Der Zustand der Welt macht Frank-Walter Steinmeier wenig optimistisch. Foto: AP

Frank-Walter Steinmeier reist bald nach Russland, wie die Türkei ein schwieriger Nachbar. Der Bundesaußenminister verteidigt aber seine nicht konfrontative Haltung und beharrt auf dem Dialog, weil beide gebraucht würden – nicht zuletzt für Frieden in Syrien und der Ostukraine.

Herr Außenminister, Sie sagen immer wieder, die Welt sei aus den Fugen geraten. Wer hat den Kitt, um sie zu reparieren?
Wenn das so einfach zu beantworten wäre, wäre die Welt heute eine bessere! Wir sehen uns einer Vielzahl an komplizierten und gefährlichen Konflikte gegenüber. Ob in der Ukraine, in Syrien, in Libyen oder im seit Jahrzehnten ungelösten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern – jeder dieser Konflikte hat seine eigene Geschichte, Dynamik und Brisanz. Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander und eines ist offensichtlich: Ohne den Willen der beteiligten Akteure, sich auf eine Lösung einzulassen, werden wir keinen einzigen dieser Konflikte lösen. Das sehen wir aktuell im Ukrainekonflikt, bei dem uns eine Entschärfung, aber längst keine Lösung gelungen ist. Das sehen wir im Bürgerkrieg in Syrien, wo auf dem Rücken der Menschen ein tödliches Spiel um Macht und Einfluss in der Region getrieben wird. Von außen Lösungen herbeizuzaubern, ist da unmöglich.
Das hört sich nicht sonderlich optimistisch an.
Ja, das stimmt. Und dennoch dürfen wir nicht aufhören, uns zu engagieren, wo und wie wir es sinnvollerweise können – ob in der humanitären Hilfe, oder – gemeinsam mit den USA, Russland und den Nachbarstaaten Syriens – bei dem Bemühen um eine Beendigung des syrischen Bürgerkriegs.
Der Weltsicherheitsrat ist wegen des Streits mit Moskau etwa in Bezug auf Syrien blockiert, in der Ostukraine entfaltet sich ein „frozen conflict“. Es heißt, Sie würden bald nach Russland reisen, um einen neuen Gesprächsanlauf zu nehmen.
Wir reden ständig mit Russland. So schwierig das auch ist und so mühevoll mitunter jeder Millimeter Fortschritt errungen werden muss: ohne Russland wird es weder in der Ukraine noch in Syrien Frieden geben. Und ja, ich plane tatsächlich nächste Woche nach Jekaterinburg zu reisen, wo ich an der Boris Jelzin Universität eine Vorlesung halten und mit Studenten diskutieren werde. Natürlich treffe ich bei der Gelegenheit auch den russischen Außenminister. Gesprächsstoff gibt’s reichlich.
Sie sprechen anders als die Kanzlerin davon, dass die Russland-Sanktionen Stück für Stück zurückgenommen werden könnten, wenn es bei der Umsetzung des Minsker Friedensplans Fortschritte gibt. Was schwebt Ihnen genau vor?
Sanktionen sind kein Selbstzweck. Ziel unserer Bemühungen ist doch nicht die Aufrechterhaltung der Sanktionen, sondern die Lösung des Ukrainekonflikts. Deshalb haben wir sie bewusst an Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen gekoppelt. Wenn es dort handfeste Fortschritte gibt, können wir auch über eine Veränderung bei den Sanktionen nachdenken. Leider sind wir da noch nicht, aber wir arbeiten mit großem Zeitaufwand daran. Derzeit konzentrieren wir uns auf die dringend nötige Verbesserung der Sicherheitslage im Donbass, die die Einhaltung der vereinbarten Waffenruhe besser gewährleistet. Nicht weniger wichtig ist die Arbeit an einem Gesetz für Lokalwahlen in der Ostukraine, die zur Zeit stattfindet.
Putin, Erdogan, vielleicht bald auch Trump: Immer mehr Menschen scheinen sich von populistisch auftretenden starken Männern Lösungen zu versprechen. Bricht ein neues Zeitalter der Autokraten an?
Dass es nicht nur um Männer geht, zeigt ja das Beispiel von Marine Le Pen in Frankreich. Im Ernst: In diesen Zeiten, in denen die Welt zwischen einer Krise und der nächsten Krise hin- und hergeworfen ist, suchen viele Menschen nach einfachen Antworten. Das können wir in vielen Ländern, aber auch bei uns in Deutschland beobachten. Und das ist schon etwas, das mich umtreibt – dass dieser Populismus letztlich die Angst der Menschen vor einer immer unübersichtlicheren Welt ausnutzen will. Um echte Politik, darum, Lösungen für all die ganz realen Probleme zu finden, mit denen wir konfrontiert sind, darum geht es diesen Leuten nicht. Und das finde ich brandgefährlich.