schweinfurt die Arbeitszeit reduzieren. Schuld daran sind weniger Aufträge aus dem Maschinenbau, voraussichtlich von Herbst an werden Hunderte Beschäftigte am Standort kürzer arbeiten. Foto: dapd

Immer mehr Firmen bremsen bei der Produktion – Dass auch Bosch dazu gehört, lässt Experten aufhorchen.

Stuttgart - Nur Einzelfälle oder die Vorboten der nächsten großen Krise? In den vergangenen Tagen und Wochen haben mehrere große Unternehmen angekündigt, Kurzarbeit beantragen zu wollen, jüngstes Beispiel ist der Stuttgarter Elektronikkonzern Bosch. Weil die Aufträge zurückgehen, verhandelt das Unternehmen über Kurzarbeit für das Werk von Bosch Rexroth in Schweinfurt. 2100 Beschäftigte produzieren dort elektromechanische Antriebe für den Maschinenbau und die Fabrikautomation, voraussichtlich von Herbst an wird „ein kleinerer Teil der Belegschaft“ in Kurzarbeit gehen, sagt ein Bosch-Sprecher. Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht darin ein klares Indiz, „dass die Konjunktur der Industrie sich deutlich abschwächt“. Bosch gehörte in der Vergangenheit stets zu den Unternehmen, die besonders zeitig auf Krisensymptome reagiert haben. Neben der geplanten Kurzarbeit in Schweinfurt lässt der Autozulieferer in Werken in Stuttgart-Feuerbach, Bamberg und Homburg zudem vereinzelt Schichten ausfallen.

Vor den Stuttgartern haben bereits die Autobauer Opel und Ford Kurzarbeit angekündigt, Letzterer hat seine Bänder in Köln bereits im Mai und Juni tageweise angehalten. Opel-Mitarbeitern in Rüsselsheim und Kaiserslautern droht das von September an, beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp arbeiten seit diesem Monat rund 2000 Beschäftigte weniger. Zwar ist Opel aus Sicht von Brenke wegen Wettbewerbsnachteilen ein Sonderfall – doch unabhängig davon „deutet einiges auf eine Abkühlung der Wirtschaft hin“, sagt der Experte. „Die Warnsignale kann man seit einigen Monaten sehen.“ Demnach gehe etwa die Zeitarbeit seit einigen Monaten zurück, dies lasse darauf schließen, dass es generell weniger Arbeit gibt. Die Bundesagentur für Arbeit beobachtet seit Februar einen saisonbereinigten Rückgang der Stellen für Zeitarbeiter. Zudem ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal beim Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal nur noch um 0,3 Prozent und damit schwächer gewachsen als zu Jahresauftakt (plus 0,5 Prozent).

Vorreiter wie Thyssen-Krupp und Bosch als Einzelfälle zu bezeichnen wäre „zu harmlos“

Enzo Weber, Professor an der Uni Regensburg und Prognosen-Experte am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), erwartet, dass sich die gestiegenen konjunkturellen Risiken in einer höheren Zahl an Kurzarbeitern bis Jahresende niederschlagen werden. Tendenziell am stärksten dürften erneut die Industrie und das verarbeitende Gewerbe betroffen sein. Zuletzt waren laut Weber weniger als 100.000 Menschen bundesweit in Kurzarbeit, „das sind fast so wenige wie zu besten Wirtschaftszeiten“. Angesichts von Euro-Krise und sich abflachenden Exporten müsse davon ausgegangen werden, dass ihre Zahl „nicht nur um ein paar Tausend“ steigt, Vorreiter wie Thyssen-Krupp und Bosch als Einzelfälle zu bezeichnen wäre „zu harmlos“. Mit den 1,4 Millionen Kurzarbeitern zum Höhepunkt der Rezession im Jahr 2009 gebe es allerdings überhaupt keinen Vergleich.

Brenke will zwar nicht ausschließen, dass ein solches Niveau in der Zukunft erneut erreicht werden könnte. Aktuell sieht der DIW-Forscher aber ebenfalls keinen Anlass, „um in Alarmismus zu verfallen“. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schon gar nicht: Die aktuellen Beispiele für Kurzarbeit seien „unternehmerische Entscheidungen, die jeweils spezifische Ursachen haben“, sagt ein BDA-Sprecher. Er räumte allerdings ein, dass die Sorge allgemein zunehme, „dass die Schuldenkrise auch in Deutschland ernsthafte Probleme zur Folge haben könnte. Das führt zu einer erhöhten Vorsicht der Unternehmen.“

Deutsche Unternehmen für drohende Krise gut gewappnet

Sollte sich die wirtschaftliche Lage verschärfen und in der Folge auch der Arbeitsmarkt einbrechen, „brauchen wir wieder die Möglichkeit, Kurzarbeit unbürokratisch auszuweiten“, fordert der BDA-Sprecher. 2009 hatte die Regierung zahlreiche Sonderregeln erlassen, um den Unternehmen den Übergang in die Kurzarbeit zu erleichtern und Arbeitsplätze zu erhalten. Wegen der guten Konjunktur sind die Maßnahmen Anfang dieses Jahres aber ausgelaufen. Nach Einschätzung von Professor Weber sind die deutschen Unternehmen für eine drohende Krise recht gut gewappnet, nach dem jüngsten Aufschwung seien die Arbeitszeitkonten wieder auf einem relativ hohen Stand. „Das finanzielle Polster ist hingegen nicht ganz so glanzvoll wie vor dem letzten Einbruch 2008/2009.“

Gleiches gilt für die Arbeitsmarktpolitik: Die aktuell verfügbaren Reserven würden für eine flächendeckende Inanspruchnahme der Kurzarbeit nicht ausreichen.