Martin Körner verlässt den Osten als Bezirksvorsteher, bleibt aber als Betreuungsstadtrat. Foto: Martin Stollberg

Martin Körner hat fünf Jahre als Bezirksvorsteher im Osten hinter sich. Er hat gelernt, dass Kommunalpolitik genau sein Ding ist. Jetzt zieht Körner weiter in den Gemeinderat.

S-Ost -

Der Bezirkschef hört auf, der Stadtrat fängt an. Die Aufgaben bleiben gleich – zumindest teilweise. Martin Körner (SPD) will sich im Gemeinderat vor allem für seinen ehemaligen Stadtbezirk Stuttgart-Ost stark machen. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit im Bezirksrathaus spricht er mit unserer Zeitung.
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Bezirksvorsteher in den fünf Jahren?
Gefreut hat mich die Umgestaltung der Außenanlagen der Raitelsbergschule, so wie es geplant war. Das wurde ein bisschen teurer, deswegen wollte die Kämmerei es kürzen, was ich gemeinsam mit der Schule verhindern konnte. Ich finde, dass die Stadt sich bei so einer Schule auch besonders engagieren muss. Emotional waren immer wieder die Bezirksbeiratssitzungen, die nach intensiven Diskussionen zu einem Beschluss geführt haben. Man musste immer gucken, wie man alle unter einen Hut bekommt.
Was hat Sie richtig geärgert oder frustriert?
Ich muss überlegen. Manchmal ärgert es einen, dass ein Bürokratieapparat wie die Stadtverwaltung relativ wenig darauf gibt, was der Bezirksbeirat beschließt. Man muss immer Gas geben, dass man ernst genommen wird. Aber richtig geärgert – vielleicht fällt mir später noch was ein.
Wie waren die fünf Jahre für Sie persönlich?
Für mich waren es tolle Jahre, weil ich gelernt habe, dass Kommunalpolitik mein Ding ist, dass das Spaß und Freude macht.
Und politisch?
War es auch gut, weil wir in wichtigen Dingen vorangekommen sind. Zum Beispiel das Verkehrsberuhigungs- und Lärmminderungskonzept. Oder dass das SSB-Depot auf dem Weg zur Sanierung ist. Dass in Berg mit dem Schwanenplatz ein Bürgerbeteiligungsprozess stattgefunden hat. Und dass der Gemeinderat sich hinter einen Beschluss des Bezirksbeirats bei der Villa Berg gestellt hat. Wichtig sind die Sanierungsgebiete Stöckach und Gablenberg und die Sanierung des Mineralbads Berg. Ich glaube, es war für den Stadtbezirk eine gute Zeit.
Was ist Ihnen besonders gut gelungen?
Ich glaube, dass es mir gut gelungen ist, bei strategisch wichtigen Themen wie Schulentwicklungsplanung, Villa Berg, Schwanenplatz oder dem Verkehrsberuhigungs- und Lärmminderungskonzept letztlich doch die Fraktionen hinter einen Beschluss zu bekommen. Das ist wichtig für das Gremium, weil diese Form der Zusammenarbeit allen mehr Freude macht. Das ist wichtig für den Stadtbezirk, weil man so dem Allgemeinwohl nahe kommt. Und es ist politisch wichtig, weil wir nur so im Gemeinderat und gegenüber der Stadtverwaltung etwas bewegen konnten. Da habe ich mich bei den wichtigen Themen schon im Vorfeld mit den Fraktionen kurzgeschlossen. Das ist mir – glaube ich – ganz gut gelungen. Und bei den Menschen im Stadtbezirk vielleicht die Einschätzung, dass die Leute im Bezirksbeirat sich redlich bemühen und dass das okay ist, was die so machen. Das ist schon relativ viel, wenn man das schafft.
Das Mitnehmen der Bürger des Ostens sind Sie besonders intensiv angegangen…
Auf jeden Fall. Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, obwohl sie stadtweit um fast zwei Prozent gesunken ist. Das führe ich auch darauf zurück, dass wir versucht haben, politische Teilhabe stärker zu ermöglichen. Da ist viel handwerkliche Arbeit dabei. Das öffentliche Interesse an den Sitzungen war größer als in der Vergangenheit. Wir hatten Themen, wo das Interesse ganz groß war, besonders am Schwanenplatz, aber auch bei dem Verkehrsberuhigungs- und Lärmminderungskonzept in Gaisburg und Gablenberg. Manchmal ist das auch nicht so gut gelungen. Ich glaube zum Beispiel, dass die Leute in der unteren Haußmannstraße nicht so glücklich sind mit dem, was der Bezirksbeirat beschlossen hat. Bürgerbeteiligung heißt früh informieren, möglichst viel mit aufnehmen, aber es ist halt auch nicht immer möglich, alles aufzunehmen.
Sie sind bei der Bürgerbeteiligung zum Teil neue Wege gegangen, wie beim Schwanenplatz, bei den Sanierungsgebieten, bei der Einladungspolitik für den Bezirksbeirat. Das ist natürlich mit viel Aufwand verbunden. Ist das ein Modell?
Auf jeden Fall. Das mit den Einladungskarten für den Bezirksbeirat hat sich gut eingespielt, das kostet mich privat nichts mehr, die Verteilung läuft entweder über Ehrenamtliche oder durch den städtischen Botendienst. Das hat sich etabliert, das funktioniert. Etwas anderes ist es, wenn besondere Projekte anstehen wie Schwanenplatz oder jetzt auch Stöckachplatz. Da muss man von Anfang an Ressourcen einplanen, um das möglich zu machen. Beim Stöckachplatz wird das in einem sauberen, ordentlichen, finanzierten Rahmen stattfinden, was wir beim Schwanenplatz noch mit der Hand am Arm gemacht haben. Aus dem Schwanenplatz-Verfahren haben wir gelernt, zum Beispiel, dass die Planungsbüros zu Beginn hören, was die Bürger wünschen, und dann erst anfangen zu arbeiten. Insofern haben wir Vorarbeit dafür geleistet, dass das jetzt ein Standard wird. Man muss es halt von vornherein einplanen.
