Cobo alias Rino Zullo ist Bozens Kultwirt, Weltenbummler und Lebenskünstler. Foto: Susanne Hamann

In der Südtiroler Hauptstadt Bozen kann man überraschende Entdeckungen machen. Und wem’s unten im Talkessel zu heiß wird, der schwebt einfach mit der Seilbahn 950 Meter hoch ins kühle Oberbozen.

„Bloß kein Stress und nicht hetzen“, lautet die Devise von Cobo. Der 67-Jährige ist Bozens Kult-Wirt. Dabei hat er gar keine Kneipe im wörtlichen Sinne - ein paar Schirme und Lampions, ein paar Hocker und Stühle, das war’s. Der Name des Lokals, „Fischbänke“, kommt von den marmornen Tischen, groß wie Altare, in der Dr.-Streiter-Gasse. Im Mittelalter wurde darauf Fisch feilgeboten. Heute serviert Lebenskünstler Cobo auf den blank gescheuerten Steinen Aperol Spritz - der hier Veneziano genannt wird - und dazu Bruschette. Viel mehr als Drinks und belegte Brote gibt die winzige Küche im Haus Nummer 28 nicht her. Muss auch nicht sein. Bei Cobo ist es dennoch immer brechend voll. Der Mann mit der grauen Künstlermähne und dem Schlapphut heißt eigentlich Rino Zullo und kommt aus Verona. Aus der Stadt Romeo und Julias ging er - ausgerechnet der Liebe wegen - weg und landete in Bozen. Für Cobo die schönste Stadt der Welt. Er kennt sich aus. Denn Wirt ist er nur von März bis Oktober, je nach Witterung. Dieses Jahr hat er sein Wohnzimmer erst im Mai aufgesperrt. „Den Rest des Jahres reise ich“, sagt Cobo. Haiti oder Palästina findet er besonders spannend. Dazu malt er Comics oder designt Schilder mit seinen Wahlsprüchen, die er dann im Sommer an den Sonnenschirmen über den Fischbänken befestigt. „Wenn du ein gutes Leben genießen willst, musst du es vor dem Verfallsdatum aufbrauchen“, steht da. Oder „Lerne über dich selbst zu lachen“. Jeden Morgen und jeden Abend braucht Cobo anderthalb Stunden, um die Dekoration auf- oder abzubauen. Muss leider sein, als Diebstahlsicherung. „Denn Leute haben sich etwas ausgeliehen und vergessen zurückzubringen“, sagt Cobo und lacht.

Cobos Devise gilt überall am Zusammenfluss von Eisack, Etsch und Talfer. Es heißt, man könne sich in Bozen nur schwer verlaufen, aber sich schnell in die Stadt vergucken. Wie wahr. In Südtirols Hauptstadt mischt sich alpiner Charme mit mediterranem Flair. Knapp 100 000 Einwohner zählt Bozen, davon drei Viertel italienischsprachig, ein Viertel deutschsprachig. Das Verhältnis ist genau umgekehrt wie im Rest Südtirols. Der Ort, strategisch an einer wichtigen Nord-Süd-Route gelegen, war immer eine Handelsmetropole, ein Treffpunkt. Davon zeugen die berühmten Lauben im historischen Zentrum. Die Trienter Bischöfe ließen die Gasse im 12. Jahrhundert errichten. Über 300 Meter lang, handtuchschmale Häuser dicht an dicht. Bei allen Gebäuden wurde die Außenwand im Erdgeschoss ein Stück nach innen verlegt, so dass ein offenes Steingewölbe entsteht. Unter diesen Rundbögen wurde gefeilscht, was das Zeug hält. Inzwischen sind oft internationale Ketten eingezogen. Dennoch hat die Straße mit den bemalten Fassaden noch immer viel Atmosphäre. Im Inneren der Geschäfte gibt es einiges zu entdecken: Gewölbekeller, Lichthöfe, altes Gebälk, verblichene Fresken aus der Spätgotik, kombiniert mit moderner LED-Beleuchtung und Acrylregalen. Sehenswert: die Apotheke Zur Madonna (Lauben 17), der Schuhladen Rizzoli (Lauben 60) und das Merkantilmuseum (Lauben 37a). Noch heute kann man in den Arkadengängen wetterunabhängig entspannt bummeln.

