Hier nahm das Unheil seinen Lauf: Axel Meier (links) mit Catja und Alois Wimmer am Wehr der Schleuse Hofen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am Morgen des 25. Juni geschah in Hofen etwas, das eigentlich gar nicht mehr hätte passieren dürfen: Der Neckar trat über die Ufer und setzte Keller und Gärten unter Wasser. An den Folgen hatten Anwohner wie die Familie Wimmer lange zu leiden.

Stuttgart - Am Morgen des 25. Juni 2016 begriff Catja Wimmer, dass Feuerwehrleute im Einsatz nicht zu Scherzen aufgelegt sind. Als Viertel nach sechs, es war ein Samstag, ein Feuerwehrmann an der Haustür stand und erklärte, dass der Neckar über die Ufer getreten sei und Garten und Keller überflutet habe, wollte Frau Wimmer das im ersten Moment gar nicht glauben. Vom Wohnzimmer aus hat sie einen schönen Blick auf den Fluss – wenn der Hochwasser hat, schaut das anders aus.

Der Wasserstand unterhalb der Schleuse Hofen war trotz des starken Regens in der Nacht vergleichsweise normal. Bis der Neckar an dieser Stelle über die Ufer tritt, müsste es wochenlang wie in Strömen regnen. Davor würden andere Landstriche Land unter melden.

Die Schleuse hatte ihren Dienst quittiert

Das Problem war, dass der Neckar kurz vor fünf oberhalb der Schleuse über das Ufer geschwappt war, weil die Anlage ihren Dienst quittiert hatte und nicht mehr dazu in der Lage war, wozu sie unter anderem in den 50er Jahren gebaut worden war: den Ablauf des Neckarwassers zu regulieren.

Axel Meier, der ein paar Häuser weiter wohnt, war schon früher auf den Beinen. Er war von einen merkwürdigen Rauschen wach geworden. Da der Mensch nicht zuerst an Katastrophen, sondern an das Naheliegende denkt, dachte Meier, dass die Kinder auf dem Klo waren und die Wasserspülung hängen geblieben sei. Doch das Rauschen kam vom Neckarwasser, das die schwere Metallhaustür aufgedrückt hatte und das Erdgeschoss flutete.

Kreissäge, Hobelbank – alles kaputt

Als Catja Wimmer und ihr Mann Alois runter in den Garten schauten, sahen sie die Bescherung: Das Gartenmobiliar trieb in einen graubraunen Soße, die in ihrer tiefsten Stelle mehr als einen Meter maß. Im Keller, wo sich Schreiner Alois Wimmer eine Werkstatt eingerichtet hat, sah es noch verheerender aus, obwohl die Tür dem Druck des Wassers standgehalten und nicht die ganze Flut ins Haus gelassen hatte: 70 Zentimeter reichten, um Tischkreissäge, Drechselmaschine und Hobelbank unter Wasser zu setzen. „Sämtliche Motoren, die mit dem Wasser in Berührung kamen, konnte man vergessen“, sagt Alois Wimmer heute.

Das Haus der Wimmers wurde aus Sicherheitsgründen vom Stromnetz genommen. Dann begann die Feuerwehr, den Garten leer zu pumpen. Elf Häuser unterhalb der Schleuse Hofen waren von der Flut betroffen, oberhalb hatte es ein Bootshaus und das Quartier der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) samt etlicher Fahrzeuge erwischt. Die Schäden gingen in die Millionen. An diesem Morgen und in den folgenden Wochen und Monaten lernten die Menschen in Hofen Dinge, die sie lieber nie gelernt hätten. Sie erfuhren, dass es sich bei der Überschwemmung gar nicht um eine Überschwemmung gehandelt hat, für die die Elementarversicherung zuständig gewesen wäre.

Sie hatten es mit einem „technischen Schaden“ und einem „Starkwetterereignis“ zu tun, für die Begleichung der Schäden ist der Bund zuständig beziehungsweise das Wasser- und Schifffahrtsamt, da es sich beim Neckar um eine Bundeswasserstraße handelt. Das machte die Schadenregulierung nicht einfacher. Es sollen auch Leute vom Wasser- und Schifffahrtsamt da gewesen sein, sagt Catja Wimmer. „Aber wenn sie bei uns vorbeigeschaut hätten, hätte uns das gefreut.“

Sieben Wochen lang laufen die Trockner

Sieben Wochen lang liefen sieben Trockner, bis im Untergeschoss der Wimmers mit dem Sanieren begonnen werden konnte. „Bei mir“, sagt Axel Meier, „sind vor zwei Wochen die letzten Handwerker aus dem Haus gegangen.“ Meier ist Auto- und Motorradlieber, fast sein kompletter Fuhrpark erlitt Totalschaden. Am stärksten unter den Folgen der Überschwemmung hatten die Bewohner eines Hauses zu leiden, in dem die Heizungsanlage baden gegangen war. Sie musste monatelang ohne Warmwasser und Heizung auskommen.

Via Whatsapp werden 50 Helfer mobilisiert

Eigentlich, sagt Catja Wimmer, halte sie nichts von sozialen Netzwerken, aber dass ihre Tochter an dem Morgen in kürzester Zeit via Whatsapp an die 50 Helfer mobilisieren konnte, findet sie beeindruckend. Die Leute rückten in Gummistiefeln an, brachten Essen und karrten Pfadfinderzelte herbei, um die Maschinen ins Trockene bringen zu können.

Helfer und Nachbarn dürfen am 25. Juni 2017 wiederkommen – dann steigt im Garten der Wimmers ein großes Fest. Bei der Gelegenheit könnte man am historischen Fährhaus, an dem die Wasserstände vergangener Fluten vermerkt sind, eine Kerbe für den 25. Juni 2016 machen. Die läge gar nicht so weit unter den Rekordpegeln von 1851 und 1853.