Jasmin Wagner bei den Burgfestspielen in Jagsthausen Foto: Lutz Schelhorn

In den 1990er Jahren wurde Jasmin Wagner mit gerade mal 15 Jahren als Sängerin Blümchen berühmt. Was davon übrig ist? Ihr Nomadenleben. Allerdings steht sie heute als Schauspielerin auf den Theaterbühnen des Landes. Aktuell in Jagsthausen.

Frau Wagner, 1990er Jahre-Partys sind gerade voll im Trend. Gehen Sie da überhaupt hin?
Klar gehe ich auch auf solche Partys. Ich habe in den 1990ern ja nicht nur selbst solche Musik gemacht, ich habe sie auch gehört. Es ist also auch meine Jugendzeit. Als ich letztens mit Freunden in Hamburg im Bunker war, war das einfach ein großer Spaß. Da waren Leute, die hatten diese bunten Plastikschnuller um den Hals und auch alles andere, was man in den 1990er Jahren modetechnisch so verbrochen hat, war dort vertreten. Ich feierte also fröhlich mit zu den Liedern von Mr. President und tanzte zu „Ice Ice Baby“ – und auf einmal hörte ich die ersten Klänge eines Liedes von mir.
Ist das nicht schräg für Sie, wenn heute Ihre Lieder gespielt werden, die Sie als Blümchen berühmt gemacht haben?
Ich dachte erst nur: Auweia. Werden jetzt alle aufhören zu tanzen und sich hinsetzen? Aber alle sind in große Euphorie ausgebrochen und haben das total gefeiert. Und ich war mittendrin und hab einfach mit den anderen getanzt und mich einfach gefreut, dass ich das kann – die Leute in ein Lebensgefühl zurückzuversetzen.
Blümchen war nicht nur ihr Künstlername, es war vorher auch schon ihr Spitzname. Wie kamen Sie dazu?
Ich könnte mutmaßen, dass mein Name Jasmin auch ein floraler Name ist. Aber wie das bei Spitznamen so ist, man weiß es am Ende nicht so richtig, wo das genau herkommt. Als es mein Künstlername wurde, hörte es im Bekanntenkreis ganz schnell auf, dass ich so genannt wurde. Dadurch dass es so ein öffentlicher Name wurde, haben sie mich dann eigentlich wieder bei meinem richtigen Namen genannt. Ich hatte aber auch andere Spitznamen. Die wären aber nicht als Künstlername geeignet gewesen.
So schlimm?
In der Schule hieß ich eine ganze Weile lang Frosch. Weil ich einen grünen Mantel hatte. Das war nicht so schön.
Werden Sie heute noch oft mit Blümchen angesprochen?
Eigentlich kaum. Aber wenn über mich geredet wird, wird es ganz gerne noch gemacht. Ich bin eine 1,78 Meter große Frau – ich glaube, wenn die Leute vor mir stehen fällt es ihnen schon schwer, mich mit Blümchen anzusprechen.
Mit 21 Jahren haben Sie Schluss mit Blümchen gemacht und sind nach Kalifornien gegangen um Schauspiel zu studieren. Ein vollkommen anderes Leben, oder?
Ich bin erst mal schrecklich übergewichtig geworden, habe in drei Monaten zwölf Kilo zugenommen. Das hat sich aber zum Glück schnell wieder eingependelt. Für mich war es aber eine gute Entscheidung und ein Segen – auch beeinflusst von meinen Eltern, die gesagt haben: Abstand wäre gut.
Warum das?
Ich hatte in Deutschland erst mal kein normales Feedback. Mitunter war es schwer, bei H & M wieder aus der Umkleidekabine rauszukommen, weil sich davor ein Pulk gebildet hatte. In den USA war ich eine deutsche Studentin im Kreise von Gleichaltrigen. Eine gesunde Erfahrung. Ich hatte Freunde, es gab aber auch Leute, die mich eben nicht mochten – es war nicht verfälscht, ich hab einfach ein Feedback zu mir als Person bekommen. So etwas kann total verrutschen, wenn man in so einem öffentlichen Fokus steht. Da kommen Fragen auf wie: Bin ich wirklich hübsch oder kann man auch mit mir Zeit verbringen, wenn man nicht weiß, dass ich eine bekannte Sängerin bin? Ich war ja noch sehr jung.
