Till Eulenspiegel (re., Jacob Matschenz) hält Bürgermeister Wüllenwever (Devid Striesow) den Spiegel vor Foto: NDR/Boris Laewen

An den Feiertagen stellt Schauspieler Devid Striesow im Fernsehen seine Wandlungsfähigkeit besonders unter Beweis: Bevor er als verpeilter Hauptkommissar im Saarbrücker „Tatort“ ermittelt, ist er als machtgieriger Bürgermeister im Weihnachtszweiteiler „Till Eulenspiegel“ zu sehen.

Guten Morgen, Herr Striesow. Das ist eines der frühesten Interviews, die ich jemals geführt habe. Sind Sie Frühaufsteher?
Inzwischen ja. Das würde ich heute nicht mehr missen wollen. Auch ohne meine Kinder, durch die ich zwangsläufig früh aufstehen muss, würde ich es ganz genauso machen. Weil man morgens wacher ist und besser strukturiert. Deswegen gebe ich auch Interviews gerne vor allem anderen, was am Tag noch so ansteht. Denn abends, nach den Theaterproben, fällt mir nichts mehr ein.
Einen bühnenreifen Auftritt haben Sie im ARD-Weihnachtszweiteiler „Till Eulenspiegel“: Als Bürgermeister von Lübeck sind Sie kaum wiederzuerkennen . . .
(Lacht) Das Schöne ist: Wenn man in solchen historischen Klamotten steckt, kann man das nicht naturalistisch spielen, sondern darf – wie auf der Theaterbühne – ruhig ein wenig übertreiben. Das verlangt der Stoff. Und das war für uns alle schon ein großer Spaß.
Kannten Sie seine Geschichten schon vor dem Lesen des Drehbuchs?
Till Eulenspiegels Geschichten sind mir schon früh begegnet. Ich habe als Kind, etwa mit acht Jahren, eine uralte Ausgabe in altdeutscher Schrift gelesen, die mein Großvater bei sich im Regal stehen hatte. Diese alte Schrift fand ich als Kind besonders spannend, ich dachte, das wäre so eine Art Geheimschrift. Seitdem kann ich diese altdeutsche Schrift sehr gut lesen – auch heute noch. Überhaupt ist „Till Eulenspiegel“ eine schöne Literatur, die wir uns bewahren sollten.
Sind die Geschichten heute noch aktuell?
Die Streiche machen vor allem Spaß. Zu viel sollte man da nicht hineininterpretieren. Aktuell sind seine Geschichten vielleicht deshalb, weil sich die Menschen nicht verändern. Diese Figuren-Konstellationen gibt es ja heute noch: den lustigen Schalk, der seinen Mitmenschen den Spiegel vorhält, den gerissenen Politiker, der auch der Chef eines Unternehmens sein könnte, den rechtschaffenen Bauern, Bäcker oder Bürger. Da findet jeder seine passende Übersetzung. Und man lernt von Till Eulenspiegel, alles nicht so ernst zu nehmen.
Wie machen Sie sich mit Ihren Rollen vertraut?
Das ist von Rolle zu Rolle unterschiedlich. Es gibt keine bestimmte Schauspieltechnik, auf die ich mich festlege. Weil auch jede Figur einzigartig ist, nähere ich mich jeder Rolle aufs Neue an und stelle mich auf jede Figur anders ein. Dazu gehört manchmal auch eine körperliche Annäherung, zum Beispiel für eine Rolle 20 Kilo zu- oder abzunehmen.
Bürgermeister Klaas Wüllenwever ist von stattlicher Statur und in der Wahl seiner Mittel skrupellos: Hätten Sie lieber den Till Eulenspiegel gespielt?
Klar, der ist so klug und lustig und unser Held (lacht). Nein, im Ernst, vielleicht als ich jünger war. Aber mein Wüllenwever war schon eine tolle Rolle. Er ist mir, während ich gespielt habe, Stück für Stück ans Herz gewachsen. Klaas Wüllenwever ist ja keine reale, sondern eine fiktive Figur. Am Ende geht man da als Schauspieler unbeschadet raus. Und wenn man den Bösewicht spielt, kann man auch noch grandios das Scheitern der Figur zeigen. Das macht Laune.
Wie haben Sie sich mit Ihrem Kollegen Jacob Matschenz verstanden, der den Till Eulenspiegel spielt?
Sehr gut. Das war ein schönes Miteinander. Wir beide haben mit einem lachenden und einem weinenden Auge gespielt. Mit einem lachenden, weil wir uns als Kollegen super verstanden haben. Und mit einem weinenden, weil ihn der böse Wüllenwever ja an den Galgen bringen will.
Und wie war die Arbeit mit Ihrer sehr jungen Kollegin Jule Hermann, die als Marie Lüdinghusen Till auf seinen Reisen begleitet?
Jule war erfrischend. Mit Kindern zu spielen ist sehr unmittelbar. Das macht ganz großen Spaß, weil es so unverstellt rüberkommt und nicht kalkulierbar ist. Als Kollege muss man mit Kindern auf Augenhöhe spielen, die Kinder als Figur und in der Geschichte ernst nehmen. Überhaupt muss man die Welt der Kinder ernst nehmen.
Sie haben selber vier Kinder, drei leibliche und eine Ziehtochter. Wie sind Sie als Vater?
Ich weiß nicht, ob ich eher weich oder eher streng bin. Das hängt ja auch von der Tagesverfassung ab. Und wo fängt Strenge an? Wenn ich mit einer tieferen Stimme spreche und eine Augenbraue hebe, damit meine Kinder ein schlechtes Gewissen kriegen? Grundsätzlich hoffe ich, dass ich ihnen Konsequenz vermittle. Denn das ist schon wichtig. Dranbleiben, aufmerksam sein und möglichst wenig reglementieren. Und dabei helfen, dass meine Kinder ohne großen Druck lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Sicherlich haben Sie Ihren Kindern auch schon fantastische Geschichten wie „Till Eulenspiegel“ vorgelesen. Warum üben Märchen heute noch eine solche Faszination aus?
Märchen sind unter anderem so fantastisch, weil sie meistens alles beinhalten, was das Leben ausmacht: Liebe, Leid, Terror. Und trotzdem enden sie gut.

„Till Eulenspiegel“, ARD, 25./26. Dezember, 16.15 Uhr. „Tatort – Weihnachtsgeld“, ARD. 26. Dezember, 20.15 Uhr