Manarola - der Ort ragt auf einem Felsen ins Meer. Jeder Quadratmeter wurde für verschachtelte Konstruktionen genutzt. Foto: Trapmann (2), Sapio, Steinbacher, Fotolia/Klauser

Ein Geheimtipp sind die Cinque Terre lange nicht mehr. Wie man die kulinarischen und sonstigen Reize des Küstenabschnitts in Italien trotzdem genießen kann.

Corniglia - Das erste Auto gab’s 1974. War es ein Fiat 500? Elena Barrani, bald 87, erinnert sich nicht mehr genau. Weit konnten sie und ihr Mann damals nicht fahren. Straßen gab es so gut wie keine in den Cinque Terre. Der bergige Küstenabschnitt besteht aus den fünf Orten Monterosso, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore. Seit damals hat sich hier, im Süden Liguriens, einiges getan. Das Straßennetz ist zwar immer noch überschaubar, aber in Sachen Tourismus hat sich das Gebiet zu einer der Top-Adressen in Italien gemausert.

Das hat nicht nur Vorteile. Schon in den ersten Frühlingstagen sind die Regionalzüge, die die fünf Orte verbinden, voll mit Touristen aus Asien, Amerika und Deutschland. Auf den Hauptwanderwegen stockt der Verkehr. Die Cinque Terre gelten den Besuchern als echtes Stück Italien mit unberührter Natur, malerischen Dörfern und gutem Essen. Da ist was dran. Aber ohne Hilfe der Einheimischen dringt der Besucher kaum zu den Reizen der Cinque Terre vor. Gut, dass es Menschen wie Elena Barrani gibt. Ihre Familie betreibt in Corniglia ein Agriturismo. Urlaub auf dem Bauernhof - nur dass in dieser Gegend zum Agriturismo kein Kuhstall gehört, sondern ein Weinberg, ein Olivenhain oder Gemüsegarten. Elena also ist die Großmutter im Agriturismo Barrani - und die Chefköchin.

Pansotti mit Walnuss-Soße, eine ligurische Spezialität

An diesem Abend steht sie in ihrer Küche, guckt aufs Meer und kocht ihr Paradegericht: Pansotti mit Walnuss-Soße, eine ligurische Spezialität. Die Teigtaschen sind gefüllt mit Ricotta, Mangold und Zwiebeln, und den Teig hat sie, Ehrensache, selbst gemacht und ausgerollt, bis man durchgucken kann. Wer das Glück hat, von ihr bekocht zu werden, darf sicher sein: So schmecken die Cinque Terre. Ausflug nach Riomaggiore: Mit der Bahn sind es von Corniglia wenige Minuten. Zu Fuß drei Stunden, meist durch die steilen Weinberge. In Riomaggiore ist Walter de Batté zu Hause, ein freundlicher Querkopf. Er sieht den touristischen Aufschwung, den die Cinque Terre genommen haben, skeptisch. „Das ganze Dorf ist ein Hotel“, sagt er über seinen Heimatort. Und das ist nicht als Lob gemeint. In seinem früheren Leben war er Elektroniker bei der Kriegsmarine im nahen La Spezia. Vor gut 25 Jahren sattelte er um auf Winzer. Motto: Make wine, not war - mach’ Wein, nicht Krieg.

Doch er wäre nicht zur Legende der Cinque Terre geworden, wenn er einfach nur Wein angebaut hätte. Er hat ein Projekt daraus gemacht. „Das Gelände ist extrem, also wollte ich extreme Weine machen.“ Das heißt: Abschied von den Vorschriften, die ein Winzer einhalten muss, wenn er das Gütesiegel DOC bekommen will. De Batté wendet für seine Weißweine stattdessen das alte mediterrane Verfahren an, den Most mit der Schale in Kontakt zu lassen. Zu pressen und die Schale sofort abzuziehen, nennt er etwas abfällig die mitteleuropäische Art. „Wenn ich am Mittelmeer meine Trauben anbaue, will ich den Wein auch nach Mittelmeer-Art herstellen.“ Ergebnis sind komplexe, goldgelbe Weißweine, deren Vorzüge man erklärt bekommen muss.

Zu aufwendig ist die Arbeit in den steilen Hängen

Sie erschließen sich nicht auf den ersten Schluck. Aber es geht nicht nur um Geschmacksfragen. De Batté sorgt sich auch um den Fortbestand der Weinbaukultur in den Cinque Terre, weil er es für eine Überlebensfrage hält. „Bis vor 50 Jahren war hier kein Baum zu sehen, nur Reben.“ In den letzten Jahren ist die Weinbaufläche dramatisch geschrumpft. Zu aufwendig ist die Arbeit in den steilen Hängen, die sich bis zu 800 Meter hoch übers Meer erheben. Die Natur erobert sie sich gerade zurück. Viele der Trockenmauern, die aneinandergereiht eine Strecke von über 7000 Kilometern ergeben würden, bröckeln. Die Gefahr von Erdrutschen steigt. „Und dann“, so de Batté, „trifft die Dörfer ein tödlicher Steinhagel.“ So viel Drama ist Christiane Utsch wesensfremd.

