Arbeitet für seine Partei an einem Konzept für die nächste Rentenreform: Jens Spahn. Foto: dpa

Der Finanzstaatssekretär und CDU-Sozialexperte setzt auf gezielte Hilfen gegen Altersarmut. Im Interview warnt er vor einer teuren Anhebung des Rentenniveaus zu Lasten der Beitragszahler.

Stuttgart - Jens Spahn, Jahrgang 1980, ist das jüngste Mitglied im CDU-Parteipräsidium. Jetzt arbeitet der Finanzstaatssekretär für seine Partei an Eckpunkten für die nächste Rentenreform.

Herr Spahn, SPD und CSU sind schon mittendrin im Rentenwahlkampf, einzelne CDU-Leute ebenfalls. Wenn Politiker versuchen, sich mit dem Rententhema zu profilieren, wird es meist teuer. Siehe die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63. Wie sehr sind Sie von bösen Vorahnungen geplagt?
Bis zur Bundestagswahl sind es noch mehr als 12 Monate. Da müssen wir uns um Wahlkampf noch keine Gedanken machen. Wir haben in der Koalition bis dahin ja noch was vor, zum Beispiel die Betriebsrenten zu stärken und die Riester-Rente attraktiver zu machen. Im Übrigen sollten wir nicht ständig die Rentenreformen der letzten 15 Jahre schlecht reden. Wir müssen immer daran denken, dass es nicht nur Rentner gibt, sondern auch Beitragszahler, die das alles finanzieren müssen.
Wie bewerten Sie Forderungen, das gesetzliche Rentenniveau zu stabilisieren oder gar wieder auf 50 Prozent zu erhöhen, wie soeben von der Parlamentarischen Linken der SPD verlangt?
Ich wundere mich sehr, dass gerade bei der SPD die Prozente so leichthändig nach oben geschraubt werden. Jeder Prozentpunkt kostet viele Milliarden Euro. Das müssen am Ende alles Arbeiter und Angestellte zahlen. Die Entscheidung, das Rentenniveau schrittweise abzusenken, wurde getroffen, weil Deutschland älter wird und die Zahl der Beitragszahler abnimmt. Die große Alterungswelle kommt in den Jahren nach 2030. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Das Stichwort Altersarmut befördert ja die Debatte ganz wesentlich. Treibt Sie das Thema ebenfalls um? Oder wird das aufgebauscht?
Welche Gruppen sind denn in Deutschland wirklich von Armut betroffen? Das sind vor allem Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern. Die über 65-Jährigen sind im Moment so gut wie gar nicht betroffen. Nicht einmal drei Prozent benötigen Mittel aus der Grundsicherung im Alter. Gerade hat es die größte Rentenerhöhung seit 23 Jahren gegeben. Es gibt gar keinen Grund, das Land ausgerechnet jetzt in eine kollektive Altersarmut zu reden.
Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, die Chefs von CSU und SPD sagen, wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, muss eine angemessene Rente erhalten. Und zwar eine Rente deutlich über der Grundsicherung. Widersprechen Sie?
Nein. Aber wer 45 Jahre lang Vollzeit gearbeitet und durchschnittlich verdient hat, der bekommt doch eine Rente deutlich über der Grundsicherung. Das ist so und das bleibt so, das sind heute rund 1350 Euro. In den nächsten 20 Jahren wird sich dieser Wert mit jeder Rentensteigerung weiter erhöhen. Wir sollten den Menschen also keine falschen Parolen einreden. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, wird davon auch in Zukunft im Alter leben können. Wer allerdings viele Jahre nur Teilzeit oder gar nicht gearbeitet hat, bekommt nur eine kleine Rente. Das war auch immer so und bleibt so.
Wie könnte eine Reform aussehen gegen die künftige Altersarmut Müttern oder Langzeitarbeitslosen?
Zum einen: Grundsicherung ist aktive Armutsbekämpfung, damit jeder das Lebensnotwendige hat. Die wird von den Steuerzahlern finanziert. Zum anderen haben wir bestimmte Gruppen, denen es im Alter schlecht geht.
Welche?
Nehmen Sie die Erwerbsgeminderten, die mit 50 oder 55 Jahren nicht mehr arbeiten können, nachdem sie zum Beispiel jahrzehntelang am Bau geschuftet haben. Diese Menschen haben im Moment wirklich beschämend niedrige Renten. Für diese Menschen sollten wir gezielt etwas tun. Wir machen zu oft Rentenpolitik nach dem Gießkannenprinzip, es soll für alle was geben. Das macht ein gutes Gefühl, löst aber kein Problem. Wir haben so viel Geld für die Rente mit 63 ausgegeben, dass kein Geld mehr für die Erwerbsgeminderten da war. Die kommen nämlich gar nicht bis 63. Das darf sich nicht wiederholen. Wenn wir jetzt das Rentenniveau für alle anheben, hilft das gerade denen nicht, die es im Alter wirklich schwerer haben.
Es gibt noch andere Stellschrauben – Rentenzugangsalter und Altersgrenze. Eine Option?
Bis 2030 wird das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre erhöht. Die Richtung stimmt. Es ist toll zu sehen, wie viele Menschen über 60 inzwischen noch arbeiten – und nicht mehr wie früher aussortiert werden in teuren Frühverrentungsprogrammen. Unser nächster Schritt ist die Flexi-Rente. Wer länger arbeiten will und kann, dem legen wir nicht nur keine Hürden in den Weg, sondern schaffen auch noch attraktive Anreize. Und dass nach 2030 das Renteneintrittsalter weiter steigen muss, steht angesichts der steigenden Lebenswertwartung doch außer Frage.
Warum ist es für Politiker so verlockend, mit der Rente Wahlkampf zu machen?
Es gibt fast 20 Millionen Rentner in Deutschland. Das ist die mit Abstand die größte Wählergruppe. Das ist verlockend und verleitet dazu, Dinge zu versprechen, die uns in fünf oder zehn Jahren auf die Füße fallen.
Schürt die gegenwärtige Rentenpolitik die Missgunst zwischen den Generationen?
Wir sollten die heute unter 45-Jährigen stärker in den Mittelpunkt unserer Überlegungen rücken. Auch die sollen mal eine gute Rente haben. Der heutigen Rentnergeneration geht es so gut wie noch keiner zuvor.
Das klingt missgünstig.
Ich gönne jedem jeden Euro. Aber darum geht es überhaupt nicht. Wir müssen die Dinge doch ohne Schaum vor dem Mund diskutieren können. Rentendebatten werden schnell emotional, weil das Thema immer auch mit der eigenen Biografie und Lebensleistung verbunden ist. Deutschland ist nach Japan das zweitälteste Land. Wir sollten endlich lernen, diese Debatten zu führen, ohne gleich immer alle persönlich beleidigt zu sein.