Das heißt, das ist auch beim Stadtplanungsamt angekommen?
Absolut. Stuttgart beginnt gerade, Schritte zu machen, wo andere Städte weiter sind, Mannheim zum Beispiel. Zum Thema Bürgerbeteiligung in Stuttgart wird gerade vom Verwaltungsbürgermeister eine Vorlage erstellt. Und meine Hoffnung ist schon, dass wir im Osten ein bisschen Vorbild sein konnten.
Was haben Sie gar nicht hinbekommen?
Sagen wir mal so, das SSB-Depot hat jetzt zum Schluss noch geklappt. Aber da hätte ich vor zwei Monaten noch gedacht, das bleibt liegen. Es gibt schon noch viele Sachen, die man hätte mehr machen können. Der Ausbau der Kinderbetreuung stockt wegen fehlender Erzieherinnen und fehlender Räume. Wir sind gescheitert, eine Kita an der Wagenburgstraße oder der Kniebisstraße zu etablieren. Bei der Schulentwicklungsplanung finde ich, dass der Campus Ostheim nicht optimal aufgestellt ist. Ich finde nach wie vor, dass dort eine Gemeinschaftsschule das Richtige wäre. Oder das Thema Einzelhandel im oberen Gablenberg, wo die Kommunalpolitik natürlich an ihre Grenzen stößt. Ich hoffe, dass sich da durch das Sanierungsgebiet was tut. Ansonsten ist es ein kommunales Ehrenamt. Mehr tun kann man immer.
Was ist das Kapital, die Perspektive des Ostens?
Kreativität, Vielfalt, Zentrumsnähe, noch bezahlbare Mieten. Ich glaube auch, dass das Thema leben und leben lassen eine Stärke des Ostens ist. Diskussionen über Flüchtlingsunterkünfte oder die Wohnungen für psychisch Kranke laufen hier ganz sauber, da sind die Leute einfach toleranter. Das, finde ich, ist ein Kapital des Ostens.
Und wo klemmt’s?
Hier leben viele Familien, die wenig Geld und daheim keine meterlangen Bücherregal haben, wo die Kinder einfach andere Startchancen haben. Man muss darauf achten, dass der soziale Zusammenhalt gewährleistet bleibt. Gerade Kinder aus solchen Familien müssen wir fördern und unterstützen. Mit pädagogischen Angeboten, von denen alle profitieren, die Stärkeren und die Schwächeren; mit Kinder- und Familienzentren, mit Ganztagsschulen, Gemeinschaftsschulen. Da sehe ich eine Aufgabe gerade im Osten. Die Gänsheide und Stöckach sind auch von den Milieus her weit voneinander weg. Daran muss man arbeiten, dass man sich kennt und respektiert und alle eine gute Chance haben.
Was können Sie in Ihrer künftigen Rolle als Betreuungsstadtrat für Stuttgart-Ost tun?
Da kann ich viel tun. Vieles, bei dem der Bezirksbeirat zwar Stellung nimmt, wird im Gemeinderat entschieden. Und da kann man gemeinsam mit anderen Stadträten aus dem Bezirk – nehmen Sie den Herrn Kotz von der CDU oder Herrn Stopper von den Grünen – schon etwas bewegen. Und das habe ich auch vor.
Was wären inhaltlich die Schwerpunkte?
Wir werden hoffentlich in diesem Herbst erleben, dass die Stadt die Villa Berg erwirbt. Dann wird es darum gehen, was dort stattfinden soll. Ich bin nach wie vor begeistert von der Idee eines Hauses für Film und Medien, das passt genau in den Medien-Osten rein. Es wird auch darum gehen, was in den Sanierungsgebieten stattfinden soll, also am Stöckachplatz, in Gablenberg. Perspektivisch fände ich es spannend, eine Schule für Erwachsene durch die Volkshochschule zu etablieren. Beim Thema Wohnen spielt das Depot-Areal eine wichtige Rolle. Ich finde es wichtig, dass man da Wohnungsbau zum Beispiel in Form von Kooperationen von Genossenschaften mit Baugemeinschaften oder Mietergemeinschaften etabliert, die auch architektonisch etwas auf die Beine stellen, aber auch bezahlbare Mietpreise hinbekommen. Das ist ein spannender, wichtiger Ort für den Stadtbezirk. Oder der Neubau an Stelle der Hauswirtschaftlichen Schule am Stöckachplatz. Da kann der Stadtrat Körner im Ausschuss für Umwelt und Technik und im Verwaltungsausschuss Einfluss nehmen für seinen Heimatbezirk.
Und das Thema Kultur?
Wir haben mit dem Theater im Depot schon einen Verlust gehabt. Jetzt ist die Freie Tanz- und Theaterszene für ein Jahr da. Das Laboratorium ist wichtig. Aber es ist richtig, wir brauchen eigentlich mittendrin ein Angebot von Kultur, das die Leute auch begeistert. Es wäre schon gut, wenn da noch mehr passieren würde.
Was wünschen sie Ihrer Nachfolgerin?
Dass es ihr gelingt, mit allen Fraktionen gut zusammenzuarbeiten. Dass sie die Akzente setzen kann, die für sie persönlich auch wichtig sind. Das ist wichtig, dass sie das auch macht, das wünsche ich ihr.