Kundgebung gegen Rassismus und Gewalt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Staatsschutz ermittelt wegen eines Gewaltaufrufs gegen die Veranstalter der Anti-Rassismus-Reihe.

Stuttgart - Rassismus gibt es leider überall“, wird Stuttgarts Bürgermeister für Soziales und gesellschaftliche Integration, Werner Wölfle (Grüne), am Mittwochabend zum Auftakt der Internationalen Woche gegen Rassismus konstatieren. Sie findet seit 2008 bundesweit rund um den 21. März, den UN-Gedenktag gegen Rassismus, statt. In der Einladung zur Eröffnung im Rathaus weist er auch auf einen „Anstieg von rechtsmotivierter Gewalt und Beleidigungen von Menschen in sozialen Medien und auf offener Straße“ hin.

Die in der Initiative „Heimat“ aktiven Stuttgarter Organisatoren - Stadtjugendring, Forum der Kulturen, Jugend- und Kulturzentrum Forum 3, Büro für Antidiskriminierungsarbeit und SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano – können ein Lied davon singen. Kurz nachdem sie ein Gruppenfoto von der Pressekonferenz auf der Facebookseite des Stadtjugendrings veröffentlich hatten, hagelte es Beleidigungen und Drohungen. „Propagandaveranstaltungen mit eurer Scheiße ist das wenigste was die Jugend braucht“, meint etwa „Eva Wald“. Dafür erhielt sie auch Zustimmung von Reimond Hoffmann, dem AfD-Bundestagskandidaten für Rottweil-Tuttlingen.

Internetnutzer wünscht Veranstaltern den Tod

Die Polizei ermittelt gegen einen „Eduard Schneider“. Der Unbekannte rief im Internet dazu auf: „Alle auf dem Bild erschießen.“ Dies sei keine Drohung, sondern „mein seeligster Wunsch“. Außerdem sei er „ein Linker und kein Rechter“. Für Stadtrat Pantisano ist das nicht neu. Sein Engagement gegen Rechts hat ihm schon mehrmals Morddrohungen eingebracht.

Diese Reaktionen zeigten, dass auch in Stuttgart Veranstaltungen wichtig seien, die für ein respektvolles Miteinander auf Basis unserer demokratischen Werte werben, erklärt Stadtsprecher Sven Matis. Der Aufruf, die Veranstalter zu erschießen, „macht uns fassungslos“ Man prüfe „eine Strafanzeige, da auch ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung davon betroffen ist“ und sei wegen der Auftaktveranstaltung in Kontakt mit der Polizei.

Matis betont, man sei gerne Gastgeber für die Eröffnungsveranstaltung. Die Organisatoren würdigte er als Säulen der interkulturellen Bildungs- und Jugendarbeit. Dagegen ist die Aktionswoche für die AfD-Fraktion eine reine „Agitprop-Veranstaltung“, in der die „Partikularinteressen einer radikalen poltischen Mehrheit“ bedient würden. Sie beklagt, die Aktion richte sich eindeutig gegen die AfD. Die Stadt müsse die Eröffnungsveranstaltung im Rathaus absagen. Die angeblich im „linken bis linksextremen Spektrum“ angesiedelten Veranstalter hätten im Programmheft auf die Zunahme an rechtsextremer Gewalt hingewiesen und im Folgesatz auf das zweistellige Wahlergebnis der „rechtspopulistischen Partei AfD“. Die Passage sei „nicht hinnehmbar und wahrscheinlich strafwürdig“.

Stuttgart ist kein Brennpunkt rechter Gewalt

Die AfD-Stadträte Lothar Maier, Bernd Klingler und Eberhard Brett erinnern in einem Antrag an das in der Gemeindeordnung verankerte „beamtliche und behördliche Neutralitäts- und Mäßigungsgebot“. Es sei befremdlich, dass Werner Wölfle bei der Eröffnung spreche. „Frei nach Asterix – die spinnen, die AfDler“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Körner zur Aufforderung an den Gemeinderat, den Organisatoren die Zuschüsse von jährlich 600 000 Euro zu sperren, bis sie zu einem „halbwegs zivilisierten Umgang mit der Öffentlichkeit zurückkehren“.

Die AfD erklärt, es gebe „gar keine rechte Gewalt im eigentlichen Sinne in Stuttgart“. Das habe der Staatsschutz bestätigt.

In der betreffenden Verwaltungsausschusssitzung im Rathaus hatte ein Polizist ausgeführt, die Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität von rechts sei auch in Stuttgart eine wachsende Herausforderung. Die Stadt sei aber „kein Brennpunkt“. 2014 habe es 102 rechtsmotivierte Straftaten gegeben, ein Jahr später waren es bereits 194 und im ersten Halbjahr 2016 wurden 89 Straftaten aktenkundig.

Die Zahlen fürs ganze Jahr werden erst Ende des Monats veröffentlicht. Die Polizei wird aber die im Programmheft für die Anti-Rassismuswoche unterstellte Verdopplung im vergangenen Jahr nicht bestätigen können. Dafür bräuchte es drei Jahre.