Der deutsche Aktienindex Dax legte das fünfte Jahr in Folge zu. Foto: dpa

Die Börsen haben auf die politischen Erdbeben des Jahres 2016 erstaunlich gelassen reagiert. Für das kommende Jahr sind die meisten Beobachter deshalb vorsichtig optimistisch. Auch die lockere Geldpolitik der EZB spricht für weitere Kursgewinne.

Frankfurt - Politische Börsen haben kurze Beine. Wer diesen Spruch bislang nicht so recht glauben mochte, wurde 2016 eines Besseren belehrt: Trotz politischer Erdbeben – vom Ja der Briten zu einem Austritt der Europäischen Union über die US-Wahl bis zu dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt – beendete der deutsche Aktienindex Dax das Jahr mit einem Plus von sieben Prozent bei 11 481 Punkten. „Das Jahr hat Anleger belohnt, die trotz der Unsicherheit Ruhe bewahrt haben“, resümiert die Schweizer Bank UBS in ihrem Jahresrückblick.

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Während das Brexit-Votum das Börsenbarometer noch unter die Marke von 10 000 Zählern drückte, ließ der Triumph Donald Trumps in den USA neben den Demoskopen auch die meisten Börsenauguren alt aussehen: Sie hatten den Wahlsieg des Republikaners nicht nur als unwahrscheinlich eingestuft, sondern für einen solchen Fall heftige Marktturbulenzen vorhergesagt. Tatsächlich aber reagierten die Börsen in den USA und Europa nach einer kurzen Schrecksekunde mit einem Kursfeuerwerk auf den bevorstehenden Machtwechsel im Weißen Haus. Die von Trump versprochene Kombination aus Steuersenkungen und staatlichen Investitionen lässt Anleger auf steigende Unternehmensgewinne hoffen. Sein Feldzug gegen Freihandelsabkommen wie TTIP scheint darüber ins Vergessen zu geraten.

US-Zinsentscheid beflügelt europäische Aktien

An Fahrt gewann die Rally dann durch den Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB), noch eine halbe Billion Euro zusätzlich in die Märkte zu pumpen. Diese Ankündigung hievte den Dax am 8. Dezember über die Schwelle von 11 000 Punkten. Dass die US-Notenbank Federal Reserve in die entgegengesetzte Richtung steuert und eine Woche später ihre Geldpolitik weiter straffte, wurde an den Börsen ebenfalls begrüßt. Offenkundig hält die Fed die US-Konjunktur für hinreichend robust, um Zinserhöhungen zu verkraften. Das wurde beiderseits des Atlantiks als ermutigendes Signal aufgenommen. Europäische Aktien beflügelte die Entscheidung noch aus einem weiteren Grund: Das wachsende Zinsgefälle zwischen den Vereinigten Staaten und dem Euroraum drückt den Kurs der Gemeinschaftswährung. Dadurch werden Waren aus der Währungsunion auf dem Weltmarkt billiger, was die Absatzchancen der hiesigen Exporteure fördert.

Gleichwohl dürfte die Wirtschaft in den USA auch 2017 schneller wachsen als im Euroraum. Für die Vereinigten Staaten rechnen die meisten Ökonomen mit einem Plus von mindestens zwei Prozent, für den Euroraum mit bestenfalls 1,6 Prozent. Die Prognosen für Deutschland reichen von 1,1 bis 1,7 Prozent.

Der schwache Euro helfe nur bedingt, weil die Bedeutung des Exports für das Wachstum nachlasse, glaubt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Die wichtigsten Gründe dafür seien der „Strukturwandel hin zu binnenwirtschaftlichem, dienstleistungsgetriebenen Wachstum einerseits und dem zunehmenden Protektionismus andererseits“ – nicht nur in den USA. Dass der neue US-Präsident Trump tatsächlich einen Handelskrieg mit China anzettelt, halten die meisten Beobachter trotz seiner Verlautbarungen im Wahlkampf für unwahrscheinlich. Aber ausschließen könne man es nicht, warnt Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding.

Brexit-Fortgang und Wahlen beeinflussen Entwicklung

Auch sein Kollege Michael Heise von der Allianz sieht 2017 „viele Unbekannte im Spiel“. Neben der künftigen US-Wirtschaftspolitik nennt er die Wahlen in Deutschland und Frankreich sowie den Fortgang der Brexit-Verhandlungen. Angesichts der „Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft in 2017“ gebe es gleichwohl Grund zur Zuversicht. Das gelte sogar mit Blick auf die Zinsen, die dank der US-Notenbank auch diesseits des Atlantiks leicht zulegen könnten: „Man kann wohl damit rechnen, dass die expansive Geldpolitik der EZB eine völlige Abkoppelung von den US-Zinsen nicht herbeiführen wird. Das wäre gut so – für die Sparer und ihre Altersvorsorgevermögen, aber auch für die Stabilisierung des Euro“, schreibt Heise.

Mit konkreten Prognosen für den Aktienmarkt halten sich die meisten Analysten zurück. Sowohl die hessisch-thüringische Landesbank Helaba als auch die DZ Bank glauben aber, dass der Dax die 12 000er-Marke zurückerobern wird. Zuletzt war dies im April 2015 der Fall. Der Kapitalmarktexperte Robert Halver empfiehlt Anlegern insbesondere dividendenstarke Titel: „Schätzungen zufolge werden 2017 voraussichtlich 21 Dax-Unternehmen ihre Dividendenzahlungen erhöhen und insgesamt etwa vier Prozent mehr ausschütten als in diesem Jahr.“ Aber auch Unternehmen aus der zweiten und dritten Börsenliga verdienten Beachtung: Besonders viel Kurspotenzial verspricht Halver auch von Industrieaktien aus dem M-Dax und dem S-Dax.