Alles selbst gemacht: Markus Eberharding röstet Knochen für die Soße. Foto: factum/Granville

Noch bis 14. Februar dauert das Gastspiel im Platzhirsch: Das Team des mit einem Michelinstern ausgezeichneten Restaurants Speisemeisterei hat in Böblingen gutbürgerlich gekocht. „Es war ein großes Abenteuer“, zieht der Küchenchef Markus Eberharding Bilanz.

Böblingen - Pop-Up heißt ein neues Phänomen in der Gastronomie: Für kurze Zeit tauschen Lokale auf und verschwinden wieder. Im Platzhirsch am Böblinger Postplatz hat sich nach diesem Motto das Team der Speisemeisterei eingerichtet. Einfach schwäbisch zu kochen, ist gar nicht so einfach, sagt der Küchenchef Markus Eberharding – wenn man alles selbst macht.
Herr Eberharding, wie sind Sie denn in Böblingen angekommen?
Gut! Es war wirklich wahnsinnig stressig am Anfang. Aber wir sind sehr zufrieden. Wir haben viele Gäste, die gerne auch wiederkommen. Unser Pop-Up-Lokal wird richtig gut angenommen. Damit haben wir gar nicht gerechnet. Viele Gästen sagten uns: So etwas fehlt in Böblingen.
Das Konzept Pop-Up ist total trendig. Wollte die Speisemeisterei damit eine neue Kundschaft ansprechen?
Es ist eigentlich dem geschuldet, dass wir die Speisemeisterei für sechs Wochen schließen mussten, um unsere Küche zu renovieren. Wir haben aber viele Mitarbeiter und müssen sie auch bezahlen. Es muss also irgendwo Geld reinkommen. Bei unseren Lieferanten haben wir deshalb herumgefragt, ob wir irgendwo für diese Phase unterkommen können. Werner Dinkelaker von der Braumanufaktur Schönbuch hat uns daraufhin den Platzhirsch angeboten.
Im Platzhirsch herrscht ein ganz anderes Ambiente als im Hohenheimer Schloss. Haben Sie sich davon inspirieren lassen?
Wir kochen hier gutbürgerlich, machen eine solide schwäbische Küche ohne viel Chichi. Wir verfeinern nichts mit kreativen Ideen wie in der Speisemeisterei, sondern kochen ganz normal, wie es sich für eine schwäbische Wirtschaft gehört. Es wäre hier von den Gegebenheiten auch nicht möglich, dass wir eine Küche machen wie in der Speisemeisterei.
Hat sich niemand beschwert, dass es keinen Kaviar gibt?
Ein paar Gäste haben sicher etwas anderes erwartet. Aber viele freuen sich auch wahnsinnig, dass wir mal gutbürgerlich kochen. Wir haben schon zu hören bekommen, dass die Leute öfters zu uns kommen würden, wenn wir immer so kochen würden. Das ist logisch: Was wir in der Speisemeisterei machen, ist nichts für jeden Tag. Das gönnt man sich einmal im Jahr oder höchstens alle paar Monate. Das hier ist schon Every-Day-Food, schwäbisches Soulfood.
Was für Seelenfutter tischen Sie im Platzhirsch denn auf?
Das fängt an mit Maultaschen, der Klassiker Rostbraten mit Spätzle natürlich. Wir hatten Gaisburger Marsch und Kutteln. Am Sonntag gab es Krustenbraten vom Alblinsenschwein mit Dinkelspätzle und Schönbucher Biersoße. Wobei wir auch ein siebengängiges Menü haben, das ist aber ganz puristisch gehalten, mit passender Bierbegleitung, wirklich keine großen Garnituren, kein Schnickschnack.
Macht es Ihrem Küchenteam überhaupt Spaß, so bodenständig zu kochen?
Es war natürlich für alle ein großes Abenteuer. Wobei man schon sagen muss, dass die meisten, die bei uns arbeiten, wirklich high-end kochen wollen, also auf einem sehr hohem Niveau. Für manche Kollegen hat sich allerdings herausgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, eine einfache schwäbische Küche zu kochen.
Warum nicht?
Es ist eben sehr aufwendig, alles selbst zu machen. Alleine die Soße! Der Verbrauch an Soße ist im Platzhirsch um das Drei- bis Vierfache höher als in der Speisemeisterei. In einer schwäbischen Wirtschaft muss ja alles schwimmen. Wir brauchen hier täglich fünf Liter Soße. Und wenn man tatsächlich den selben Aufwand fährt mit der Soße wie in einem Spitzenrestaurant, was wir machen, dann geht da richtig was durch. Wir müssen jeden Tag Knochen rösten, Gemüse rösten, alles mit Rotwein ablöschen, mit Wasser aufgießen und ein paar Stunden kochen. Dann hat man allerdings erst den ersten Ansatz. Am nächsten Tag geht es wieder von vorne los. Was für uns überhaupt die größte Herausforderung war im Platzhirsch: die Mengen. In der Speisemeisterei arbeiten wir viel filigraner, hier kommt ein Teller auf den Tisch und der Gast soll satt sein.
Freuen Sie sich auf die Speisemeisterei?
Auf jeden Fall. Wir haben dann eine ganz neue Küche. Da freuen wir uns alle drauf.
Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was auf die Speisekarte kommt?
Da sind wir gerade dabei. Jeden Nachmittag haben wir ein Meeting. Fest steht, dass es eine Wachtel mit Feldsalat, Piemonteser Haselnüssen und Périgord-Trüffel geben wird. Und unseren Klassiker, die Dorade in der Salzkruste. Im vegetarischen Bereich machen wir eine Kokos-Curry-Suppe.
Nichts Schwäbisches mehr?
Wir haben immer auch ein Menü „Stuttgarter Land“ – mit Zutaten, die ausschließlich aus der Region stammen.
Ihr Gastspiel in Böblingen werden Sie auf keinen Fall verlängern?
Es hat total Spaß gemacht. Aber dafür haben wir nicht die Kapazität. Das Schöne an dem Pop-Up-Konzept ist: Bevor es ins Tagesgeschäft übergeht und alles Routine wird, ist es wieder erledigt. Bei neuen Restaurants gibt es ja oft das Phänomen, dass die Gäste dir in den ersten vier Wochen die Bude einrennen – und dann kommen sie plötzlich nicht mehr.