Horns „Glowing Core“ in Palma de Mallorca Foto: La Llotja/Rebecca Horn

Ungewöhnliche Kunst an ungewöhnlichem Ort? Die deutsche Künstlerin Rebecca Horn bietet sie mit der Installation „Glowing Core“ (Glutkern) in Palma de Mallorcas alter Seehandelsbörse La Llotja.

„Glowing Core“ (Glutkern) heiß die Installation von Rebecca Horn, die derzeit in Palma de Mallorcas alter Seehandelsbörse La Llotja (erbaut nach Plänen des Architekten Guillem Sagrera aus Felanitz/Mallorca in den Jahren 1426–1447) zu sehen ist. Ein hochkomplexes, alle Sinne ansprechendes Werk, eine vertikale Skulptur, die den Menschen zwischen Himmel und Erde einspannt.

Langsam kreisende Spiegel reflektieren das Licht und Fragmente des Raumes. Diese Skulptur, in der symbolisch die Pole menschlichen Seins – Werden und Vergehen – erlebt werden und die eigens für das Gebäude geschaffen wurde, ist von 16 horizontal ausgerichteten Skulpturen umgeben. Hinter flachen, mit Wasser gefüllten mattgoldfarbenen Bodenschalen stehen skulpturale Zeichen, die in ihren Maßen die Person des Betrachters im Spiegel zeigen und wandernde Lichter in den hohen Raum werfen.

Die 16 horizontalen Skulpturen sind jeweils von einem Totenkopf gekrönt – der eiserne Abguss einer „capuzzelle“. Capuzzelle sind Totenschädel, die die Künstlerin bei den Recherchen für ihre Installation „Spiriti di Madreperla“ in den Katakomben von San Gaudioso in Neapel fand. 333 dieser Köpfe haben Rebecca Horns künstlerische Arbeit von Berlin über New-Delhi, Maribor und Moskau bis jetzt nach Palma de Mallorca begleitet. Hier sind sie in Anordnung und Funktion zum Schutzwall des Glutkerns der Erde geworden. Die schützende Wirkung wird verstärkt durch goldfarbene Antennen und Feigenkakteen, weitere Attribute der 16 horizontalen Skulpturen.

Es geht um Schönheit, Trauer und Tod

Für das existenzielle Sehnen des Menschen, wissen zu wollen, was es mit Schönheit, Trauer und Tod auf sich hat, hat Rebecca Horn mitten im Herzen dieser pulsierenden, oft zu lauten Touristenmetropole einen ganz eigenen Ort geschaffen: Schaut der Betrachter in die rotierenden Spiegel, fällt er optisch fast 20 Meter in die Tiefe eines Brunnenschachtes. Richtet er den Blick nach oben, steigt er mit einem blauen Lichtwirbel in ein goldenes Firmament. Der Besucher kann durch seine Blickrichtung den bodenlosen Fall oder die Himmelfahrt wählen.

Rebecca Horns Kunstwerke sind immer Gleichnisse fragiler menschlicher Existenz. Wie in unzähligen anderen Werken fügt die Künstlerin auch in „Glowing Core“ multimediale Mittel zum Gesamtereignis: Es ist die Musik, die an stilleren Abenden den Besucher durch das zu den Öffnungszeiten von La Llonja weit geöffnete östliche Hauptportal in das Meisterwerk gotischer Architektur im Süden der Altstadt zieht. Meditativ wirkende Saxofonmusik wechselt mit Obertongesang, hohe Tonlagen mit Pfeifen und tiefen Bässen.

Die betörend schöne Musik- und Soundcollage ist eine Komposition des 1975 geborenen neuseeländischen Musikers Hayden Chisholm. Der 2013 mit dem SWR-Jazzpreis ausgezeichnete Künstler arbeitet seit Jahren mit der im Odenwald geborenen Rebecca Horn zusammen. Er komponierte die Musik zu den Installationen „Light imprisoned in the belly of the whale“ (2002), „Spiriti di Madreperla“ (ebenfalls 2002) und „Moon Mirror“ (2003). Einmal im Bann der Musik in La Llotja, ist das Erleben des „Glowing Core“ eine ästhetisch überwältigende und zugleich sinnliche Einladung, sein irdisches Dasein mit dem Kosmos zu verbinden. Eine Chance, die Flüchtigkeit der Tage und die Unruhe der Nächte durch sakrale Schönheit in einem magischen Raum zu tauschen.

„Glowing Core“ ist bei freiem Eintritt bis zum 1. Oktober täglich von 10 bis 14 und 17 bis 23 Uhr zu erleben. Die Installation „Light imprisoned in the belly of the whale“ ist ebenfalls in Palma de Mallorca anzuschauen – im Museum „Es Baluard“. Öffnungszeiten bis Ende September täglich außer Montag von 10 bis 22 Uhr.