Staatsanwalt Manuel (Klare) gesteht seiner Frau Leonie (Lisa Wagner) seinen Seitensprung Foto: WDR/Frank Dicks

Dass Felix Klare den biederen Kommissar drauf hat, zeigt er seit Jahren im Stuttgarter „Tatort“. In „Momentversagen“ schlüpft er in die Rolle eines Staatsanwalts auf Abwegen. Der Schauspieler über Aggressionen im Straßenverkehr, seinen Psychothriller und „Tatort“-Kollege Richy Müller.

Herr Klare, der Staatsanwalt, den Sie in „Momentversagen“ spielen, betrügt in einer Nacht seine Frau und wird auch noch gewalttätig. Haben Sie Verständnis für diesen Mann?
Sagen wir mal so, ich muss für eine Figur viel Verständnis entwickeln, sonst könnte ich sie gar nicht spielen – und das war natürlich auch in diesem Fall so. Von daher habe ich vollstes Verständnis für diesen Mann. Die Gewalttat ist ja auch nicht unbegründet, wenn Sie so wollen. Er geht in diesem Moment dazwischen und versucht eine Frau vor einem Angreifer zu beschützen.
Sind Sie schon mal irgendwo dazwischengegangen?
Ja, das habe ich schon mal gemacht. Da waren in der S-Bahn zwei Jugendliche, die permanent einen Ausländer angepöbelt haben, und denen habe ich klargemacht, dass sie ja gar nicht wissen, was sie da sagen. Dadurch hat sich ihre Aufmerksamkeit natürlich auf mich gerichtet, und ich war dann ganz froh, als die zwei Stationen weiter ausgestiegen sind.
Ganz schön mutig . . .
Ich weiß nicht, ob man das als Mut bezeichnen kann. Ich habe das damals eher als Selbstverständlichkeit empfunden. Der Mut der Figur, die ich im Film spiele, ist da schon mehr gefordert. Es ist dunkel, er registriert, dass ein Mann eine Frau massiv bedrängt, und geht dazwischen. Dann prügelt er mit einer Flasche auf den Angreifer ein. Das ist natürlich völlig übertrieben, da schwingt bei ihm einfach eine große Portion Selbsthass mit. Er hasst sich, weil er kurz zuvor fremdgegangen ist, was überhaupt nicht in die Vorstellung passt, die er selber von sich hat.
Sind solche zwiespältigen Figuren für einen Schauspieler spannender als glatte Helden oder finstere Schurken?
Auf jeden Fall sind vielfarbige Figuren interessanter, gerade wenn man eine große Rolle spielt. Bei kleineren Rollen ist das nicht so wichtig, da kann es auch schon mal Weiß oder Schwarz sein. Aber bei Hauptrollen sind Facetten ungemein wichtig.
Aus Ihrer Figur bricht im Film plötzlich eine Aggression heraus, die beängstigend ist.
Es fällt mir nicht schwer, einen Wutausbruch zu spielen, ich vergegenwärtige mir einfach die Stimmungslage, in der die Figur ist, und finde dann da rein. Es ist ja auch im ganz normalen Leben erstaunlich, wie wütend die Leute manchmal sind, wie sie einen fertigmachen, wenn man bei Grün an der Ampel eine Sekunde zu spät losfährt. Da kommt sofort der Mittelfinger, das ist ja manchmal unglaublich (lacht). Schon erstaunlich, welches Aggressionspotenzial manche Menschen haben.
Sprechen Sie eigentlich mit Ihrer Frau, die ja auch Schauspielerin ist, über Ihre Rollen?
Klar, wir unterhalten uns schon viel über die Arbeit. Es ist schön, wenn man sich privat und professionell in einem austauschen kann – für mich ist es auch interessant, wie das andere Geschlecht eine Rolle oder einen Film bewertet. Ich frage sie oft, wie siehst du das als Frau? Das ist ein ganz großes Plus.
Einem breiteren Publikum sind Sie als Stuttgarter „Tatort“-Kommissar Sebastian Bootz bekannt geworden. Sind Sie stolz, Teil dieses ungeheuren Booms zu sein, den der „Tatort“ derzeit hat?
In gewissem Sinne schon, wobei ich sagen muss, der „Tatort“ kam vor ein paar Jahren ja eher schicksalhaft auf mich zu – ich habe das nicht aktiv betrieben. Ich war damals 29, und mittlerweile sind Richy Müller und ich fast schon ein alteingesessenes Team. Inzwischen gibt es so viele neue Ermittlerteams, dass ich selber ein bisschen den Überblick verloren habe. Ich bemühe mich, nebenher auch viele andere Sachen zu machen, damit man mich nicht eines Tages mit der „Tatort“-Rolle verwechselt.
Steht in Ihrem Vertrag, dass Sie auch andere Rollen spielen dürfen?
Das muss da gar nicht drinstehen. Es steht nur drin, dass ich keinen anderen Polizisten spielen darf, aber das ist ja sowieso klar. Der Staatsanwalt, den ich in „Momentversagen“ spiele, war schon hart an der Grenze. Aber es war kein Problem, weil der Beruf ja gar nicht so im Vordergrund steht.
Schauen Sie sich die anderen „Tatort“-Kollegen an?
Wenn, dann eher zufällig, weil ich bei Dreharbeiten im Hotel bin. Ich habe zu Hause keinen Fernseher. Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen und hatte noch nie einen.
Verstehen Sie sich gut mit Ihrem Stuttgarter „Tatort“-Kollegen Richy Müller?
Ja, er ist zwar ein paar Jährchen älter als ich, aber doch ein Typ, der unheimlich jung geblieben ist. Das ist schon lustig mit ihm. Wir sind durchaus befreundet und haben privat ab und zu Kontakt.
Keine Diskussionen, wer mehr Text hat?
Also, ich behaupte mal, die gibt es bei jedem Team. Das hängt einfach damit zusammen, dass das alles gleichwertige Rollen sind – und man deshalb natürlich schon genauer hinschaut. Aber je besser man sich kennt, desto besser lassen sich solche Unstimmigkeiten lösen. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass man sagt: „Nimm bei diesem Verhör du doch den ganzen Text, ich steh’ einfach nur dabei.“ Das geht aber nur, wenn man sich auch privat versteht, wie Richy und ich. Ich kenne da zwei, drei „Tatort“-Teams, wo das nicht so ist – ich darf Ihnen aber nicht verraten, um wen es sich da handelt (lacht).

ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr