Ulrich Storer blickt dem Ruhestand gelassen entgegen. Foto: factum/Weise

Nach 24 Jahren geht der Asperger Bürgermeister Ulrich Storer in den Ruhestand. Im Interview spricht er über seine schwersten Entscheidungen – und wie die Stadt und das Amt sich gewandelt haben.

Asperg - Seinen Rückzug hat er frühzeitig angekündigt, nun ist es bald soweit: Nach 24 Jahren als Verwaltungschef unter dem Hohenasperg geht Ulrich Storer in den Ruhestand. Er blickt auf bewegte Jahre zurück. Wie es für ihn nach dem 7. November weitergeht, wenn Christian Eiberger übernimmt, weiß Storer noch nicht. Ein neues Hobby habe er sich noch nicht zugelegt, sagt er.

Herr Storer, wie laufen Ihre letzten Tage als amtierender Bürgermeister?
Die sind wie die Tage der letzten 24 Jahre. Ich bin jeden Tag mit Einsatz und hoch motiviert dabei. Die letzten Tage waren von Arbeit geprägt, ich habe immer noch neue Ideen. Der Terminkalender ist noch voll.
Klingt so, als würden Sie doch gerne weitermachen. Was waren Ihre Gründe, zu sagen: Das reicht jetzt?
Ich werde quasi mit meinem 64. Geburtstag in den Ruhestand gehen. Eine weitere Amtsperiode hätte bedeutet, dass ich bis 72 Bürgermeister bin. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es ist der richtige Zeitpunkt, das Amt in jüngere Hände abzugeben.
Hat die Ablehnung des Bürgerentscheids zur Erhaltung des Lehrschwimmbeckens bei der Entscheidung eine Rolle gespielt? Ihre Stimme hat in der Pattsituation im Gemeinderat den Ausschlag gegeben.
Der Bürgermeister hat nur eine Stimme im Gemeinderat, deshalb kann ich nicht nachvollziehen, dass meine Stimme den Ausschlag gegeben hat. Alle Stimmen sind gleichwertig, insofern hat jede einzelne Stimme, die gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gestimmt hat, den Ausschlag gegeben. So interpretiere ich das.
Es war zumindest eine unpopuläre Entscheidung. Muss man so etwas als Bürgermeister oft machen?
Das war sogar eine sehr unpopuläre Entscheidung. Und davon gab es in meiner Zeit als Bürgermeister noch einige andere. Aber man kann nicht als Entscheidungsgrundlage das nehmen, was von einzelnen Interessengruppen gewünscht wird, sondern man muss das entscheiden, was für die Gemeinde am besten ist. Das sollte die Maxime jeden Handelns sein. Damit macht man sich keine Freunde. Da braucht es dann Durchhaltevermögen und Durchsetzungsfähigkeit. Im Rückblick zeigt sich: Es waren die richtigen Entscheidungen, die Ergebnisse waren immer überzeugend.
Was waren die dicksten Bretter, die Sie in den vergangenen 24 Jahren bohren mussten?
Da waren einige darunter. Als ich 1993 hierhergekommen bin, habe ich einen Gemeinderat vorgefunden, der immer noch aufgrund des Bürgerentscheids über die alten Sportplätze und die Einrichtung eines Bürgergartens zerstritten war. Hier galt es, einen Kompromiss zu finden. Ein weiteres schwieriges Thema war die Aussiedlung der Firma Bruch und die Neubebauung des Geländes.
Auch heute noch spricht mancher von einer Lagerbildung und Gräben im Gemeinderat. Wie sehen Sie das?
Als ich 1993 angefangen habe, war der Gemeinderat wirklich zerstritten. Was Sie heute sehen ist kein Streit, das sind harte Diskussionen mit unterschiedlichen Auffassungen. Es wird zwar heftig diskutiert, aber am Schluss steht eine demokratische Entscheidung. Und in der Nachsitzung sind dann auch alle beteiligten Parteien an einem Tisch und gehen ganz normal miteinander um.
Gibt es eine Entscheidung, die Sie bereuen?
(Denkt nach) Da fällt mir spontan keine ein. Da wird nichts Gravierendes dabei gewesen sein. Das Gedächtnis ist ja gnädig (lacht).
Wie steht Asperg heute da?
Es hat eine Verlagerung der Schwerpunkte gegeben. Beispiel Kleinkinderbetreuung. Als ich anfing, hat die Stadt 16 Erzieherinnen beschäftigt. Mittlerweile haben mehr als hundert Stellen etwas mit Kinderbetreuung zu tun. Da hat auch in der Verwaltung ein komplettes Umdenken stattgefunden. Auch städtebaulich hat sich das Gesicht verändert, Stichworte Neue Mitte und Ostumfahrung, sowie das Neubaugebiet Lange Äcker/Überrück. Das war alles mit großem Aufwand verbunden. Und das Thema Mauersanierung am Hohenasperg begleitet mich nun seit mehr als 20 Jahren.
Steht Asperg besser da als vor 24 Jahren?
