Helmut Brocke Foto: privat

Wenn Bestechung aufgedeckt wird, zeigt sich nur die Spitze des Eisbergs, sagt Helmut Brocke von Transparency International.

Stuttgart - Auf dem Korruptionsindex von Transparency International liegt Deutschland auf Platz 10 und damit im vorderen Feld. Doch „es gibt kein System, dass Korruption völlig ausschließt“, sagt Helmut Brocke, der Arbeitsgruppenleiter Kommunen bei der Antikorruptionsorganisation. Die Dunkelziffer liege bei mehr als 90 Prozent.

Herr Brocke, in Heilbronn hat sich ein Bauunternehmer mit allerlei Geschenken ein beachtliches Netzwerk geleistet. Wie groß ist das Problem der Korruption hierzulande?
Wir leben in Deutschland nicht auf einer Insel der Seligen. Es gibt keinen Lebensbereich ohne Korruption. Dabei ist Korruption ausgeklügelter, raffinierter geworden.
Inwiefern?
Belohnungen und Geschenke werden heute selten offen gewährt. Die Schmiergeldzahlung, die ohne besondere Planung aus einer spontanen Situation heraus passiert, hat bei uns eine geringe Bedeutung. Meist entsteht die Korruption strukturell über einen längeren Zeitraum, wobei sich auch freundschaftliche Beziehungen zu Vorteilsgebern entwickeln können.
Gibt es Branchen, die im kommunalen Bereich besonders oft versuchen zu bestechen?
Besonders in den Arbeitsbereichen, wo öffentliche Aufträge vergeben und Beschaffungen getätigt werden. Ein Unternehmer fängt mit kleinen, noch erlaubten Geschenken an, sieht sich die Reaktion des Amtsträgers an und individualisiert seine Präsente dann nach dessen Interessen: Der Sportbegeisterte wird in die VIP-Loge des Stadions eingeladen, der Kulturbegeisterte vielleicht in die Oper. Der Beschäftigte wird angefüttert. Im Gegenzug erwartet der Unternehmer schließlich, dass sich der Beschäftigte auch einmal erkenntlich zeigt.
Kontaktpflege oder Korruption: Wo ist die Grenze?
Die Kontaktpflege zu den Unternehmen und Organisationen der Kommune ist für einen Bürgermeister oder Landrat wichtig. Sie bedeutet aber nicht, dass er Belohnungen und Geschenke annehmen darf. Gerade der Behördenleiter muss für die Beschäftigten ein Vorbild hinsichtlich Integrität und Transparenz sein. Er darf nicht einmal den Anschein erwecken, für Zuwendungen empfänglich zu sein.
Was können Kommunalverwaltungen tun, um Korruption vorzubeugen?
Es gibt Standards, die überall beachtet werden sollten. In Baden-Württemberg gilt seit vier Jahren eine Verwaltungsvorschrift zur Verhütung von Korruption. Zu den empfohlenen Präventionsmaßnahmen gehören das Vier-Augen-Prinzip, intensive Kontrollen und eine Begrenzung der Beschäftigungsdauer auf fünf Jahre in besonders korruptionsgefährdeten Bereichen.
Wie groß ist der Schaden, der der öffentlichen Hand durch Bestechung entsteht?
Die Dunkelziffer liegt jedenfalls über 90 Prozent. Der materielle Schaden ist erheblich. Hinzu kommt der immaterielle Schaden durch den Vertrauensverlust. Die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Beschäftigten integer sind und rechtmäßig arbeiten. Es gibt aber kein System, dass Korruption völlig ausschließt.