Am Samstag gastiert Ralf Rangnick mit der TSG 1899 Hoffenheim in Stuttgart. Foto: Pressefoto Baumann

Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick über Investitionen, Pfiffe der Fans und den VfB Stuttgart.

Stuttgart - In Stuttgart ist Bundesligist 1899 Hoffenheim noch ohne Sieg, doch das soll sich am Samstag (15.30 Uhr/Sky und Liga total) ändern. "Wir wollen uns im oberen Tabellendrittel festsetzen", sagt Trainer Ralf Rangnick, der zuversichtlich ist: "Wir haben in dieser Saison bisher noch kein wirklich schlechtes Spiel gemacht."

Herr Rangnick, was macht das Derby in Stuttgart für Sie zu einem besonderen Spiel?

Der Weg.

Der Weg?

Es ist das Spiel, bei dem ich die kürzeste Heimfahrt nach Backnang habe.

Das ist alles?

Natürlich verfolge ich aufgrund der Regionalität das Geschehen und die Entwicklung beim VfB Stuttgart, schließlich war ich dort vor einigen Jahren als Trainer tätig. Und auch in der "Backnanger Kreiszeitung", die ich jeden Morgen lese, ist der Verein immer ein Thema.

Überrascht Sie, dass der VfB im Tabellenkeller feststeckt?

Dass der VfB so weit hinten steht, hat niemand erwartet. Bisher hat die Mannschaft einen Fehlstart ja meist in der Rückrunde wieder korrigiert - und das traue ich dem VfB auch diesmal zu.

"Wir schauen nur auf uns"

  Der Druck, unter dem die Stuttgarter stehen, ist allerdings riesig.

Deshalb erwarte ich am Samstag auch ein entsprechend hartes und körperbetontes Spiel. Wir schauen aber nur auf uns und wollen natürlich alles versuchen, um zu punkten und uns weiter im oberen Tabellendrittel festzusetzen.

Ihre Bilanz in Stuttgart ist mager.

Das stimmt. Wir haben bislang einmal verloren und einmal 3:3 gespielt, nachdem wir kurz vor Ende einen Elfmeter verschossen hatten. Das war eine gefühlte Niederlage. Bei unserem Auftritt am Samstag möchten wir das natürlich positiver gestalten.

Es gab aber auch diese Saison schon den einen oder anderen Rückschlag.

Das ist durchaus richtig, vor allem wenn man bedenkt, dass wir in dieser Saison bisher noch kein wirklich schlechtes Spiel gemacht haben. Dafür haben wir letztendlich ein paar Punkte zu wenig auf unserem Konto, und daher muss ich sagen, dass Aufwand und Ertrag nicht im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

Wie viele Punkte fehlen?

Wir hätten sicherlich vier bis fünf Punkte mehr haben können.

Woran hapert's?

In einigen Situationen hat es uns manchmal ein wenig an Geduld und Cleverness gefehlt. Und in diesem Zusammenhang darf man auch nicht vergessen, dass wir drei Gegentore in letzter Minute kassiert haben.

Trotzdem steht Ihr Team auf Rang sechs. Es kann also nicht alles schlecht gelaufen sein.

Natürlich nicht. Unser Plus ist, dass wir ein echtes Team sind. Es gibt bei uns keine Spieler, die sich nicht bedingungslos einbringen.

War das vergangene Saison anders?

Da waren wir zu Beginn auch ein Team. Aber dann gab es einige Spieler mit hohem Frustpotenzial.

"Wir haben bewusst nach neuen Spielern gesucht"

  Die haben Sie aussortiert.

Wir haben bewusst nach neuen Spielern gesucht, die eine hohe Qualität und eine gute Mentalität mitbringen. Wir haben uns auf den jungen Markt konzentriert und sind damit wieder zu der Philosophie zurückgekehrt, die uns stark gemacht hat.

Mit Erfolg?

