Maren Ade legt beim Filmen Wert auf die eigene Handschrift. Foto: William Minke

So viel Begeisterung wie „Toni Erdmann“ hat schon lange kein deutscher Film mehr ausgelöst. Im Interview erzählt die Regisseurin Maren Ade von Glück, Angst und bitteren Komikern.

Stuttgart - So etwas gab’s dort noch nie: Ein deutscher Beitrag, Maren Ades Komödie „Toni Erdmann“, hat vor ein paar Wochen beim Filmfestival von Cannes die komplette internationale Filmkritik hingerissen. Und auch das Publikum. Die Jury gab dem Favoriten dann zwar keinen Preis. Aber im regulären Kinoprogramm ist die Komödie um einen Vater, der verzweifelt Kontakt zu seiner Tochter sucht, nun ebenfalls fulminant angelaufen. Im Stuttgarter Kino Delphi hat Maren Ade, 39, ihr Werk persönlich vorgestellt und dabei einen äußerst glücklichen Eindruck gemacht.

Frau Ade, Sie waren mit „Toni Erdmann“ zunächst die große Überraschung und dann die große Favoritin beim Festival von Cannes. Hat Sie Angst vor all der Häme gepackt, die auf jemanden wartet, der dann doch nicht gewinnt?
Das ganze Erlebnis in Cannes war zunächst mal ungeheuer beglückend. Damit hatten wir nie und nimmer gerechnet. Irgendwann kam schon der Gedanke, wie die Reaktionen in den Medien sein würden, wenn wir nicht gewinnen. Aber danach gab es überhaupt keine negativen Reaktionen, jedenfalls keine, die ich mitbekommen hätte. Das ging einfach weiter mit dem Lob für den Film.
Das Ignoriertwerden durch die Jury hat sich auch nicht auf die internationalen Verkäufe ausgewirkt?
Überhaupt nicht. Aufgrund der Wettbewerbseinladung wurde er sogar zwei mal vorab verkauft, ohne dass die Verleiher den Film gesehen haben. Das muss man sich mal vorstellen: da sitzen dann Leute, die sehen irgendwann zum ersten Mal das, wofür sie vorher eine Menge Geld ausgegeben haben. Unglaublich eigentlich.
Die Kritiker bescheinigen Ihnen ja einhellig über ihre drei Filme hinweg einen faszinierenden Ton, eine ganz eigene Handschrift. Spürt man da auch Druck von außen, dass man jetzt ja nichts an sich ändern darf?
Ich habe all das, was jetzt über „Toni Erdmann“ geschrieben wird, noch gar nicht so an mich herangelassen. Freunde haben mir ein paar Sachen gezeigt, und das freut mich auch sehr, wie unterschiedlich und intensiv die Leute reagieren. Aber ich arbeite ja sehr lange an meinen Projekten, an den Drehbüchern und am Schnitt. Bei „Toni Erdmann“ hat der Schnitt ungefähr ein Jahr gebraucht. In dieser Zeit werde ich mir schon sehr sicher, dass das der Film ist, wie ich ihn machen möchte, dass er keinen äußeren Erwartungen folgt. Dieses lange Verbundensein mit einem Film ist aber auch sehr anstrengend.
Arbeiten sie darum in Ihrer Firma „Komplizen Film“ noch für andere als Produzentin, um nicht immer in eigenen Projekten zu stecken?
Das ist sicher ein Teil des Spaßes daran. Man gewinnt Abstand zu den eigenen Projekten, Plänen und Ideen, macht aber weiter Filme.
Ertappen Sie sich auch dabei, die Maren-Ade-Handschrift den Filmen anderer geben zu wollen?
Ich helfe anderen dabei, Ihre eigenen Konzepte zu verwirklichen. Filme leben davon, dass sich jemand sehr persönlich ausdrückt. Was Stil und Inhalt angeht, sage ich wirklich nur dann etwas, wenn ich ausdrücklich um Rat gefragt werde.