Martin Rütter beim „nachSITZen“ (so der Name seiner neuen Show) mit einem Rhodesian Ridgeback Foto: Marc Rehbeck

Vor seiner Show „nachSITZen“ in Stuttgart Anfang Dezember erzählt Hundetrainer Martin Rütter, ob Hunde die besseren Menschen sind und was er von Doppelnamen bei Tieren hält.

Etwa 1,5 Millionen Zuschauer haben Martin Rütter bisher zugehört, als er auf der Bühne von verzogenen Hunden und schrulligen Besitzern erzählt hat. Auch vor seinem Auftritt in Stuttgart (3. Dezember/Porsche-Arena) nimmt der Jürgen Klopp unter den Hundetrainern kein Blatt vor den Mund.

Herr Rütter, sind Hunde die besseren Menschen?
Nein. Ich finde es immer bedenklich, wenn man von jemandem erwartet, dass er etwas anderes sein soll, als er ist. Es gibt biologische Unterschiede, und die sollte man bitte respektieren. Der Hund kann wahnsinnig toll unser Leben bereichern, aber unterm Strich ist und bleibt er ein Hund.
Also schütten Sie Ihren Hunden Abbey und Emma nicht Ihr Herz aus, wenn Sie unterwegs auf Tour sind?
Wenn ich ernsthaft etwas von meinen Hunden will, spreche ich nicht mit ihnen – zumindest nicht in ganzen Sätzen. Aber morgens gibt es schon mal ein ernstes Gespräch. Emma ist vom ersten Sonnenstrahl an wie auf Ecstasy. Dann klappert sie jeden ab, der ihr auch nur eine Sekunde Aufmerksamkeit schenken könnte. Im Hotel ist das total nervtötend. Heute morgen um sechs habe ich ihr das mal wieder erklärt. Aber ich erzähle den Hunden abends nicht, wie mein Tag war.
Viele sehen ihr Tier aber schon als einen Artgenossen.
Stimmt. Das fängt schon beim Namen an. Bello und Hasso trifft man heute kaum noch im Wald. Der Trend geht zum Doppelnamen. Das ist echt besorgniserregend. Wir hatten im Training einen Labrador, der hieß Philipp-Pascal. Da hat der schon drei Enten geschreddert, bis ihn jemand gerufen hat.
Woran liegt das?
Das Kernproblem ist, dass sich Gesellschaftsstrukturen ändern. Die Menschen ziehen sich immer mehr ins Private zurück. Sie kennen die Nachbarn nicht, nutzen technische Geräte und pflegen Freundschaften sehr häufig virtuell. Durch diese Anonymisierung spielt der Hund eine immer größere Rolle: Er wird immer mehr Sozialpartner und immer weniger Nutztier.
Wächst dadurch die Erwartungshaltung?
Absolut. Das nimmt manchmal sogar hysterische Züge an – und zwar in alle Richtungen. Der Hundehalter erwartet, dass sein Hund überall mit muss und dass er auch sonst alles darf, weil er ja zur Familie gehört. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die schon hysterisch werden, weil der Hund ein- und ausatmet. Ich glaube, auch das ist auf den Wandel in der Gesellschaft zurückzuführen. Die Menschen reden kaum noch normal miteinander, und alles wird sofort zum Problem. Bei vielen führt das dazu, dass sie Angst haben, dass ihr Hund nicht funktioniert und sie dadurch Probleme bekommen.
Das erklärt den Erfolg von Hundetrainern.
Ich glaube, vielen Menschen geht ein gesundes Bauchgefühl ab, was ein Tier braucht und wie man mit ihm umgeht. Unsicherheit ist der Nährboden für Schwachsinn. Wenn die Leute in der Hundeerziehung unsicher sind, hören sie nicht mehr auf ihr Gefühl. Nur weil ein Hundetrainer sagt, man soll seinen Hund auf den Rücken werfen und anschreien, muss das nicht richtig sein. Es spricht nichts dagegen, das Lebewesen, mit dem ich zusammenlebe und das mir jedes Mal ein warmes Gefühl gibt, wenn ich es anschaue, auch mal ein wenig zu verwöhnen.
Wann hört Verwöhnen auf und wann fängt Vermenschlichen an?
Immer dann, wenn der Hund nicht mehr Hund sein darf. Ich hab’ überhaupt nichts dagegen, wenn jemand seinem Hund ein Halsband für 15 000 Euro kauft. Wenn das Halsband aber so gemacht ist, dass es den Hund nervt, dann ist Schluss. Oder wenn ein Hund mit kurzem Fell im Winter friert, spricht nichts dagegen, ihm einen Mantel anzuziehen. Aber ein Mops, der auf dem Oktoberfest in ein Dirndl gequetscht und ins Bierzelt geschleppt wird, das finde ich krank. Der Hund hat ja nichts davon. Und wenn mir jemand erzählt, dass sein Hund am liebsten rosa Kleidchen trägt, läuft irgendwas schief. Hunde können nur in Grau-blau-Schattierungen sehen.
Warum senden die Fernsehkanäle, die es seit einigen Jahren extra für Hunde gibt, dann in Farbe?
Hundefernsehen ist der größte Schwachsinn von allen, eine echte Zivilisationskrankheit. Es reicht nicht mehr, Kinder morgens um acht vor die Glotze zu setzen. Jetzt setzen wir die Hunde daneben. Das ist das Gleiche wie mit Bachblüten, Psychopharmaka und dem ganzen Zeug. Die Leute suchen immer neue Wege, um ihren Hund ruhigzustellen.
Und warum ist das schlecht?
Bei meinen Hausbesuchen beobachte ich oft, dass der Hund zwar emotional unglaublich überfrachtet wird. Aber er kommt trotzdem zu kurz. Er ist nicht ausgelastet. Die meisten Hunde haben viel zu wenig Bewegung und noch weniger Beschäftigung. Man muss ihnen auch die Chance bieten, ihr Hirn zu benutzen. Das heißt allerdings nicht, dass man sie rund um die Uhr bespaßen muss. Das Erste, was unsere temperamentvolle Emma lernen musste, war, dass es sich nicht immer um sie geht.
Und was können wir von Hunden lernen?
Sie sind extrem genau in der Beobachtung und sehr klar in der Kommunikation. 95 Prozent laufen über Körpersprache. Außerdem sind sie in der Lage, Artfremde als gleichberechtigten Sozialpartner zu akzeptieren. Sie sehen ihren Menschen zwar nicht als Hund an, aber er ist ihnen genauso wichtig wie ein Rudelmitglied. Das kann kein anderes Tier. Ich glaube, das macht diese spezielle Nähe zwischen Mensch und Hund aus.