Die besten Rezepte gegen Hitze

Wobei nicht Regen ein Problem darstellt - sondern die Sonne. „Bozen ist die heißeste Provinzhauptstadt Italiens“, sagt Hansjörg Mair vom Tourismusverband Südtirols Süden. Die hohen Temperaturen entstehen durch die geografische Lage: eingebettet in einen Kessel und gebaut auf besonders wärmespeicherndem Porphyrgestein. Hansjörg Mair hat einen Trick, um sich gegen die sommerliche Hitze zu wappnen: Er schläft notfalls auf seiner Dachterrasse. Wer kein „Tausend-Sterne-Hotel“ zur Verfügung hat, findet in der Stadt aber auch andere kühle Winkel. Zum Beispiel den Neptunbrunnen am Obstmarkt, gleich am westlichen Ende der Lauben gelegen. An den Ständen rundherum, Standln genannt, türmen sich glänzend polierte Äpfel, saftige Tomaten, Marmeladen, Speck, Schüttelbrot und alles, was das Feinschmeckerherz begehrt. Ein gutes Glas Wein im Schatten und dazu ein paar Häppchen gibt es an Standl Nummer 11, Banco undici, der kleinen Weinbar von Birgitta Puustinen. Die gebürtige Finnin kam 1987 aus Helsinki nach Südtirol, um im Weingut Lageder zu arbeiten. Seit 2008 hat sie ihren eigenen Laden und schenkt Südtiroler Lagrein, Magdalener und andere Tropfen aus Italien aus. „Ich bin egoistisch“, sagt die Blondine, „ich berate meine Gäste immer selbst.“ Entspannung bei angenehmen Temperaturen verspricht auch der lauschige Garten des Parkhotels Laurin, nur einen Steinwurf vom zentralen Waltherplatz entfernt. Hier kann man im Schatten verweilen und eine botanische Sensation bewundern: eine alte Himalajazeder, bis zur Krone umrankt von einer riesigen Bankrose. Oder man stattet Ötzi einen Besuch ab. Die Gletschermumie ruht in einer Kühlkammer bei konstant minus sechs Grad Celsius. Da wird einem schon vom Ansehen wohlig kühl.

Das beste Rezept gegen Hitze jedoch ist es, in die Sommerfrische zu fahren. Am Rande der Innenstadt liegt die Talstation der Rittner Seilbahn. Ein Unikum in den Alpen - sie soll die einzige Bahn sein, die im Sommer und nicht im Winter Gewinn macht. In zwölf Minuten schweben die Gondeln von Bozen-Stadtmitte über Weinberge, Wiesen und Wälder nach Oberbozen. Der Druck auf den Ohren verrät: Es geht ordentlich hinauf, 950 Höhenmeter. Oben erwartet den Besucher reine, kühle Luft. Erst mal Durchatmen, die Aussicht genießen. Wer das Hochplateau erkunden möchte, kann sich in die Rittner Bahn setzen. Die nostalgischen Schmalspurzüge versetzen nicht nur Eisenbahnnostalgiker in Entzücken. Dank des gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehrs kann man problemlos in Oberbozen logieren und täglich in die Stadt pendeln. Einst ließen reiche Bozner Villen errichten, um hier oben den Sommer zu verbummeln. Heute können sich nur noch wenige die Idealvorstellung vom Bozner Lebensglück erfüllen: Wer besitzt schon ein Geschäft in den Lauben und ein Sommerfrischehaus auf dem Ritten? Doch mieten geht auch. „Zu unseren Stammgästen zählen viele Bozner Familien“, erzählt Karin Rinner, Juniorchefin des Hotels Rinner in Oberbozen. „Sie nehmen für drei Wochen bei uns Quartier. Oft bleiben die Kinder dann hier heroben und Mutter oder Vater fahren jeden Tag mit der Seilbahn runter zum Arbeiten.“ Ganz entspannt.