Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht: Eine eigene Batteriefabrik schafft zwar nicht viele Arbeitsplätze, sichert Deutschland aber Kompetenz in einer Schlüsseltechnologie. Foto: dpa

Ende des Jahres 2015 stellte Daimler die Produktion von Batteriezellen in Sachsen ein. Betriebsratschef Brecht sieht darin aber keinen Grund, von einer Fertigung im Inland abzurücken.

Stuttgart -

Herr Brecht, der amerikanische E-Autohersteller Tesla eröffnet in Nevada seine Gigafactory, eine gigantische Batteriefabrik fürs elektrische Fahren. Brauchen wir so etwas auch in Deutschland?
Die Batteriezelle ist für die Elektromobilität eine Schlüsseltechnologie. Von ihr hängt ab, wie viel Energie in einem E-Fahrzeug gespeichert werden kann, wie viel Platz die Batterie beansprucht und wie schwer sie ist. Wir dürfen uns bei dieser zentralen Komponente des elektrischen Fahrens nicht von Lieferanten aus Asien oder anderen Ländern abhängig machen.
Wo sollte diese Fabrik stehen?
Ich würde mir einen Standort in Deutschland wünschen. Baden-Württemberg liegt z. B. bei der Entwicklung der Zellen sehr gut im Rennen.
Daimler hat ja schon einmal in Sachsen eine eigene Zellproduktion aufgebaut, dann aber wieder eingestellt und baut seither nur noch aus den Zellen die fertigen Batterien. Sprechen die Erfahrungen nicht gegen eine eigene Produktion?
Die Produktion in Sachsen war der richtige Versuch, die Fertigung in Deutschland anzusiedeln. Das kann man nur würdigen. Aber die Autohersteller stehen untereinander in Konkurrenz, und das macht es schwer, andere Hersteller als Kunden zu gewinnen. Wenn man aber nur für sich selbst produziert, reichen die Stückzahlen nicht aus. Schließlich ist die Fertigung hochautomatisiert und benötigt hohe Stückzahlen, um wirtschaftlich zu sein. Deshalb sollte die Fabrik besser durch einen Zulieferer betrieben werden, der miteinander konkurrierende Hersteller parallel beliefern kann.
Volkswagen will sich ja angeblich mit asiatischen Herstellern zusammentun, um eine Fabrik zu betreiben. Macht das Sinn?
Ich weiß nicht, wie ernst diese Pläne gemeint sind. Aber selbst für den größten Hersteller Deutschlands dürfte es schwierig werden, im Alleingang das nötige Volumen zu erreichen.
Vor einigen Monaten besuchte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Sie im Werk Rastatt und ließ durchblicken, dass Tesla-Chef Elon Musk Interesse am Bau einer Batteriefabrik in Deutschland bekundet habe. Wie sehen Sie eine solche Fabrik, die von Tesla betrieben wird?
Als Autohersteller würde Tesla wohl die gleichen Probleme haben, andere Hersteller als Kunden zu gewinnen, wie damals Daimler.
An der Batterietechnologie arbeiten ja auch Niedriglohnländer. Wie hoch ist das Risiko, dass Deutschland am Ende zu teuer ist und aus dem Markt gedrängt wird?
Im Moment werden Batterien in der Tat nur über den Preis verkauft. Das liegt an den weltweiten Überkapazitäten. Aber der Markt wächst, und deshalb werden die Kapazitäten sicher wieder knapper. Da die Fertigung hochautomatisiert ist, spielen auch die Lohnkosten in Deutschland keine sehr große Rolle. Und die Produktionsanlagen kosten in China, Amerika und Korea ungefähr das Gleiche. Hinzukommt, dass die heutige Batteriegeneration in absehbarer Zeit durch eine Technologie abgelöst wird, deren Produktion viel anspruchsvoller ist. Dann kann Deutschland sein Know-how ausspielen.
Mit der Fotovoltaik hat Deutschland schon einmal versucht, eine Hochtechnologie aufzubauen, und wurde dann von chinesischen Wettbewerbern so lange unterboten, bis die heimische Industrie fast vom Markt verschwand. Wie groß ist das Risiko, dass so etwas mit der Batterieproduktion ebenfalls geschieht?
Fotovoltaik-Anlagen aus China wurden hier mit massiven staatlichen Subventionen und zu Preisen weit unterhalb der Herstellungskosten auf den Markt geworfen. Am Ende verhängte die EU sogar Strafzölle. Deshalb wird man bei der Batterie sicher rechtzeitig darauf achten müssen, dass die Wettbewerbsregeln auch eingehalten werden.
Um wie viele Arbeitsplätze geht es bei der Fertigung?
Es gibt Studien, die von einer Größenordnung von ungefähr 8000 Arbeitsplätzen ausgehen. Das ist gemessen an der gesamten Industrie nicht sehr viel. Aber es handelt sich um hochwertige Arbeitsplätze und um solche, die in ein neues Zeitalter führen. Zudem ist es wichtig, dass wir hier nicht nur im Entwickeln gut sind, sondern auch in der Lage sind, aus unseren Ideen selbst ein fertiges Produkt herzustellen. Eine eigene Batteriefabrik ist für die deutsche Wirtschaft eine Art Leuchtturm.
Nicht nur in der Solarbranche, auch in der Elektromobilität geben andere Länder den Herstellern viel staatliche Unterstützung. Muss Deutschland hier mehr tun?
Anders geht es nicht. Wenn Sie in einem Umfeld tätig sind, in dem andere Staaten ihre Industrien subventionieren, ist der freie Wettbewerb nicht mehr gegeben. Man kann nicht erwarten, dass sich die eigene Industrie gegen eine massiv staatlich geförderte Konkurrenz behaupten kann. Das wird auf Dauer nicht gelingen.
Sollten die Zulieferer von den Autobauern eine Garantie bekommen, wonach ihnen eine bestimmte Stückzahl Batteriezellen abgenommen wird?
Zum Start wäre das sicher sinnvoll. Eine Milliardeninvestition zu stemmen ohne die Gewissheit, für die Produkte auch Abnehmer zu haben, würde nicht viel Sinn machen. Ohne die nötigen Stückzahlen würde kein Betreiber auf die Kostenersparnis kommen, die er braucht, um wettbewerbsfähig zu sein. Er könnte dann auch nicht schnell genug die Erfahrungen sammeln, mit denen er seine Prozesse weiterentwickelt. Solche Garantien könnte es aber nur beim Start geben. Nach einer Zeit müsste sich auch diese Fabrik dem Wettbewerb stellen.