Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück zum Abgas-Skandal: „Ich war stinksauer“ Foto: dpa

Der Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück erwartet nach dem Abgas-Skandal bei Volkswagen einen Schub für die Elektromobilität. „Ich in überzeugt, dass die Technologie durch den Diesel-Skandal hoffähig wird“, so Hück im Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“. Der Weg aus der Krise werde für VW schwierig, aber man komme gestärkt aus der Sache raus.

Stuttgart - Herr Hück, Sie sind im VW-Aufsichtsrat, was haben Sie gedacht, als die Abgas-Manipulationen bekannt wurden?
Ich war stinksauer. Ich dachte nur, wie kann man denn so blöd sein? Wir brauchen doch die Kunden wie den Sauerstoff zum Atmen. Wie kann man die denn betrügen? Es ist so unnötig wie ein Kropf.
Wie groß wird der Schaden für Volkswagen?
Ich habe da ein Déjà-vu. Als wir die Auseinandersetzung mit Volkswagen in den Jahren 2007 bis 2009 hatten, hat die Marke Porsche ja auch unglaublich gelitten. Am Ende mussten wir die Produktion in Zuffenhausen deutlich drosseln. Einen Kunden zu gewinnen braucht sehr viel Zeit, einen zu verlieren geht dagegen schnell. VW hat weniger als eine Sekunde gebraucht, um sehr viel Vertrauen zu zerstören, das mühsam aufgebaut wurde.
Ist da noch was zu retten?
Meine Kollegen bei VW werden schonungslos und schnell aufklären und die Schuldigen finden. Das ist wie ein Spreißel in der Haut. Wenn man den nicht sofort rauszieht, fängt er an zu eitern. Wir müssen auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Gleichzeitig gilt: Die Hexenjagd in Deutschland ist beendet. Nicht alle, die bei Volkswagen gearbeitet haben, dürfen unter Generalverdacht gestellt werden.
Wird der Skandal den Konzern und damit auch Porsche ins Wanken bringen?
Nein, wir werden unseren Erfolgskurs weiter fortsetzen. Und zu den Verantwortlichen in Wolfsburg habe ich hohes Vertrauen. Der Weg wird schwierig, aber ich bin überzeugt, wir kommen gestärkt aus der Sache raus, gerade weil Volkswagen ein so einzigartiges Unternehmen ist. Wir Porscheaner lassen unsere Kolleginnen und Kollegen bei VW nicht im Stich.
Wie sicher sind Sie, dass bei Porsche nicht getrickst wird?
Die festgestellten Verstöße bei Abgastests in den USA an Fahrzeugen des Volkswagen- Konzerns beziehen sich rein auf 4-Zylinder- Diesel-Motoren. Porsche hat derartige Aggregate nicht im Angebot – weder in den USA noch auf anderen Märkten weltweit. Dementsprechend ist Porsche von den Vorwürfen nicht betroffen.
Ihr Entwicklungschef Wolfgang Hatz war damals Chef der Motorenentwicklung in Wolfsburg. Er ist momentan beurlaubt. Glauben Sie, dass er nochmals zurückkehrt?
Es ging in erster Linie mal darum, schnell zu reagieren. Jetzt hat er Zeit, in Ruhe darzustellen, dass er nichts damit zu tun hat. Er hat mir sein Wort gegeben. Es gibt zeitlich kritische Überschneidungen, denen wir nachgehen müssen. Auch für ihn gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Wenn das nachgewiesen wird, kehrt er mit reingewaschener Weste ins Unternehmen zurück. Wenn nicht, wird reagiert wie bei allen anderen auch.
Abgesehen von den Manipulationen bleibt bei den Schadstoffen das Problem der Abweichung von Labortest und tatsächlichem Betrieb. Was muss da passieren?
Wir in der Automobilindustrie haben den Anspruch, unseren Kunden saubere, ehrliche Autos zu geben. Wenn wir dies ernst nehmen, dann darf der Unterschied beim Schadstoffausstoß zwischen Tests unter Laborbedingungen und Kundenerfahrungen nicht zu groß sein. Ich bin für kundenrelevante Tests. Sonst werden wir alle unglaubwürdig.
Die Autohersteller ächzen ja jetzt schon unter den strengen EU-Vorgaben. Wäre dies überhaupt umsetzbar?
