Schauspielerin Maja Beckmann Foto: Peter Petsch

Die Schauspielerin Maja Beckmann schätzt hässliche Familiengeschichten wie „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“.

Stuttgart – - Frau Beckmann, Sie sind mit Vinterbergs „Das Fest“ zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen worden. Glückwunsch. Wie haben Sie sich bei der Verkündung gefühlt?
Danke. Ich konnte das erst gar nicht glauben. Wir haben die Bekanntgabe der Jury mitverfolgt, und erst einmal habe ich mich gefreut, dass meine Schwester Lina mit Ibsens „John Gabriel Borkman“ aus Hamburg dabei ist. Als wir mit dem „Fest“ auch genannt wurden, war ich wirklich überrascht.
Warum?
Es ist eine sehr spezielle Erzählweise. Allein schon das Konzept des Regisseurs Christopher Rüping ist es wert, zum Theatertreffen eingeladen zu werden. Und man hatte immer wieder gemunkelt, dass es klappen könnte, aber gerade weil der Abend so speziell ist, hätte es auch ohne Einladung ausgehen können.
„Das Fest“ und Kaurismäkis „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, das Sie in Bochum gespielt haben und für das Sie viel Lob bekommen haben, handelt von hässlichen Familienkonstellationen. Mögen Sie das?
Ich spiele sehr gern solche Stücke. Der Mikrokosmos Familie ist unglaublich spannend und gibt spielerisch viele Möglichkeiten und Aspekte: Liebe, Aggression, Zusammenhalt. Die Frage, ob Blut stärker als Wasser ist. Ob man sich aus der Familie rausboxen will. Eine Familie kann dir genommen werden, oder manchmal kann man gar keine Familie bekommen. Familie hat mit so vielen Gefühlen zu tun, mit denen wir ständig zu kämpfen haben. Und dann können die Familienprobleme ja auch immer als ein Spiegel der Gesellschaft funktionieren.
Sie selbst scheinen aber mit Ihrer Familie eher Glück zu haben. Sie haben mit Ihren Geschwistern das Kollektiv Spielkinder gegründet.
Ja, wir haben einen besonderen Zusammenhalt in unserer Familie. Es geht eher chaotisch-lustig als aggressiv-schrecklich zu.
Was ist bei den Proben besonders schwierig, wenn man einen Film wie den von Aki Kaurismäki für die Bühne adaptiert?
Die Erwartungen sind größer als bei einer Uraufführung und unberührten Stoffen. Ich denke, Kaurismäki ist nicht ganz so bekannt. Aber auch da war es eine lange Suche danach, wie wir das auf die Bühne bekommen. In dem Film wird zwanzig Minuten lang ein Baum zersägt, man sieht die Verarbeitung bis zum Streichholz. Da kommt man schon an die Grenzen. Man fragt sich, wie man mit Schnitten und Nahaufnahmen umgeht. Ich habe mich entschieden, so wenig wie möglich zu sprechen. Es gibt auch eine Erzählerfigur. Und manches haben wir eben mit Theatermitteln gelöst, die der Film nicht hat.
Was darf man bei dem Gastspiel am Donnerstag und Freitag in Stuttgart erwarten?
Dass es Gold regnet. Mehr verrate ich nicht.
Der Film ist von Andersens Märchen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ inspiriert. Das Mädchen stirbt an Kälte – auch der Kälte der Menschen. Bei Kaurismäki sieht es anders aus. Iris erduldet viel von ihrer Familie und von einem bösen Liebhaber. Dann kauft sie Gift. Eine Amokläuferin?
Iris sagt sich, alles ist besser als der jetzige Zustand, also verändere ich etwas. Das ist erst mal positiv. Und man sieht ja im Film auch nicht, wie sie jemanden vergiftet. Sie übt ihre Rache undramatisch. Das ist sehr interessant, eine Art stiller Widerstand.
Der Film dauert 65 Minuten, das Theaterstück 90 Minuten. Und in dem Film wird viel geschwiegen. Schweigen Sie einfach länger?
(Lacht) Nein. Die Szenen sind wahrscheinlich länger, weil wir spielfreudiger sind.
David Bösch, Regisseur von „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, wird mit Ihnen in Stuttgart weiterarbeiten und Lars von Triers „Breaking The Waves“ inszenieren. Wieder eine Filmbearbeitung, aber mit einer Hauptfigur Bess, die unglaublich gut ist. Wie spielt man das?
Wir haben mit den Proben noch nicht begonnen, aber Bess ist wirklich ein unfassbar guter Mensch.Eine reine Seele.
Kennen Sie so jemanden?
Leider nicht. Kinder sind vielleicht so. Fehlerlosigkeit ist etwas Schwieriges. Auch Bess ist nicht gut auszuhalten in ihrem Gutsein.