Die 48-jährige Rheinländerin ist Sommelière, lebt seit vielen Jahren in den Cinque Terre und betreibt mit ihrem Mann Maurizio Bordoni in Groppo bei Manarola das winzige Restaurant Cappun Magru. Kleiner Ort, große Küche: Das Cappun Magru gilt als das beste Restaurant der Gegend, Bordoni manchen Kritikern als einer der besten Köche ganz Italiens. Der 58-Jährige steuerte vor ein paar Jahren um von Schnickschnack auf traditionelle Gerichte. Jetzt steht er, wie immer mit Strohhut, in seiner Küche, um das Gericht zuzubereiten, das dem Betrieb seinen Namen gab: Cappun Magru, der magere Kapaun, ist ein Seefahrer-Essen. Man häufte auf, was man hatte: Zwieback, Kräutersoße, Schwertfisch, Garnelen, Muscheln, Austern, Gemüse. Und dazu in Salz eingelegte Sardellen. „Die Sardellen“, sagt Utsch, „sind der wichtigste Geschmacksgeber für die ligurische Küche.“ Sie grinst. „Wie bei uns früher Maggi.“ Zurück zu Elena Barrani. Sie erzählt, wie sie früher mit den anderen Frauen die Körbe mit den Trauben aus den steilen Weinbergen getragen hat. Auf dem Kopf. Auch die Steine für den Bau ihres Hauses, in dem heute die Touristen wohnen, wurden so herbeigeschafft. Heute erledigen das auch in den Cinque Terre Maschinen. Der Fortschritt hat auch Vorteile.

Infos zu Cinque Terre

Allgemeines
Cinque Terre ist die Bezeichnung für einen etwa 12 Kilometer langen Küstenabschnitt in Italien, südöstlich von Genua. Cinque Terre heißt so viel wie fünf Dörfer und steht für die Hauptorte Monterosso, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore. Die Region ist Nationalpark, d. h. größere bauliche Veränderungen sind nicht erlaubt. Seit 1997 Unesco-Weltkulturerbe.

Anreise
Die Anreise mit dem Auto ist nur was für engagierte Fahrer. Besser geht’s mit der Bahn, die in allen fünf Orten hält. Wer nicht die ganze Strecke mit dem Zug fahren will, kann zum Beispiel bis Pisa fliegen (ab Frankfurt-Hahn mit www.ryanair.com , hin und zurück ab 136 Euro) oder bis Florenz (ab Stuttgart mit www.airberlin.com , ab 150 Euro). Von dort weiter mit der preisgünstigen Bahn in anderthalb bzw. dreieinhalb Stunden ( www.trenitalia.de ).

Geführte Reisen
Wer Wert legt auf ortskundige Wanderführer und Zugang zu besonderen Erlebnissen, kann eine organisierte Reise buchen, etwa beim Anbieter Sapio-Kulinarische Entdeckungsreisen (2011 Gewinner des Sonntag Aktuell Touristikpreises). Sechs Übernachtungen mit Frühstück im Agriturismo Barrani, fünf mehrgängige Abendessen, mehrere Mittagsimbisse, Weinproben sowie geführte Wanderungen kosten 998 Euro im Doppelzimmer, ohne Anreise. Die Gruppenreisen haben 6 bis 12 Teilnehmer. Auf dem Programm stehen neben den Wanderungen unter anderem eine Weinprobe bei Walter de Batté, eine mit Sommelière Christiane Utsch und ein Kochabend im Restaurant Cappun Magru. Die Termine für die Cinque-Terre-Reisen stehen schon bis 2016 fest. Telefon 030 / 25 56 29 35, www.sapio.de

Unterkunft
Es gibt wenig klassische Hotels in den Cinque Terre, dafür viele Privatunterkünfte und Ferienwohnungen. Ein Doppelzimmer bekommt man etwa ab 60 bis 70 Euro pro Nacht. Eine zentrale Anlaufstelle gibt es nicht. Agriturismo Barrani in Corniglia, Halbpension 75 Euro pro Person, Tel. 00 39 / 01 87 / 81 20 63, www.barrani.it

Hotel Marina Piccola in Manarola, Doppelzimmer mit Frühstück ab 140 Euro, Tel. 00 39 / 34 72 / 69 84 06, www.marinapiccola.com

Essen und Wein
Als die besten Restaurants gelten: Cappun Magru in Manarola-Groppo, Tel. 00 39 / 01 87 / 92 05 63, Menü ab 45 Euro Osteria a Cantina de Mananan in Corniglia, Tel. 00 39 / 01 87 / 82 11 66, Preise von 8 bis 20 Euro Enoteca Internazionale, Via Roma 62 in Monterosso, Weine, Snacks und regionale Olivenöle, www.enotecainternazionale.com

Cantina Cinque Terre, die Genossenschaft mit Sitz in Riomaggiore, vermittelt auch Führungen und Besuche in Weinkellern; einer ihren besten Weine ist der Costa da Posa, spritzig-mineralisch, um die 17 Euro, www.cantinacinqueterre.com

Reiseführer
Standardwerk ist der sehr informative Reiseführer von Christoph Hennig: Cinque Terre - Ligurische Küste, Landschaft, Touren, Gastronomie, Oase-Verlag, 384 Seiten, 23 Euro.