Der renommierte Jazz-Pianist Joachim Kühn feiert beim Oster-Jazz-Festival seinen 70. Foto: promo

Beim Oster-Jazz-Festival im Stuttgarter Theaterhaus feiert der renommierte deutsche Jazz-Pianist Joachim Kühn seinen 70. Geburtstag nach – mit Gratulanten wie Archie Shepp (Saxofon), Michel Portal (Klarinette) und Daniel Humair (Drums).

Beim Oster-Jazz-Festival im Stuttgarter Theaterhaus feiert der renommierte deutsche Jazz-Pianist Joachim Kühn seinen 70. Geburtstag nach – mit Gratulanten wie Archie Shepp (Saxofon), Michel Portal (Klarinette) und Daniel Humair (Drums).

Herr Kühn, das hiesige Jazzpublikum freut sich auf Ihre Geburtstagsparty, die an Gründonnerstag im Theaterhaus steigen wird. Was erwartet die Festivalbesucher?
Ich freue mich tierisch auf den Abend! Es wird ein Konzert in zwei Teilen sein, jedes Stück in anderer Besetzung. Es soll wild werden. Freunde mit derselben Idee von Musik, aber jeder mit seiner eigenen Persönlichkeit werden zusammen spielen. Mit Archie Shepp beispielsweise mache ich Stücke aus „Voodoo Sense“.
Sie sind – zwei Monate nach Werner Schretzmeier – 70 Jahre alt geworden. Was bedeutet für Sie diese Zahl, und was verbindet Sie mit Stuttgart und dem Theaterhauschef?
Werner hat mir wieder einen Wunschtraum erfüllt. Seit Jahrzehnten komme ich mit großer Vorfreude nach Stuttgart. Das Theaterhaus gehört mit seiner einmaligen Atmosphäre zu meinen absoluten Favoriten. Siebzig ist auch nur eine Zahl – , möge das Leben noch lange so weitergehen!
Als gebürtiger Leipziger ist Ihnen Johann Sebastian Bach nahe.
Ja. Ich bin 1958 in der Leipziger Thomas-Kirche konfirmiert worden. 1998 bis 2004 konnte ich zusammen mit dem Thomanerchor unter Georg Christoph Biller, dem 16. Nachfolger von Bach, das Projekt „Bach Now“ auf Tournee und CD realisieren.
Ihr älterer Bruder Rolf, einer der acht Musiker, die mit Ihnen am 17. April das Festival eröffnen werden, hat Sie mit dem Jazz vertraut gemacht. War das eine Art Erweckungserlebnis?
Als ich noch im Kinderwagen lag, spielte Rolf Jazzplatten und dazu Klarinette. Als ich acht war und er 22, nahm er mich mit nach West-Berlin zu einem Konzert des Chet-Baker-Quintetts. Seit diesem Abend wusste ich, dass ich Jazzmusiker sein wollte, Jazzmusiker und nichts anderes.
Der Jazz hat Sie zu einem Weltreisenden gemacht, der für ganz unterschiedliche kulturelle Impulse ein offenes Ohr hat. Gibt es in Ihrer Musik einen roten Faden, der sich durch Ihr Leben zieht?
Ich habe einen persönlichen Sound, egal welche Art Musik ich gerade spiele. Wer mich kennt, erkennt mich wieder. Und das seit 1965. Das ist mein roter Faden – oder Strick (lacht).
Welche Bedeutung haben für Sie Frankreich, Afrika und Ibiza?
Ich zog 1968 nach Paris, genau zur richtigen Zeit. Revolte, Free Jazz – eine Superzeit. Da erhielt ich auch meinen ersten Plattenvertrag. Ich konnte kompromisslos improvisieren. Bis zu meinem Lebensende werde ich Musik studieren. Afrikanische Rhythmen sind der Ursprung von allem. Es gibt noch viel zu entdecken. Ich möchte fortfahren, mit Musikern aus aller Welt zu spielen. Seit zwanzig Jahren ist Ibiza mein Zuhause, mein Paradies.
Ihre Improvisationen bewegen sich im Spannungsfeld von Kalkül und Inspiration. Wie vermeiden Sie Klischees?
Indem ich den Kopf abschalte. Das muss man auch üben (lacht). Ich improvisiere jeden Tag viele Stunden am Piano. Ich nenne es Urlaub fürs Gehirn – ein wunderbarer Zustand!
Für einen Künstler wie Sie ist die Vokabel „Ruhestand“ auch mit siebzig ein Fremdwort. Was möchten Sie noch erleben? Was haben Sie als Nächstes vor?
Einfach weitermachen! Neue Begegnungen, Aufnahmen, Konzerte. Spielen bis zum Umfallen.