Katharina Thalbach als Greta in der Verfilmung der Schlecker-Pleite Foto: SAT.1

Sie spielte die Bundeskanzlerin und Friedrich den Großen, nun folgt ein Auftritt als Verkäuferin: Im Interview spricht Schauspielerin Katharina Thalbach über Mitleid und Widerstand.

Katharina Thalbach ist eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Kulturbetrieb. Jetzt spielt die 60-Jährige in der an die Pleite der Drogeriemarkt-Kette Schlecker angelehnten Komödie „Die Schlikkerfrauen“ mit. Thalbach verkörpert Greta, eine von vier Angestellten einer Berliner Filiale, denen nach der Insolvenz des Unternehmens die fristlose Kündigung droht.

Berlin - Frau Thalbach, wissen Sie noch was Sie gedacht haben, als Sie zum ersten Mal von der Schlecker-Pleite hörten?
Na, ich dachte: „Die Armen!“ Ich hab’s natürlich auch aus den Medien erfahren und dachte mir, jetzt trifft es wieder eine Masse von Leuten, die es nicht verdient haben und die es sowieso immer so schwer haben.
Die Pleite ist nun als Komödie verfilmt worden. Darf man über so ein Thema lachen?
Das ist eine sehr deutsche Frage! Das würden die Engländer sich nie fragen. Und es ist ja nicht nur eine Komödie – der Schmerz der Betroffenen ist auch zu spüren. Davon abgesehen haben einige von den Schlecker-Frauen den Film schon gesehen, und die empfinden das als Ehrung, nicht als Denunziation.
Ehemalige Schlecker-Frauen waren bei der Produktion dabei. Was haben die erzählt?
Die haben wahnsinnig viel erzählt. Zum Beispiel dass in den Filialen Kameras nicht etwa angebracht waren, um vor Ladendieben und Überfällen zu schützen, sondern in den Umkleideräumen – man wollte wissen, was da geredet wird, über den Arbeitgeber oder untereinander. Ein schönes Detail finde ich, dass die Frauen sich gegenseitig immer Damen nennen. Das gefällt mir gut, diese vornehme Form über die Kolleginnen zu reden.
Kaufen Sie selber beim Discounter ein?
Ja klar, wo soll ich denn sonst einkaufen?
Und was denken Sie dabei, nachdem Sie einiges über solche Unternehmen und Ihren Umgang mit den Mitarbeitern gelernt haben?
Natürlich versinke ich nicht jedes Mal in Mitleid, das wäre ja arg unpraktisch beim Einkaufen. Ich habe aber einen anderen Blick bekommen: Wie ist die Sortierung? Wo steht was? Sind die Sachen praktisch angeordnet? Kommt ein Kinderwagen durch die Gänge? Ich bin jetzt ein bisschen eingebunden in diese Drogeriefamilie.
In dem Film tun sich vier Verkäuferinnen zusammen, besetzen ihre Filiale und nehmen den Firmengründer als Geisel. Klingt fast wie ein Stoff von Bert Brecht?
Weiß ich nicht, vielleicht. Aber ich bin sicher, dass Brecht in diesen neuen Zeiten des Kapitalismus und der Globalisierung bei vielen, vielen Themen zugeschlagen hätte.
Die Frauen aus der Komödie entscheiden sich für den Widerstand. Hat der Einzelne überhaupt noch die Möglichkeit zum Widerstand?
Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, sonst fände ich es schade zu leben. Sich abzufinden mit Ungerechtigkeiten, das wäre ein ganz schlimmer Zustand. Ich hoffe, dass wir mit dem Film auf diese Art von Schicksal aufmerksam machen, denn es hört ja nicht auf. Jetzt passiert es gerade wieder mit Karstadt. Der Widerstand muss verteidigt werden. Es ist eine kleine Pforte der Utopie, die wir mit unserem Film aufstoßen.
Als vor Jahren das Schillertheater in Berlin geschlossen werden sollte, haben Sie auch dagegen angekämpft…
Ja, aber auch verloren. Das empört mich immer noch. Ich weiß, wie viele Einzelschicksale daran kaputtgegangen sind, an dieser Schließung – und die war auch nicht gerecht und nicht gerechtfertigt. Man fragt sich: Ist das nötig? Kann man nicht ein bisschen mehr teilen lernen?
Anders als viele andere Bühnendarsteller haben Sie ja keine Berührungsängste mit dem Fernsehen. Warum eigentlich nicht?
Ich halte mich da an den von mir hochverehrten Peter Ustinov, der nie verstanden hat, warum es in Deutschland diese große Trennung zwischen E (ernst) und U (unterhaltend) gibt. Ich habe Projekte immer nur danach beurteilt, ob sie mir gefallen. Und ob sie mich als normalem Zuschauer, als der ich mich empfinde, zum Lachen oder zum Weinen bringen. Da war mir immer egal, ob es Bühne, Kino oder Fernsehen war, ich mache da keine Unterschiede.
Demnächst kann man Sie vielleicht in einer Serie sehen: Für das TV-Projekt „Peggy“ arbeiten Sie mit der halben Familie zusammen, Ihrer Tochter Anna und Ihrer Enkelin Nellie.
Mit der halben Familie? Aber das ist doch nur ein geringer Teil, meine beiden Engsten. Ich habe das große Glück, eine große Familie zu haben, wo auch noch mehr Leute Kunst machen. Das könnte eine wunderbare Serie werden, wenn sie jemand finanziert – aber dazu kann ich noch nichts sagen. Wir haben auf jeden Fall einen wunderbaren Teaser gedreht, den ich höchst erfrischend finde.
Sehen Sie selber fern?
Ich gucke sehr gerne fern – ich muss zugeben dass ich ein richtiger Dokumentarfilm-Fanatiker bin. Privatfernsehen ist aber nicht unbedingt meine Sache, denn ich hasse die Werbung.
Dabei sind doch gerade ambitionierte Filme wie „Die Schlikkerfrauen“ und die Guttenberg-Satire „Der Minister“, in der Sie ebenfalls mitspielten, beides Sat.1-Produktionen…
Das finde ich auch sehr beeindruckend, Chapeau vor Sat.1. Es imponiert mir, dass die diesen Mut haben, das finde ich ganz toll.
Hat das Fernsehen das Theater als Diskussionsort für wichtige Themen abgelöst?

Ich glaube sicher, dass das Theater nicht mehr den Stellenwert hat, den es vor 20 Jahren als Ort der Auseinandersetzung noch hatte. Ich finde es trotzdem schändlich, dass der Staat andauernd die Subventionierung der deutschen Bühnen in Frage stellt, nicht zuletzt weil Theater so wichtig sind für die deutsche Sprache. Es ist der Ursprung der Kunst, sich auf einen Stein zu stellen und ein Gedicht oder ein Lied vorzutragen. Das muss in der Bühnenform erhalten bleiben, das sollte die Unesco unter Schutz stellen.

„Die Schlikkerfrauen“, Sat.1, Dienstag, 20.15 Uhr