Sie spielen bei den Burgfestspielen in Jagsthausen aktuell in vier Stücken: Sie sind die Adelheid in „Götz von Berlichingen“, Undis in „Ronja Räubertochter“, Lady Marian in „Robin Hood“ und Tevjes Tochter in „Anatevka“. Ist es schwer zwischen so unterschiedlichen Charakteren hin und herzuwechseln?
So etwas habe ich vorher auch noch nie erlebt. Also in dieser Dichte. Aber es geht erstaunlich gut. Weil man auch Hilfe hat: Zum Beispiel die Kostüme. Wenn ich so ein bescheidenes Bauernmädchen-Kostüm anhabe, dann weiß ich einfach, wo ich bin. Ich möchte natürlich auch dass das Publikum, wenn man in vier Stücke kommt, keine Gemeinsamkeiten sieht. Klar, der gemeinsame Nenner bin ich als Mensch. Aber ich versuche nach Kräften, diese Rollen immer anders anzulegen und zu finden. Und diese Frauen sind alle so unterschiedlich – wobei ich sie alle mag.
Wie klappt das Zusammenspiel mit den Kollegen in den unterschiedlichen Stücken?
Man wächst mit den Kollegen immer mehr zusammen während wir uns in den unterschiedlichen Rollen und Temperaturen finden. Ein Beispiel: Als Adelheid klatsche ich Philip Schwarz in der Rolle des Franz eine Ohrfeige, dass es nur so schallert. In „Anatevka“ bin ich wahnsinnig in ihn verliebt und schüchtern und folge ihm bis nach Sibirien. Das ist dann auch fair, dass sich das so ein bisschen ausgleicht.
Was fasziniert Sie so an der Schauspielerei, dass Sie sie heute der Musik vorziehen?
Es ist tatsächlich Leidenschaft und Beruf gleichermaßen. Ich fühle mich auf der Bühne einfach wohl. Ich bin gerne in diesem geschützten Raum. Ich mag die Art von Mensch, mit der ich zu tun habe, ich mag die kreativen Prozesse. Ich mag es auch, mich zu verwandeln und Seiten an mir herausholen, die im Alltag keinen Raum finden. Ich bin ein freundlicher, umgänglicher, rationaler Mensch, kann aber in einer Rolle wie der Adelheid auch mal die Abgründe zulassen.
Wie geht es nach den Burgfestspielen weiter?
Ich werde in eine französische Komödie gehen, „Trennung für Feiglinge“ in Braunschweig. Dann gibt es noch eine Wiederaufnahme von „Doctordate.de“ in Berlin im Schlossparktheater, und dann werde ich meine nächste große Premiere in Hamburg am Ernst Deutsch Theater haben. Im Frühjahr nächsten Jahres in „Liebeslügen“, dem ersten Theaterstück von Ildikó von Kürthy.
Sie sind ständig unterwegs. Wo wohnen Sie eigentlich?
In Hamburg. Also da ist meine Wohnung. Man wohnt natürlich auch da, wo man arbeitet. Es ist schon ein Nomadenleben, aber ich kenne es ja nicht anders. Ich habe im Frühjahr geheiratet und mein Mann hat mich glücklicherweise so kennen und lieben gelernt, und nimmt mir das auch nicht übel. Wir sehen das eher als Chance, dass wir uns immer an neuen Orten treffen und so auch immer etwas Neues zusammen entdecken können.

1980 in Hamburg geboren wird Jasmin Wagner im Jahr 1995 als Blümchen zum Technostar. 2006 erscheint ihr Popalbum „Die Versuchung“. Jasmin Wagner arbeitet inzwischen vor allem als Schauspielerin. Bei den Festspielen in Jagsthausen ist sie in vier Rollen zu sehen: www.burgfestspiele-jagsthausen.de