Auf jeden Fall. Asperg zählt ja nicht umsonst zu den beliebtesten Wohnorten im Landkreis Ludwigsburg. Da spielt auch mit hinein, dass unsere Schullandschaft gut ausgebaut ist. In Asperg werden nahezu sämtliche Schularten angeboten. Die Einkaufsmöglichkeiten haben sich auch verbessert. Allerdings auch mit dem Nebeneffekt, dass die Mieten hoch sind und das Wohnraumangebot knapp.
Hat sich das Bürgermeisteramt verändert?
Der Bürgermeister wird nicht mehr als Überperson wahrgenommen, sondern als Dienstleister seiner Gemeinde. Die Zeiten, in denen alle vor dem Bürgermeister den Hut gehoben und ihn ehrfurchtsvoll „Herr Bürgermeister“ genannt haben, sind jedenfalls vorbei – was ich gut finde. Man möchte ja auch als Bürgermeister doch als normaler Mensch wahrgenommen werden. Die Rolle des gütigen Vaters der Gemeinde hat ausgedient.
Welche Rolle muss ein Bürgermeister dann heute spielen?
Man ist schon noch Kümmerer, aber im Prinzip ist es heute eher eine Management-Funktion, in der man Aufgaben abarbeitet.
Verfolgt man die Bürgermeisterwahlen im Landkreis, kann der Eindruck entstehen, dass es immer weniger Bewerber auf die Posten in mittelgroßen Gemeinden gibt. Ist der Job unattraktiv geworden?
Die Tätigkeit läuft für mich persönlich nach wie vor in der Kategorie Traumjob. Es gibt keinen anderen Beruf, in dem man dermaßen viele Gestaltungsmöglichkeiten hat und Spuren hinterlassen kann. Das ist höchst attraktiv. Weniger attraktiv sind die Arbeitszeiten. Aber in jedem anderen verantwortungsvollen Beruf komme ich mit acht Stunden am Tag auch nicht aus. Für die Familie ist so etwas natürlich nicht förderlich. Wobei ich hier den Eindruck habe, dass die jungen Kollegen die Ratschläge der älteren Kollegen beherzigen: Die Familie ist inzwischen schon mal wichtiger als das 20. Jubiläum eines Vereins am Sonntag. Und das sehen mittlerweile auch die Vereine ein. Ein Bürgermeister ist auch ein Mensch mit Frau und Kindern. Die Allpräsenz des Bürgermeisters wird - zumindest in Asperg – nicht mehr unbedingt erwartet. Und das ist gut so.
Haben Sie einen Ratschlag an Ihren Nachfolger Christian Eiberger?
Er soll immer dran denken, dass er eine Familie hat. Er soll die Sache locker und unbefangen angehen. Ich glaube aber, er braucht keine Ratschläge von mir. Ich bin überzeugt, er wird seine Sache gut machen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen Aspergs für die Zukunft?
Wir sind mit allen wichtigen Aufgaben auf dem Laufenden – Kleinkinderbetreuung, Schulen, Wohnungen, mit den Finanzen geht es auch aufwärts. Das von uns erworbene Bahnhofsgebiet wartet ab dem Jahr 2023 auf seine Entwicklung. Wichtig wird auch der Neubau einer Rundsporthalle – was ja auch mit dem Ausgang der Causa Lehrschwimmbecken zusammenhängt. Die Entwicklung der Stadtmitte Aspergs ist noch lange nicht abgeschlossen. Und die Sanierung der Eglosheimer Straße sollte angegangen werden, sobald es die Finanzen zulassen.
Und wie geht es mit Ihnen weiter? Haben Sie sich schon ein neues Hobby zugelegt?
Nein, für ausgeprägte Hobbies fehlte mir in der Vergangenheit die Zeit. Da habe ich mir auch noch keine großen Gedanken gemacht. Ich habe mir vorgenommen, erst mal gar nichts zu tun. Da halte ich es mit Loriot: „Ich möchte einfach nur hier sitzen und mich langweilen“ (lacht).
Nicht selten mischen sich Altbürgermeister gerne noch in die Politik der Kommune ein.
Das sollte man tunlichst sein lassen und einen klaren Schnitt machen. Natürlich werde ich die Entwicklung Aspergs mit Interesse weiter verfolgen, und ich bin mir sicher, dass ich häufig um eine Beurteilung gefragt werden werde. Aber da sage ich jetzt schon: Da wird es keine Antwort von mir geben. Auch nicht im kleinen Kreis, weil ich finde, das gehört sich nicht.

Vom Sachbearbeiter zum Bürgermeister

Ulrich Storer war 24 Jahre lang Bürgermeister von Asperg. Seine Verabschiedungsfeier findet am 7. November im Rathaus statt.

Storer wurde 1953 in Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) geboren. 1978 legte er die Staatsprüfung zum Diplomverwaltungswirt (FH) in Stuttgart ab. Bis 1982 war er Sachbearbeiter beim Amt für Stadterneuerung in der Landeshauptstadt Stuttgart. Von 1982 bis 1993 leitete er das Hauptamt in Schwieberdingen. 1993 wurde Storer als Parteiloser Bürgermeister in Asperg. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder. Sein Nachfolger im Amt ist Christian Eiberger (36).