Bundeskanzlerin Angela Merkel (2. von rechts, CDU) spricht im Ausbildungszentrum der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin mit jungen Auszubildendeng Foto: dpa

Junge Leute aus Zuwandererfamilien haben es bei der Suche nach einer Lehrstelle schwerer als andere. Viele Bewerbungen scheitern schon am Namen. Beim Integrationsgipfel kommt das Problem auf den Tisch. Eine Lösung liefert das Treffen nicht.

Berlin - Dann also hinaus in die Wirklichkeit der Betriebe. Bevor beim Integrationsgipfel gleich die graue Theorie von Regelungen, Statistik und Quoten regiert, haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz (SPD), aufgemacht, einen Ausbildungsbetrieb zu besuchen. Die Berliner Verkehrsbetriebe sind ihnen für den Praxistest genau die richtige Adresse: Dort haben 30 Prozent der Auszubildenden Migrationshintergrund.

Berührungsängste? Merkel wird prompt gefragt, wann für sie Integration geschafft, also vollendet sei? Die Antwort ist schlicht: Dann, wenn junge Menschen ausländischer Herkunft mit der gleichen Selbstverständlichkeit einen Schulabschluss, einen Ausbildungsplatz haben oder ein Studium absolvieren wie ihre Altersgenossen der Mehrheitsgesellschaft. Merkel trocken: „Insofern haben wir noch was zu tun.“

Doch unstrittig ist für Merkel, dass allein der Name allzu oft immer noch vorentscheidend sei, ob ein Bewerber überhaupt zum Gespräch eingeladen wird. Namensbeispiele sitzen neben ihr. Staatsministerin Özoguz oder auch Nihat Sorgec, Geschäftsführer des Bildungswerkes in Kreuzberg. Sorgec betont, es gebe auch in der deutschen Einwanderungsgesellschaft immer noch „gewisse Diskriminierung“ von Bewerbern mit fremd klingenden, nicht-deutschen Namen.

Merkel will nichts verbindlich machen

Der Mann aus der Praxis spricht sich denn auch für „anonymisierte Bewerbungsverfahren“ aus, bei denen beispielsweise persönliche Daten in einem Online-Bewerbungssystem blind geschaltet beziehungsweise geschwärzt würden. Merkel wiederum will Unternehmen zu solchen anonymisierten Bewerbungsverfahren für eine bessere Chancengleichheit nicht verpflichten. Ihr wäre ein Land lieber, in dem sich die Bewerber Özoguz oder Sorgec mit hoher Selbstverständlichkeit auf einen Ausbildungsplatz bewerben könnten, ohne dabei Nachteile befürchten zu müssen.

Die Bundeskanzlerin verweist darauf, dass Deutschland bei Menschen aus dem Ausland aktuell äußerst beliebt ist – nach einer OECD-Studie das zweitbeliebteste Einwanderungsland hinter den USA. Dies habe auch mit dem deutschen Arbeitsmarkt zu tun. In diesem Jahr seien 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert. Zieht man die Abwanderung ab, blieben immer noch 430 000 Menschen, die Deutschland als neue Wahlheimat gewählt hätten. Integration sei dabei aber keine Einbahnstraße. „Beide Seiten müssen sich bewegen“, so Merkel. Auch die aufnehmende Mehrheitsgesellschaft, wie sie betonte. Personalchefs müssten umdenken. Die türkischstämmige Integrationsbeauftragte Özoguz lehnte ein Punktesystem für Zuwanderer ab, nach dem Deutschland auswählt, wer ins Land darf und wer nicht.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich zurückhaltend zu Plänen in der CDU geäußert, ein Punktesystem für eine gezielte Zuwanderung einzuführen. „Ich glaube, dass wir heute schon Mittel und Wege haben, wie man Fachkräfte beurteilen kann“, sagte die CDU-Vorsitzende nach dem 7. Nationalen Integrationsgipfel am Montag in Berlin. Es gebe auch bereits Sonderregeln für Berufe, die in Deutschland besonders nachgefragt würden.

Ausländer häufiger ohne Berufsabschluss

Im Entwurf des wirtschaftspolitischen Leitantrags der CDU-Führung wird dagegen eine koordinierte Zuwanderungspolitik für ausländische Fachkräfte vorgeschlagen, die durch ein Punktesystem gesteuert werden soll. „Wir brauchen klare Kriterien für Zuwanderung. Schul- und Bildungsabschlüsse, Sprachkenntnis, der Wille zur Integration und der Bedarf des Arbeitsmarkts können in einem Punktesystem solche Kriterien sein“, heißt es in einem Entwurf des Antrages des CDU-Bundesvorstandes für den Parteitag kommende Woche in Köln, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, mahnte nach dem Integrationsgipfel: „Am Ende des Tages werden wir als Deutschland das Thema Fachkräftemangel nur hinbekommen, wenn wir es schaffen, jeden Migranten auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.“ Junge Ausländer bleiben mit einer Quote von 30,5 Prozent fast drei Mal so häufig ohne Berufsabschluss wie junge Deutsche.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, betonte die Bedeutung einer „Willkommenskultur“ für gelungene Integration. Ausbilder bräuchten „interkulturelle Kompetenz“, um Mitarbeiter ausländischer Herkunft gut zu betreuen und sie für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Hoffmann: „Es ist in der Tat noch viel zu tun.“

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