Der schwedische Schauspieler Bill Skarsgård mal ohne Clownsschminke. Foto: AFP

Der Schwede Bill Skarsgård spielt den Horrorclown in der Stephen-King-Verfilmung „Es“. Er selber war schon als Kind nicht leicht zu schocken, sagt er. Trotzdem setzten ihm die Dreharbeiten zu.

Stuttgart - Bill Skarsgård ist der große Durchbruch gelungen. Nach kleinen Rollen in schwedischen Filmen, der Horror-Serie „Hemlock Grove“ oder zuletzt „Atomic Blonde“ spielt er den Clown Pennywise in der Stephen-King-Verfilmung „Es“, die in den USA bereits diverse Kassenrekorde bricht. Eine Fortsetzung ist bereits in Planung, und auch in der ebenfalls auf King basierenden Serie „Castle Rock“ wird der 27-jährige im kommenden Jahr zu sehen sein.

Herr Skarsgårds, was macht den Clown Pennywise Ihrer Meinung nach so faszinierend?
Zunächst einmal ist da natürlich dieses Bild, das so ikonisch geworden ist: ein Clown, der aus einem Gully guckt. Dieser Anblick ist einfach auf Anhieb furchteinflößend – und vor allem unvergesslich. Man wird dieses Bild nicht so schnell wieder los, gerade weil man es eben nicht wirklich versteht. Abgesehen davon war Pennywise quasi der erste seiner Art. Bevor Stephen Kings Roman „Es“ erschien, gab es schließlich eigentlich keine gruseligen Clowns. Vielleicht hatten ein paar Menschen eine Phobie oder so. Aber im Grunde sah man Clowns doch als fröhliche Gesellen. Seit 1985 hat sich das grundlegend geändert. Plötzlich gibt es überall Horror-Clowns, nicht nur auf der Leinwand, sondern ja sogar im echten Leben.
Der Roman wurde schon 1990 als Fernseh-Zweiteiler verfilmt, und Tim Curry als Pennywise bescherte nicht wenigen Zuschauern Albträume. Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, wie Sie das toppen können?
Kurz bevor ich die Rolle bekam, noch mitten im Casting-Verfahren, habe ich mir die Miniserie noch einmal angesehen. Ehrlich gesagt ist die Verfilmung ganz schön altmodisch, wenn man sie heute sieht, finden Sie nicht? Curry ist natürlich super, aber er ist auch ein anderer Pennywise als der, den man aus dem Roman kennt. Warum also sollte es mit mir in der Rolle jetzt nicht noch eine dritte Version geben? Für mich und Regisseur Andy Muschietti war von Beginn an klar, dass wir mit unserem Film etwas ganz Neues machen wollen. Deswegen – lange Rede, kurzer Sinn – habe ich mir ehrlich gesagt nur Gedanken um meinen eigenen Pennywise gemacht.
Ist Ihr Clown der Grund für den Erfolg von „Es“?
Auf jeden Fall nicht der einzige. Fast noch wichtiger, nicht zuletzt in unserer Verfilmung, sind meiner Meinung nach die Kinder. Sie sind alle mehr oder weniger Außenseiter und Einzelgänger, die ganze Welt scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Gleichzeitig sind sie die einzigen, die zu erkennen scheinen, was um sie herum in ihrer Stadt passiert, während die Erwachsenen nichts mitbekommen und in ihrer Routine feststecken. Die Kinder müssen sich also selbst zu helfen wissen. Ich glaube, genau das ist die Botschaft, die so viele anspricht. Dass es ein Segen sein kann, wenn man sich mit Menschen zusammentut, die in der gleichen Situation stecken. Und dass man sich gemeinsam seinen Ängsten stellen kann, um sie zu überwinden.
Insgesamt ist die Geschichte aber nicht wirklich etwas für Kinder. In Deutschland ist der Film erst ab 16 Jahren freigegeben.
