Wolfgang Schäuble fordert eine schärfere Haushaltsüberwachung in Europa. Foto: Lipicom/Michael H. Ebner

Am Wochenende diskutieren CDU und CSU unter Schäubles Leitung über ihre künftige Europapolitik. Im Gespräch erläutert er, wie er die Lage Griechenlands, der europäischen Banken und EU nach dem Brexit sieht und warum er trotz aller Krisen optimistisch ist.

Am Wochenende diskutieren CDU und CSU unter Schäubles Leitung über ihre künftige Europapolitik. Im Gespräch erläutert er, warum er trotz aller Krisen optimistisch für die EU ist.

Herr Schäuble, Sie kandidieren wieder für den Bundestag. Hat das auch mit dem Zustand der Europäischen Union zu tun, deren Zerfall Sie nicht tatenlos zusehen wollen?
Der Zustand Europas hat damit nur begrenzt zu tun. Für diese Entscheidung, die ich mir nicht leicht gemacht habe, spielten andere Gründe eine größere Rolle: Ich habe immer noch Freude an Politik und fühle mich weiterhin in der Lage, politisch tätig zu sein, und viele haben mir gesagt, sie bräuchten mich noch.
Dann haben Sie weiter mit Europas Krisen zu tun, die auch in der nächsten Legislaturperiode die Arbeit in Berlin prägen dürften.
Die Lage in Europa ist schwierig – eine zunehmende Zahl von Menschen geht immer stärker auf Distanz. Das deutlichste Signal dafür war das Votum der Briten.
Was sind die Ursachen dafür?
Wir haben bisher zu uneinheitlich auf die Herausforderung durch die Migration reagiert und auf das, was ich einmal als „Rendezvous mit der Globalisierung“ bezeichnet habe. Wir müssen darauf aber eine gemeinsame Antwort geben. Es muss gelingen, auf EU-Ebene die Probleme zu lösen, die kein Mitgliedstaat alleine lösen kann. Wenn die Bürger das feststellen, wird auch die Zustimmung wieder wachsen.
Im Augenblick sind wir davon weit entfernt.
In der Globalisierung mit all der Verunsicherung, die jeden Tag auf die Menschen einstürzt, suchen viele stärker Zuflucht in Gemeinschaften, die sie kennen: Das sind die Regionen und Nationalstaaten. Da ist es wichtig, ein zentrales Verständnis zu stärken: Ein guter Deutscher muss für die europäische Integration eintreten, da Deutschland ohne Europa keine gute Zukunft haben kann, wie unsere Geschichte lehrt.
Die Briten denken über Europa ganz anders. Im März sollen die Austrittsverhandlungen beginnen. Ist der Zugang zum Binnenmarkt vorstellbar, wenn die Briten keinerlei Personenfreizügigkeit mehr akzeptieren?
Nein. Da müssen sich die Briten entscheiden. Die Premierministerin hat ja gerade den Eindruck erweckt, sie sei für eine klare Trennung, einen „harten Brexit“. Wenn die Briten das tatsächlich wollen, wird das so gemacht, aber sie müssen dann mit den Konsequenzen leben: Die Akteure am Finanzplatz London werden dann keinen Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt haben.
Welches Gewicht hat die EU denn noch, wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft geht?
Wir hätten die Briten gerne dabei. Aber es ist nicht so, dass die EU ohne das Mitglied Großbritannien zum Untergang verurteilt ist. Da plädiere ich für Gelassenheit und mehr Selbstbewusstsein.
Woher nehmen Sie das in dieser Lage?
Vieles bewegt sich in die richtige Richtung. Nehmen Sie das Wachstum in Spanien. Italien wird eine positive wirtschaftliche Entwicklung nehmen. Auch in Frankreich sind während des Sommers wichtige Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht worden. Die Griechen machen ebenfalls Fortschritte – sie dürfen sich nur nicht einreden lassen, dass man mit den zugesagten Reformen aufhören kann.