Ja, wir lagen mit unseren Investitionen goldrichtig. Wir haben jetzt im Mittelfeld und Angriff eine ganz andere Konkurrenzsituation als früher, und das wirkt sich sehr positiv auf die Leistung der Mannschaft aus.

Einer der Neuen ist Sebastian Rudy. Warum haben Sie ihn geholt?

Wir haben ihn über mehrere Jahre hinweg beobachtet. Es war klar, dass er eines der größten Talente in Deutschland ist. Und seine Leistungen bei uns beweisen, dass wir mit dieser Einschätzung richtig lagen.

Warum hat der VfB ihn dann verkauft?

Das muss Ihnen der VfB beantworten.

Sie haben sich diese Frage doch bestimmt auch schon gestellt.

Nun, er hat bei drei Trainern den Durchbruch nicht geschafft, saß teilweise nicht mal auf der Bank. Wir haben uns intensiv um ihn bemüht, und für den VfB hat es sich finanziell durchaus gelohnt, auch wenn die genannte Ablösesumme...

... vier Millionen Euro...

... nicht stimmt.

Bringen Sie ihn auch gegen den VfB?

Er hat in den letzten Wochen konstant stark gespielt und deutlich an Selbstbewusstsein zugelegt. Es spricht also vieles dafür, dass er auch gegen den VfB von Beginn an aufläuft.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie am Samstag auswärts spielen?

Warum fragen Sie?

Weil Sie zuletzt die Fans kritisiert haben, die nur noch unterhalten werden wollen.

Das stimmt so nicht und ist zum Teil auch falsch verstanden worden.

Klären Sie uns auf.

Fakt ist, dass es in der Bundesliga keinen Heimvorteil mehr gibt und dies auch durch die Statistik belegt wird. Ich wurde nach Gründen gefragt, warum das der Fall ist.

Und welche haben Sie gefunden?

Alle Teams sind taktisch so gut geschult, dass es die Heimmannschaften schwer haben, zu vielen Chancen zu kommen. Zudem gibt es in den modernen Arenen inzwischen eine große Zahl an Business-Gästen, Eventbesuchern und Familien. Diese Zuschauer verstehen unter Unterhaltung, dass das eigene Team gewinnt. Und wenn es zäh wird, gibt es eben schnell Unzufriedenheit.

Haben die Fans nicht das Recht zu pfeifen?

Doch, sicher. Man kann auch keine bedingungslose Unterstützung erwarten, wenn man nicht gut spielt. Dennoch hilft das der Mannschaft dann natürlich nicht weiter.

"Momentan spricht alles dafür, dass der BVB den Titel holt"

  Wir hätten gerne einen Tipp von Ihnen: Wer wird deutscher Meister?

Ich tippe nicht.

Was halten Sie von Borussia Dortmund?

Momentan spricht alles dafür, dass der BVB den Titel holt. Das Team wurde über zwei Jahre mit viel Kalkül und Verstand zusammengestellt, ist stabil und gefestigt, zeigt keine Schwächen.

Und hat unglaubliche 37 Punkte aus 14 Spielen geholt.

Ja, aber wir waren mit Dortmund auf Augenhöhe, hätten dort gewinnen müssen. Der Freistoß vor dem Ausgleich in letzter Minute war eine Fehlentscheidung. Dieses Spiel hat gezeigt, wozu wir auch auswärts fähig sind.

Wie die Borussia setzen viele Bundesligisten auf eine Reihe junger Spieler. Wo ist eigentlich der hoffnungsvolle Trainer-Nachwuchs?

Den gibt es.

Wirklich?

Für deutsche Verhältnisse hat sich in letzter Zeit doch einiges getan. Jürgen Klopp, Robin Dutt, Thomas Tuchel, Mirko Slomka, Jens Keller, Frank Schaefer - viele Bundesliga-Vereine haben den Mut, neuen Gesichtern oder Trainern, die selber keine Top-Profis waren, zu vertrauen. Da hat sich auch vieles verändert.