Klar, die Story ist ganz schön gruselig. Aber Stephen King schreibt auf eine Art und Weise, die Jugendliche echt anspricht. Ich weiß noch, dass früher viele meiner Freunde „Es“ gelesen haben, als wir zwölf oder 13 Jahre alt waren. Die waren begeistert, weil in dem Buch große Themen des Lebens behandelt werden, auf spannende und einfallsreiche Weise. Das ist gar nicht so anders als in den wunderbaren Büchern von Astrid Lindgren. Nur dass die nicht ganz so unheimlich sind.
Was hat Ihnen Angst gemacht als Sie jung waren?
Ich war nicht sonderlich ängstlich. Ich habe mich weder vor Spinnen gefürchtet noch daran geglaubt, dass unter meinem Bett Monster wohnen. Ohnehin habe ich schon als Kind klar unterscheiden können zwischen der Realität und Träumen oder ausgedachten Geschichten.
Sie haben sich nie vor etwas gefürchtet?
Doch, es gab mal einen Moment in meiner Kindheit, in dem mich plötzlich die Angst überkam, weil mir klar wurde, dass ich irgendwann sterben würde. Weinend lief ich zu meinen Eltern, doch mein Vater, der es – wie wir alle – nie mit Religion oder Glauben hatte, blieb total nüchtern. „Du hast Recht, natürlich musst du irgendwann sterben. Wie wir alle. Es gibt kein Leben nach dem Tod und keinen Himmel. Nach dem Tod ist alles wieder so wie es auch schon vor deiner Geburt war.“ Das war seine Antwort – und mich beruhigte das tatsächlich, denn es leuchtete mir absolut ein. Etwas anderes, das mein Vater immer zu uns gesagt hat, war: „Monster gibt es in Wirklichkeit nicht, aber Hitler gab es.“ Uns war immer klar, dass Rassismus, Intoleranz und solche Dinge die Welt zu einem Furcht erregenden Ort machen, nicht Gespenster, Monster oder sogar Clowns.
Da nun doch noch einmal das Stichwort Clowns fällt, lassen Sie uns kurz zu „Es“ zurückkehren. Wie viel Feingefühl war nötig für all die Szenen, die Sie als Pennywise mit den Kinderdarstellern drehen mussten?
Darüber haben wir im Vorfeld viel nachgedacht. Muss ich ganz viel Zeit mit ihnen verbringen, ohne Kostüm und Make-up, damit sie verstehen, dass ich nicht in Wirklichkeit böse bin? Oder ist es im Gegenteil eher besser, wenn ich mich von ihnen fernhalte? Am Ende haben wir uns für letzteres entschieden, weil wir dachten, dass die Wirkung in unseren gemeinsamen Szenen dann größer ist. Schon am ersten Drehtag wurde mir klar, dass das vielleicht gar nicht nötig war. Als mein junger Kollege Jack Grazer mir nach unseren wirklich intensiven Szenen sagte, wie toll er mich und die Richtung, in die ich mit der Rolle gehen würde, findet, stand außer Frage, dass ich es nicht einfach mit Kindern, sondern mit jungen Schauspielern zu tun hatte. Eine Ausnahme war nur der kleine Jackson, der erst sieben Jahre alt und damit eine ganze Ecke jünger als die anderen war. Der bekam es bei mir im Gully doch ganz schön mit der Angst zu tun.
Hinterließ Pennywise auch bei Ihnen Spuren?
Das kann man wohl sagen. Eigentlich kam das Ende des Films für mich ganz abrupt. Wir drehten in Toronto die letzte Szene, verabschiedeten uns alle von einander und keine 24 Stunden später saß ich in Stockholm bei meiner Mutter am Küchentisch und trank Kaffee. Vom Gully direkt ins Haus meiner Kindheit sozusagen. Das war ziemlich abgedreht, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, die drei Monate davor seien nur Einbildung gewesen. Doch dann habe ich zwei Wochen lang wirklich jede Nacht von Pennywise geträumt. Mal kamen wir beide im Traum vor, mal war ich er. Das war wie ein langer, mühsamer Exorzismus, denn dieser Clown schien sich mit aller Macht dagegen zu sträuben, dass ich ihn hinter mir lasse.