Es wird die Zeit kommen, in der Autos ohne eine weitere erhebliche Schadstoffreduzierung einfach nicht mehr in die Innenstädte gelassen werden, so wie es etwa schon heute in Paris oder London der Fall ist. Aber es kann ja nicht sein, dass ich mit einem Porsche an die Grenze von London fahre, und dann ins Zentrum mit einem Polo weiterfahren muss. Wir werden deshalb die Schadstoffe weiter runterbringen müssen. Um diese teuren Entwicklungen finanzieren zu können, müssen wir auf der anderen Seite die Produktivität deutlich erhöhen.
Glauben Sie denn, dass der VW-Skandal die Elektromobilität befördern kann?
Ich bin überzeugt, dass die Technologie durch den Diesel-Skandal hoffähig wird und in der Öffentlichkeit deutlicher wahrgenommen wird. Wir haben mit dem neuen Porsche Mission E gezeigt, wie wir uns das vorstellen. Klar ist auch, dass der Elektroantrieb über die Premiumfahrzeuge in die kleineren Autos und damit die Masse kommen wird. Denn diese Kunden sind in der Lage, für eine neue Technologie quasi in Vorleistung zu gehen. Wir brauchen aber auch die Unterstützung der Regierung, denn Voraussetzung ist eine funktionierende Lade-Infrastruktur, die ich so noch nicht sehe.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Elektro-Porsche in Zuffenhausen gebaut wird?
Sehr hoch, aber auch andere VW-Standorte haben sich beworben. Wir Arbeitnehmervertreter haben ein Angebot gemacht, über das der Aufsichtsrat Anfang Dezember entscheiden wird. Die voll digitalisierte Fabrik würde an unserem Stammsitz noch einmal mindestens 1000 Arbeitsplätze und knapp eine Milliarde Euro an Investitionen bringen. Mir geht es auch darum, für Baden-Württemberg ein grünes Leuchtturmprojekt zu realisieren und eine Zeitenwende in der Produktion einzuleiten.
Wie sehr ärgert es Sie, dass sie durch den Volkswagen-Skandal Ihren Chef verloren haben?
Ich und die ganze Belegschaft hätten Matthias Müller gerne behalten. Er hat Porsche in den vergangenen Jahren unglaublich nach vorne gebracht. Er kam und hat mal eben den Geländewagen Macan aufgelegt, der jetzt bei 60 000 Einheiten pro Jahr liegt. Das ist schon einzigartig. Aber er ist auch der richtige Mann für den Volkswagen-Konzern, um dort jetzt neue Strukturen aufzubauen, die dringend benötigt werden. Daran hat auch Porsche ein Interesse. Denn wenn Volkswagen die Krise nicht meistert, könnte es auch für uns brenzlig werden.
Wie war die Stimmung der Belegschaft angesichts des Wechsels?
Es kommt immer darauf an, wie man vorbereitet ist. Wir haben alle möglichen Szenarien natürlich schon länger durchgespielt, in den Medien wurde ja ebenfalls spekuliert. Wir haben immer gesagt, wenn ein Wechsel kommt, dann ist dies im Interesse von Volkswagen und von Porsche. Alle Führungspersonen bei Porsche genießen ein hohes Vertrauen. Nur auf dieser Basis konnten die Änderungen so reibungslos funktionieren.
Was unterscheidet den neuen Vorstandschef Oliver Blume von Matthias Müller?
Auf jeden Fall das Alter. Oliver Blume ist mit seinen 47 Jahren vermutlich der jüngste Vorstandschef eines Autoherstellers. Insofern kann er nicht die Erfahrung haben, die Matthias Müller hatte. Ich will es mal so sagen: Beide sind top, jeder auf seine Weise und in seiner Funktion. Oliver Blume kommt wie Matthias Müller vom Maschinenbau, sie sind beide bodenständig und reden nicht lange um den heißen Brei. Das schätze ich sehr.
Viele wichtige Entscheidungen sind jetzt getroffen worden. Hat Herr Blume einen einfachen Job?
Ganz im Gegenteil. Wenn Sie mal irgendwo eine Meisterschaft gewonnen haben, wird es richtig schwer, den Erfolg zu wiederholen. Wir werden in den nächsten Jahren nicht mehr so ein starkes Wachstum haben wie in den vergangenen Jahren. Die rasante Entwicklung zu verstetigen wird die vorrangige Aufgabe sein.
Wenn ich richtig zähle, haben Sie sieben Vorstandschefs kommen und gehen sehen. Sind Sie der eigentliche Chef bei Porsche?
Nein, das wäre zu hoch gegriffen. Aber ich bin seit vielen Jahren eine Konstante bei Porsche.