Eigentlich Experte für innere Sicherheit: Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl verantwortet bei der Jamaika-Sondierung neben der Wirtschaft auch das Thema Verkehr. Foto: dpa

Der Landeschef der CDU übernimmt bei der Jamaika-Sondierung ein neues Thema. Er dementiert jedoch, dass dies ein Signal für eigene Wechselwünsche nach Berlin sei.

Stuttgart/Berlin - Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl wird bei der Sondierung für eine Jamaika-Koalition künftig CDU-Verhandlungsführer für die Themen Wirtschaft und Verkehr sein. Dies bestätigte Strobl am Mittwoch unserer Zeitung. „Ich bin sehr froh über diese Kombination, denn die beiden Themen sind für das Land sehr wichtig“, sagte der CDU-Politiker, der in der grün-schwarzen Landesregierung Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration ist. Ursprünglich sollte der 57-Jährige bei den Jamaika-Gesprächen neben der Wirtschaft auch das Thema Digitalisierung verantworten. Dieses sei jedoch bei der Aufgabenverteilung dem Bereich Forschung zugeschlagen worden, sagte Strobl. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihn gefragt, ob er stattdessen den Bereich Verkehr verantworten wolle, und er habe sofort eingewilligt.

Der CDU-Politiker sieht darin die Chance, „im engen Schulterschluss“ mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der für die Grünen an der Sondierung teilnimmt, Landesinteressen einzubringen. Auch mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) stehe er darüber in engem Kontakt – ungeachtet der gelegentlichen verkehrspolitischen Differenzen wie etwa beim Thema Tempolimit. Strobl: „Wenn es um Baden-Württemberg geht, ist Winfried Hermann mein Bruder.“ Das Thema Verkehr sei bei der Sondierung allerdings schwierig, weil die parteipolitischen „Dogmen“ weit auseinander lägen. Auf Grünen-Seite sitzen Strobl dabei der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, auf CSU-Seite der frühere Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gegenüber.

Schäuble ging – kommt Strobl?

Die Grünen-Landtagsfraktion zeigte sich erfreut über Strobls neue Zuständigkeit. „Ich finde das hervorragend, weil wir so eine gute Möglichkeit haben, dass Winfried Kretschmann und Thomas Strobl unsere Forderung nach Einführung einer Blauen Plakette vorbringen“, sagte Fraktionschef Andreas Schwarz unserer Zeitung. Auch bei anderen verkehrspolitischen Themen wie etwa dem Ausbau der Schienennetze können Baden-Württemberg von Strobls Einsatz profitieren.

In der CDU-Landtagsfraktion, die zu Strobl ein eher gespanntes Verhältnis hat, sind unterschiedliche Stimmen zu vernehmen. So stellt sich mancher die Frage, ob der CDU-Landesvorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident insgeheim Abwanderungsgedanken nach Berlin hegt – vor allem, nachdem mit dem Wechsel seines Schwiegervaters Wolfgang Schäuble an die Spitze des Bundestags am Kabinettstisch wieder ein Platz frei geworden ist. „Wir sind nach Nordrhein-Westfalen der zweitgrößte CDU-Landesverband und waren immer mit zwei Ministern vertreten“, sagt ein Parlamentarier. Strobl wäre dafür ein idealer Anwärter, heißt es – doch in dem Lob schwingt bei manchen gleichzeitig die Erwartung mit, den ungeliebten Ex-Bundestagsabgeordneten wieder loszuwerden.

Gedrängel bei Innenpolitik

Strobl versucht jedoch jeglicher Spekulation die Spitze zu brechen. Auf die Frage, ob er einen Wechsel plant, antwortet er: „Nein.“ Das gelte für Kretschmann genauso wie für ihn selbst. Es sei abwegig, aus dem Wechsel bei der Verhandlungsführerschaft auf persönliche Karrierewünsche zuschließen. Die Themen Migration und innere Sicherheit, für die er im Land stehe, seien bei den Jamaika-Gesprächen hervorragend bei seinen Parteifreunden Volker Bouffier und Lothar de Maizière aufgehoben. Strobl: „Ihnen kann ich alles sagen, was mich bei diesen Themen bewegt.“ Für das Industrieland Baden-Württemberg seien die Felder Wirtschaft und Verkehr aber mindestens ebensowichtig.

In Berlin wird eine Rückkehr Strobls als unwahrscheinlich eingeschätzt. In der CDU wird dafür gleich eine ganze Reihe von Gründen genannt. So stelle seine Rolle als Chefverhandler der Bereiche Wirtschaft und Verkehr keine Vorentscheidung für eine anschließende Karriere als Bundesminister dar, obwohl die Union durchaus ein starkes Auge auf das Wirtschaftsressort geworfen hat. Viel mehr, so heißt es in der Partei, sei die Personalie dem „Gedrängel auf dem Feld der Innenpolitik“ geschuldet, wo sich neben Minister Thomas de Maizière auch CSU-Spitzenkandidat Joachim Hermann tummelt – und da Strobl in einer CDU-Zukunftskommission schon einmal die Ökonomie in den Blick genommen hat, sei dem Bundes-Vize diese Aufgabe übertragen worden.

Thomas Strobl passt zudem nicht in die angedachte Kabinettsarithmetik. Für einen der wahrscheinlich sechs CDU-Ministerposten gelten für Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU-seitig Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Kanzleramtschef Peter Altmaier offenbar als gesetzt, dazu möglicherweise de Maizière und der aufstrebende Finanzstaatssekretär Jens Spahn, für den sich die Junge Union einsetzt. Weil aber Merkel zugesagt hat, den Frauenanteil im Kabinett ausgeglichener zu gestalten, dürfte für einen Mann aus Baden-Württemberg deshalb kaum Platz sein. CDU-intern wird daher als mögliche Südwest-Vertreterin im Kabinett die Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz genannt, die Bundesvorsitzende der Frauen-Union ist.