Das Baden in heißen Quellen spielt in Japan eine wichtige Rolle. Männer und Frauen bleiben dabei in der Regel unter sich. Foto: RAPHO/laif

Shikoku ist die kleinste der vier Hauptinseln Japans - mit einem der wichtigsten buddhistischen Pilgerwege und mit der ältesten Quelle des Landes.

Matsuyama - Als die Sonne an diesem Samstag auf der japanischen Insel Shikoku untergeht, strömen aus allen Gassen junge Frauen und Männer, Familien und ältere Herrschaften zum Dogo-Onsen, dem örtlichen Badehaus von Matsuyama. Wie aus einer anderen Welt erscheint das 1894 im traditionellen japanischen Stil erbaute Gebäude. Mit seiner imposanten Präsenz ist das Dogo-Onsen überall in Japan bekannt und gilt als Wahrzeichen der Stadt. Viele Literaten hielten sich hier zur Bäderkur auf. „Masaoka Shiki, einer der vier berühmtesten Haiku-Dichter Japans, stammt aus Matsuyama“, sagt Fremdenführerin Kiyoko Inasaki stolz und zeigt uns seine Haikus (Lyrik in kürzester Form). Die Gedichte sind hier überall zu sehen: in Stein gemeißelt, in Holz gebrannt oder in Buchform gedruckt.

Dann deutet sie auf die Figur eines Reihers auf dem Dachfirst des Badehauses. „Eine Legende erzählt, dass in Matsuyama vor 3000 Jahren ein weißer Reiher sein verwundetes Bein in eine heiße Quelle gehalten habe und genesen sei“, sagt sie. „In jedem Fall aber ist verbürgt, dass die kaiserliche Familie das Dogo-Onsen besuchte.“ Bei der Führung durch die einzelnen Abteilungen des Badehauses wird sogar die kaiserliche Toilette präsentiert. Allerdings darf kein Normalsterblicher die kaiserlichen Gemächer zum Baden benutzen, auch wenn sich hier Mitglieder der kaiserlichen Familie im Jahr 1952 letztmals erholten. Doch das Dogo-Onsen ist weitläufig, und es gibt genug Platz für alle. Also nichts wie hin zum Schuhschließfach, denn Straßenschuhe haben im Badehaus nichts zu suchen. In einem zweiten Schließfach wird die persönliche Garderobe gegen einen Yukata, einen baumwollenen Mantel mit lose zu bindendem Gürtel, getauscht.

Japan ist das Land mit der höchsten Lebenserwartung

Tee mit kleinem Gebäck gibt es für jene, die einen Aufenthalt in der „Therme der Götter“ gebucht haben. Wenn Japaner baden, seifen sie sich sorgfältig an einem extra Waschplatz vorher ab, spülen den Körper mit heißem Wasser ab, steigen erst dann ins 47,7 Grad heiße Wasserbecken, um sich - leise plaudernd oder schweigend - zu entspannen. Auch wenn immer wieder von Verletzungen der angeblich so strengen Baderegeln berichtet wird - Europäer können nichts falsch machen, wenn sie dem Vorbild der japanischen Mitbadenden folgen. Japaner sind nicht nur besonders höflich, sondern auch hilfsbereit und nicht halb so zugeknöpft, wie ihnen immer noch nachgesagt wird. Ein freundliches Lächeln und schon kann die Frage kommen: „Where are you from?“ (Wo kommen Sie her?). Japan ist das Land mit der höchsten Lebenserwartung. Internationale Forscher sind sich einig, dass neben dem Klima und der fischreichen Ernährung auch der regelmäßige Besuch in einem Onsen (übersetzt: heiße Quelle) dazu beiträgt.

„Im Dogo-Onsen sind es vor allem Kalzium und Kalium, die den gesundheitlichen Wert des Wassers ausmachen“, sagt Kiyoko Inasaki. Das Herz-Kreislauf-System entspanne sich, die Haut werde geglättet - freilich nicht nach nur einem Badegang. Etwa 140 Millionen Menschen suchen jedes Jahr eine der heißen japanischen Quellen auf, die unter freiem Himmel in der Vulkanlandschaft oder in historischen und modernen Badehäusern sprudeln. Die Seele treiben zu lassen in vulkanischen Quellen, ist eine nationale Leidenschaft der Japaner. Auf Shikoku, der kleinsten der vier Hauptinseln Japans, sind auch Pilger Besucher von Thermalquellen. „Pilger waren es, die vor Jahrhunderten das Labsal der heißen Quellen entdeckten. 88 heilige Orte zählen zu einem der wichtigsten buddhistischen Pilgerwege auf Shikoku“, weiß die Führerin. Als Region besteht Shikoku nicht nur aus der Shikoku-Insel selbst, sondern umfasst 625 weitere kleinere Inseln. Viele von ihnen liegen in der Seto-Inlandsee, der mythologischen Wiege Japans.

