Merck-Chef Kley: "Die Flüchtlinge erfüllen nicht unsere Anforderungen." Foto: dpa

Trotz Krisen sind sie wieder nach Isny gekommen: Der neue VW-Vorstandschef Matthias Müller und Audi-Chef Rupert Stadler. Im „schwäbischen Davos“ treffen sich jeden Herbst Top-Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik zum Meinungsaustausch.

Isny - Das Kennwort für diese Isny-Runde kommt von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier: Zeitenwende – Zeitenwende für den VW-Konzern, für Deutschland und besonders für Europa. Viele Zeitenwenden wurden in Isny, der kleinen Variante des Weltwirtschaftsforums Davos schon verhandelt – Ende des Kommunismus, Globalisierung, Weltwirtschaftskrise – und nun dies: Die Krise Europas. Doch am wenigsten scheinen die gewaltigen Zentrifugalkräfte in der EU den hohen Repräsentanten aus Brüssel umzutreiben, Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovkis und ehemaliger lettischer Ministerpräsident. Weder der EU-feindliche Nationalismus von Ungarn über Tschechien, Polen bis Dänemark und Großbritannien noch die Flüchtlingskrise kommen in seinem Statement vor.

Was Wunder, dass Hessens Regierungschef Bouffier in der Diskussion der Kragen platzt: „Freunde, so geht es nicht weiter! 40 Flüchtlinge kommen mit großer Geste nach Liechtenstein, während mein Bundesland Hessen in 10 Tagen mehr Flüchtlinge aufnimmt als England und Frankreich im gesamten Jahr zusammen.“

Keiner redet hier so viel Klartext wie Bouffier: „15 bis 25 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, sind Analphabeten. Diese Leute hier heimisch zu machen, kostet uns 30 Jahre. Der Zuzug muss drastisch weniger werden. Zumal wir keinen Verteilungsschlüssel hinbekommen.“

Oettinger: Deutschlands Erwartungen an Flüchtlingskontingente sind überhöht

EU-Kommissar Günther Oettinger ist nicht minder skeptisch: „Unser Asylrecht kann nicht so gehalten werden, wie es ist. Die Erwartung an Kontingente ist völlig überhöht.“ Kritik an der Flüchtlings-Politik von Kanzlerin Merkel gibt es nicht in dieser traditionell CDU-freundlichen Isny-Runde. Es fragt auch niemand nach der möglichen Quittung für die CDU bei den drei Landtagswahlen am 13. März 2016.

Der einzige, der vorsichtig Kritik anklingen lässt, ist der langjährige Moderator der Isny-Runde, VDA-Präsident Matthias Wissmann: „Wie überzeugend wirkt Deutschland nach außen, wenn es hier keine Obergrenzen gibt?“ Alle Länder sagten, das sei ein deutsches Problem, so Wissmann mit Blick auf die Willkommenskultur der Kanzlerin. „Es kann passieren, dass Deutschland Schengen dauerhaft aussetzen muss.“ Dann gäbe es wieder Kontrollen an den deutschen Grenzen innerhalb der EU.

Und die Wirtschaft? Karl-Ludwig Kley, Chef des internationalen Pharma- und Chemie-Konzerns Merck, lässt keine Illusionen aufkommen. „Wir nehmen null. Nicht ein Flüchtling hat die Anforderungen, die wir brauchen. Die Wirtschaft schultert genug. Wir können nicht auch noch für jedes aktuelle politische Ziel Verantwortung übernehmen.“ Außerdem: „Das Herz der Willkommenskultur allein reicht nicht. Auch Verstand wäre noch nötig.“

Ex-Lufthansa-Chef: Die Stärke der deutschen Wirtschaft wird überschätzt

Dass die Stärke der deutschen Wirtschaft zu Unrecht als weltweit Spitze gelte, hebt Christoph Franz, Präsident beim Pharmariesen Roche Holding AG. und vormaliger Lufthansa-Chef, hervor. Patente und Innovationen seien stark rückläufig, und wenn die Zeiten des billigen Euro und des billigen Öls vorbei seien, drohe der „deutschen Verwaltungs- statt Marktwirtschaft“ ein böses Erwachen.

Der Schlüsselsatz dieser Isny-Runde kommt von Ministerpräsident Bouffier: „Wir werden Zeugen einer Zeitenwende. Wir treten ein in eine Phase des permanenten Krisenmodus, der permanent mit Kompromissen ausbalanciert werden muss.“ Einen Ausweg für die EU sieht immerhin Karl-Ludwig Kley vom Roche-Konzern aus Schweizer Sicht: „Die Forderung der Engländer an die EU bieten eine einmalige Chance. Diese Forderungen hätten von den Deutschen kommen müssen, aber wir haben uns nicht getraut. Jetzt sollten wir uns mit den Engländern zusammentun, um mehr Freihandelsgeist in die EU zu bringen.“ Andernfalls hätten die südeuropäischen Nehmerländer mehr und mehr das Sagen.

VW-Chef Müller: Konzern muss die Krise bewältigen und zugleich neue Technologien voranbringen

Und VW in der größten Krise seiner Geschichte? Der neue Konzernchef Matthias Müller, der massiv Kritik an der VW-Berichterstattung deutscher Medien übt, lässt keine Zweifel: „Die Manipulationen, die es gab, widersprechen allem, wofür VW steht.“ Mit einem Fünf-Punkte-Programm werden angesichts der „historischen Herausforderung“ neue Ziele bis 2025 ausgegeben. Allerdings werde die Krisenbewältigung erschwert, weil zugleich der nächste Innovationssprung bevorstehe: Die Elektromobilität und das autonome Fahren. Im Auto der Zukunft sei IT genauso wichtig wie die mechanischen Bauteile. Dringend fordert Müller von der deutschen Auto-Industrie „mehr eigene digitale Kompetenz im Wettstreit mit Google“. Außerdem müssten sich bei VW nicht nur die Abläufe im Konzern, sondern auch der Betriebsrat samt IG Metall erneuern.

Das Unternehmer-Ehepaar Helmut und Bruni Aurenz (ASB-Unternehmensgruppe) konnten als Gastgeber der Isny-Runde wieder namhafte Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft begrüßen, darunter BDI-Präsident Grillo, Lufthansa-Chef Spohr, den Chef von Ford-Deutschland Mattes, Porsche-Chef Blume, Hilti-Chef Hilti sowie aus der Politik unter anderem Bundespräsident a.D Wulff, Ministerpräsident a.D. Kochund CDU-Landeschef Strobl.