Gemeinsam mit rund 2500 Jägern demonstriert Klaus Niehueser mit Terrier „Filou“ auf dem Schlossplatz gegen das neue Jagdgesetz Foto: dpa

Das novellierte Landesjagdgesetz tritt am 1. April in Kraft – unter heftiger Kritik der Jägerschaft. Sie befürchtet, dass das bereits verabschiedete Gesetz in einigen Punkten noch verschärft wird.

Stuttgart - Reinhard Proettel sagt, dass er sich als Spielball der Politik fühlt. Der 70 Jahre alte Jäger steht in einer orangenen Warnweste auf dem Schlossplatz und beißt in sein Wildschwein-Leberkäs-Brötchen, das Mitarbeiter eines Stands vor dem Café Künstlerbund verkaufen. Um Proettel herum drängen sich am Mittwochvormittag Hunderte Jäger. Viele tragen Jagdhörner, um den „Politikern den Marsch zu blasen“, wie es seitens der Veranstalter heißt. Laut Landesjagdverband sind es mehr als 3000.

Es geht erneut um das Landesjagdgesetz. Im Café Künstlerbund bekräftigt Landesjägermeister Jörg Friedmann die Position vom Landesjagdsverband. „Der Anhörungsentwurf enthält Regelungen, die über das vom Landtag verabschiedete Gesetz hinausgehen“, kritisiert der Landesjägermeister. Das betreffe die Jagdzeiten, die Wildfütterung sowie das Verbot von Fallen. „Die Natur funktioniert anders, als sich das viele Naturschutzromantiker vorstellen“, so der Jäger Friedmann.

„Klientelpolitik pur“

Nur wenige Meter entfernt diskutieren die Abgeordneten des Landtags auf Antrag der FDP-Fraktion das Gesetz, das vor rund drei Monaten verabschiedet wurde und zum 1. April in Kraft tritt. Streitpunkt ist nun die Durchführungsverordnung, die die praktische Umsetzung regeln soll. FDP-Jagdexperte Friedrich Bullinger wirft der Landesregierung vor, „Klientelpolitik pur“ zu betreiben. „Unter Grün-Rot kommt die ganze Wahrheit stets durch die Hintertür im Wege der Verordnung“, sagt der FDP-Politiker. „Am Landtag vorbei“ setze man auf diese Weise Dinge durch, die so nicht besprochen worden seien – seiner Meinung nach „eine Ohrfeige für dieses Parlament.“

Ein großer Streitpunkt ist beispielsweise die Wildfütterung: Laut Gesetz ist sie auf Flächen ab 2500 Hektar möglich. Die Durchführungsverordnung sieht vor, dass das Gebiet zusätzlich zusammenhängend bejagbar sein muss. Damit werde die Wildfütterung in der Praxis unmöglich, kritisiert Wolfgang Reuther (CDU).

Der Abgeordnete wirft der Landesregierung vor, „politisch willkürlich“ in die Jagd einzugreifen. Als Beispiel nennt er die verkürzten Jagdzeiten für Füchse, die die weitere Ausbreitung des Fuchsbandwurms begünstigten. Er warnt außerdem vor einer zunehmenden Bürokratisierung. „Es wird teurer werden.“

Grün-Rot weist die Vorwürfe der Opposition zurück. Die Durchführungsverordnung führe die Grundsätze des Gesetzes weiter und konkretisiere sie, betont Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne). Auch frühere Jagdgesetzte hätten derartige Ermächtigungsgrundlagen erhalten. Details des Gesetzes könnten nur mit der Verordnung geregelt werden, denn die Sachkompetenz liege im entsprechenden Ministerium, sagt auch Reinhold Pix (Grüne).

Er ist überzeugt, dass mit dem „sehr modernen Jagdgesetz, wenn es in der Praxis eingeübt ist, alle gut leben können.“ Schließlich seien wesentliche Inhalte, wie das Schalenmodell, nicht zuletzt vom Landesjagdverband als Fortschritt begrüßt worden.

Der Minister vermutet politisches Kalkül

Hans-Peter Storz von der SPD sieht das ähnlich und bezeichnet die Vorwürfe der Opposition als „völlig haltlos.“ „Wie schon im Gesetzgebungsverfahren, war es dem Ministerium sehr wichtig, die Verbände und alle betroffenen Gruppierungen umfassend einzubeziehen“, betont der SPD-Politiker. Dabei hätten auch zahlreiche Anregungen der Jägerschaft Berücksichtigung gefunden.

Insofern gilt Alexander Bonde zufolge: „Die Regelungen, gegen die draußen demonstriert wird, stehen eindeutig im Gesetz.“ Der Minister vermutet politisches Kalkül: Man müsse sich schon fragen, warum die Demonstration auf dem Höhepunkt der Jagddebatte in Nordrhein-Westfalen stattfindet. FDP-Politiker Bullinger stört sich daran, dass Bonde die Demonstranten bereits im Vorfeld heftig kritisiert hatte: Die Ausübung des Versammlungsrechts habe ein Minister nicht zu verunglimpfen.

„Tierschutz und Naturschutz im europäischen Recht und Bundesrecht gelten für alle, auch für Jägerinnen und Jäger“, betont indes Bonde. Wolfgang Reuther hingegen betrachtet Jäger als „die einzig wirklich geprüften Naturschützer.“ Sie würden sich nie gegen sinnvoll praktizierten Tier- und Naturschutz stellen, ist er überzeugt.

SPD-Politiker Storz wirft der Opposition „plumpen Populismus“ vor. Jäger Reinhard Proettel sieht das anders. Er kann die Vorwürfe von CDU und FDP gut nachvollziehen, sagt er. Der 70-Jährige hört der Kundgebung auf dem Schlossplatz zu. „Wenn ich die Wildschweine nicht schießen kann, fressen sie den Mais und den Weizen auf“, sagt Proettel. Er ist seit mehr als 40 Jahren Jäger und wohnt bei Mosbach. Für die Kundgebung in Stuttgart reiste er gemeinsam mit seiner Frau am Vorabend in die Landeshauptstadt. „Wenn jetzt Regelung verschärft werden – das kann wirklich nicht sein“, sagt Proettel.