Mehrere zweisprachig ausgeschilderte Wandertouren

Deshalb ist ein Besuch des im 6. Jahrhundert errichteten, 1168 zur heutigen Form umgebauten Itsukushima-Schreins in Miyajima - er zählt zum Unesco-Weltkulturerbe - ein Muss. Die knapp 40 Quadratkilometer große Insel Miyajima gehört zusammen mit Amanohashidate und Matsushima zu den drei schönsten Landschaften Japans. Sie ist mit einer Schnellfähre in nur 25 Minuten von der 20 Kilometer entfernten Stadt Hiroshima zu erreichen. Den Wasserweg säumen Austernkulturen, denn Austern, roh, gegrillt oder gebacken, gehören zu den Köstlichkeiten, die auf Miyajima in einer überdachten Ladenstraße an vielen Ständen angeboten werden. Immer näher, immer imposanter rückt das O-Tori (das Große Tor) vor dem Hauptschrein in den Fokus der Bootsfahrer. Bei Flut stehen beide im Wasser - bei Sonnenschein ein atemberaubender Farbkontrast aus Blau und Zinnoberrot. Und natürlich halten alle Gäste der Fähre dieses einzigartige Bild mit ihren Kameras fest. Mehrere zweisprachig (Japanisch, Englisch) ausgeschilderte Wandertouren führen zu weiteren Schreinen, zur fünfstöckigen Senjakaku-Pagode, zum Berg Misen mit Sternwarte, zur Seilbahnstation und zum Museum für Geschichte und Folklore.

Eine Symbiose aus Kunst und Natur, ein Pilgerort für Liebhaber moderner Kunst ist die Insel Naoshima. Kern des 1992 eröffneten Benesse-Art-Site-Naoshima-Komplexes ist das Benesse House nach Plänen des japanischen Architekten Tadao Ando (geboren 1941). Auch das Chichu-Art-Museum (Chichu heißt „unter der Erde“) wurde von Tadao Ando entworfen, dem architektonischen Meister des Lichts. Es zeigt eine ständige Ausstellung mit Werken von Claude Monet (einen Zyklus seiner berühmten Seerosengemälde), Walter de Maria und James Turrell. Auf Spaziergängen sind auch die übrigen vier Museen samt einem Museumsdorf zu erreichen - häufig mit faszinierenden Blicken auf die Inlandsee, auf Zypressen, Kiefern und die Gebirgszüge von Shikoku.

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Infos zu Japan

Anreise
Mit Japan-Airlines (JAL , www.jal.com ) und Lufthansa ( www.lufthansa.com ) von Frankfurt direkt nach Tokio, im April für ca. 800 Euro pro Person. Der Weiterflug von Tokio-Haneda nach Takamatsu mit JAL kostet etwa 250 Euro (einfach). Ausländische Gäste können vor der Einreise nach Japan bei autorisierten Reisebüros den Japan Rail Pass erwerben, mit dem innerhalb eines bestimmten Zeitraums die meisten Züge und Busse ohne weitere Fahrkarte benutzt werden können. Er kostet für sieben Tage etwa 200 Euro.

Unterkunft
Hiroshima ist 70 Jahre nach der Atombombenkatastrophe eine pulsierende Stadt. Das Grand Prince Hotel liegt direkt an der Seto-Inlandsee, DZ ab 70 Euro, www.princehotels.com/en/hiroshima/

Wie in allen größeren Städten Japans gibt es auch in Hiroshima neben Businesshotels preisgünstige Jugendherbergen. Sie können ohne Altersbegrenzung genutzt werden und kosten etwa 29 Euro pro Nacht.

Unterkünfte im japanischen Stil heißen Ryokan und sind eine wunderbare Art, die traditionelle Lebensweise kennenzulernen. Zur Ausstattung gehören weiche Strohmatten (Tatamis) und Schiebewände.

Wer sich in der Bäderstadt Dogo-Onsen erholen möchte, wird im Hotel Dougokan mit einem persönlichen heißen Quellpott im eigenen kleinen Garten überrascht. Zwei Übernachtungen im DZ kosten ab 250 Euro. Etwa 80 preisgünstige Ryokan in ganz Japan haben sich zur „Japanese Inn Group“ zusammengeschlossen. Sie bieten Übernachtungen ohne Mahlzeiten für ca. 36 Euro pro Person an. http://japaneseinngroup.com/

Ausflüge und Sehenswürdigkeiten
Zur Kunstinsel Naoshima kommt man z. B. von Okayama aus mit dem Bus oder der Bahn ins Hafenstädtchen Uno, von dort mit der Fähre etwa 15 Minuten bis Miyaura-port Naoshima. Wer von Takamatsu anreist, nimmt ebenfalls die Fähre nach Naoshima. Sehenswert sind die Gezeitenstrudel von Naruto auf der Insel Shikoku (Präfektur Tokushima). Bei einer Springflut kann das Wasser bis zu 20 km/h erreichen, wobei Strudel mit bis zu 20 Meter Durchmesser entstehen. Infos zu Bootstouren über www.tourismshikoku.de

Allgemeine Informationen
„Good Will Guide“-Programm: Englisch sprechende Japaner führen Besucher einen Tag lang unentgeltlich durch ihre Stadt. Infos unter www.jnto.go.jp/eng/arrange/travel/guide/guideservice.html

Japanische Fremdenverkehrszentrale: www.jnto.de