Ein Leben für das Magazin und die Musik: Gudrun Endress hat sich ganz dem Jazz verschrieben. Foto: Georg Linsenmann

Seit Jahrzehnten ein fester Orientierungspunkt für die Szene: Das „Jazz Podium“ aus der Vogelsangstraße im Stuttgarter Westen ist eine der wichtigsten Jazz-Publikationen überhaupt.

Stuttgart-West - Für Jazzfreunde ist „das Podium“ eine Institution. Seriös und anspruchsvoll – und vor allem unabhängig. Dem seit 63 Jahren erscheinenden Jazz Podium nimmt man ab, dass es nicht mit der Phono-Industrie verbandelt ist und auch nicht mit Musikern mauschelt: „Wir allein entscheiden, was im Heft stattfindet, auch bei den CD-Besprechungen. Das ist für Musiker manchmal schmerzlich. Aber wir greifen nur etwas auf, wenn wir von der Qualität überzeugt sind“, betont Gudrun Endress. Zusammen mit Frank Zimmerle führt sie die Geschäfte der Jazz Podium Verlags GmbH mit Sitz in der Vogelsangstraße 32.

Endress ist auch die Chefredakteurin der zehn Mal im Jahr erscheinenden Zeitschrift, davon zwei dicke Doppelnummern zum Sommer und zum Jahreswechsel. Und wenn sie „wir“ sagt, meint sie vor allem sich selbst. In der Geschosswohnung managt sie zusammen mit anderthalb Stellen für Assistenz und Vertrieb „die kleine Redaktion“. Sie setzt die Themen, beauftragt Autoren, organisiert Fotomaterial, schreibt auch selbst. Und das alles mit „ganz kleinem Budget“.

Treue Autoren in schwierigen Zeiten

Der große Stab an freien Mitarbeitern im In- und Ausland, quer durch die Generationen, „das sind Jazz-Enthusiasten, Journalisten, Lehrer, die dem Magazin seit vielen Jahren die Treue halten, obwohl wir ihnen kaum mehr als Aufwandsentschädigungen zahlen können. Und die Zeiten werden immer schwieriger“, erzählt Endress. 12 000 Exemplare war die Auflage zu den besten Zeiten, heute sind es noch gut 8000: „Die Print-Branche kämpft ums Überleben. Da sind wir keine Ausnahme“, konstatiert Endress: Sie selbst? „Leisten kann ich mir das nur, weil ich angestellte Jazz-Redakteurin beim Süddeutschen Rundfunk war“, sagt sie mit einem Lächeln: „Aber ich bin vom kulturellen Wert dieser Musik überzeugt. Ich brauche keinen fetten Geländewagen, mir tut’s meine alte Karre. Die immateriellen Dinge machen das Leben aus. Ohne Kunst und Musik wäre das Leben doch sehr armselig.“

Anfänge als Wohnzimmer-Projekt

Das also ist nicht anders als am Anfang, als der swingbegeisterte Dieter Zimmerle das Magazin „als Wohnzimmer-Projekt“ aus der Taufe hob, mit der ersten Nummer im September 1952. Schon als 15-Jährige hatte Gudrun Endress für das Blatt Korrektur gelesen, hatte am Radio und im Amerika-Haus den legendären Vorträgen von Zimmerle gelauscht, SDR-Jazz-Redakteur und Tausendsassa in Sachen Jazz. „Keine Angst vor Jazz! Das war das Motto. Aus heutiger Sicht wirkt das vielleicht seltsam. Aber damals stand der Jazz, den die Nazis verboten hatten, noch sehr am Rande.“

Endress war „vom Jazz-Virus gepackt. Und das hat mich nicht mehr losgelassen“. Am Anfang auch „ein bisschen aus Opposition gegen den Vater, der Opernsänger war“, schließlich aus purer Überzeugung: „Jazz, das ist ein Lebensgefühl, die Freiheit des Ausdrucks. Da macht jeder sein Ding, muss sich aber auch wieder einordnen, um dem Ganzen zu dienen. Eine hochdemokratische Sache und auch in dieser Hinsicht eine Schule des Lebens.“

Das volle Programm – ganz ohne Firlefanz

Ihr Leitmotiv als Jazz-Publizistin: „Wir dienen der Musik.“ Und so versteht sich das Magazin aus Stuttgart noch immer als das, was der Name repräsentiert: als ein Podium für Jazz, eine Plattform, die die internationale Szene abbilden will. Jeweils mit Schwerpunkten. Im November etwa mit einem dicken Paket „Jazz made in Germany“. Immer noch eng bedruckte Seiten mit Texten, die auch an die Intelligenz der Leser glauben. Und auch optisch kein Firlefanz drumherum. Dazu „das volle Programm“, wie Endress sagt: Jazz-News, zehn Seiten Clubs, Konzerte, Festivals, Termine. Und 20 Seiten Besprechungen, mit 100 CDs pro Nummer, macht 1000 im Jahr: „So gebündelt kriegen Sie das nirgends! Schon gar nicht im Netz.“

Was Endress selbst am meisten Freude macht? „Interviews. Jazz-Musiker sind starke Individualisten, spannende Persönlichkeiten aus ganz verschiedenen Kulturen. Diese Gespräche sind wahre Glücksmomente. Und diese Glücksmomente wollen wir an unsere Leser weitergeben.“