Muslime sitzen und stehen beim Freitagsgebet in der Eyüp-Sultan-Moschee in Nürnberg. Die Moschee in der Nürnberger Südstadt ist die größte Moschee in Bayern. Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Eine aktuelle Studie beleuchtet Deutschland als Einwandererland. Im Interview spricht Politikwissenschaftler Steffen Beigang über Moscheenbau und Kopftücher.

Herr Beigang, Sie haben in Ihrer Studie untersucht, wie es um Deutschland als Einwanderungsland bestellt ist. Darin ist auch vom Klischee des „deutschen Wir“ die Rede – wer gehört dazu? Und wer nicht?
Wenn es um die Definition eines „deutschen Wir“ geht, werden von den Befragten als wichtigste Kriterien diejenigen genannt, die man erwerben kann. Zum Beispiel das Sprechen der deutschen Sprache oder der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Allerdings nennen auch etwa 40 Prozent Kriterien, die nicht einfach zu erwerben sind – auch wenn man schon Jahrzehnte in Deutschland wohnt. Wie etwa akzentfrei Deutsch zu sprechen, deutsche Vorfahren zu haben oder auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten.
Im zweiten Teil der Studie, die Sie an diesem Dienstag in Stuttgart vorstellen, liegt der Fokus auf den Jugendlichen – können die sich mit Deutschland identifizieren?
Interessant ist, dass deutsch sein insgesamt ein sehr positives Bild erzeugt, auch bei den Jugendlichen. Der Aussage „Ich liebe Deutschland“ stimmen über 80 Prozent aller Befragten zu. Und dies sagen sowohl Deutsche mit Migrationshintergrund als auch Deutsche ohne Migrationshintergrund. Dieser positive Ansatz zeigt sich auch bei der Frage, welches historische Ereignis Deutschland prägt. Fast die Hälfte der Befragten nennt da die Wiedervereinigung, auch bei den Jugendlichen sagen das etwa 40 Prozent. Allerdings gelten bei noch 25 Prozent der Jungen der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg als historische Bezugspunkte. Bei den Älteren sind das nur 16 Prozent.
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Die Debatte über den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ wird gerade wieder hitzig geführt. Was sagen Sie, basierend auf der Studie: Gehört der Islam zu Deutschland?
Das ist einerseits eine abstrakte Frage von Zugehörigkeit, also zum Beispiel: Wird das Kopftuch als gleichberechtigtes Symbol akzeptiert oder nicht? Andererseits wird die Frage sehr konkret, wenn es darum geht, Recht anzuerkennen. Das beste Beispiel ist hier der Bau von Moscheen.
Warum?
Gotteshäuser zu bauen ist ein Recht, das jeder Religion gleichermaßen zusteht. Interessant ist, dass deutlich weniger Konflikte auftreten, wenn Christen Kirchen bauen, als wenn Muslime Moscheen bauen wollen. Ein anderes aktuelles Beispiel ist, wenn muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen möchten. Wenn man tatsächlich den Islam als zu Deutschland gehörig erkennt, dann geht es natürlich nicht, dass man religiöse Symbole von einer Religion, wie das Nonnenhabit, gegenüber denen einer anderen bevorzugt. Ich glaube also, wir sind erst auf dem Weg dahin, dass der Islam zu Deutschland gehören könnte.
Welche Erkenntnis hat Sie bei dieser Studie am meisten überrascht?
Die hohe Zustimmung der Jugendlichen zu dem Kopftuch muslimischer Lehrerinnen. In der Gesamtbevölkerung spricht sich eine knappe Mehrheit für das Recht aus, dass muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen. Bei den Jugendlichen sind es über 70 Prozent. Es ist interessant, dass die Gruppe, die mit dem Symbol in der Schule konfrontiert wäre, dagegen am wenigsten hat.
Woran liegt es, dass Jugendliche weniger ausgrenzen als Erwachsene?
Sie haben in ihrem Alltag häufiger Kontakt zu Muslimen oder zu Menschen mit Migrationshintergrund. Für sie ist dieses Zusammenleben in Vielfalt längst eine Selbstverständlichkeit. Sie sind in einer Zeit aufgewachsen, in der die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, gar keine Frage mehr war, sondern bereits ein Fakt. Die jungen Menschen sind einfach anders geprägt.