Der Agrarroboter Bonirob von Bosch ist eine Start-up-Idee gewesen. Foto: dpa

Immer mehr Firmen wollen durch die Zusammenarbeit mit Start-ups innovativer werden. Eine Fachkonferenz in München lotete Möglichkeiten und Grenzen dieses Modethemas aus.

München - Die Liste an aktuellen, teilweise erst wenige Monate alten Projekten ist inzwischen lang. Ob Deutsche Bahn, ProSiebenSat1 oder der Versandhändler Otto im Dienstleistungs- und Medienbereich, oder ob Bosch, Trumpf im Bereich der Technologie – Innovationsprojekte, Start-up Beschleuniger und Kooperationen mit jungen Unternehmen schießen zurzeit geradezu aus dem Boden. Allen ist eines gemeinsam: Die etablierten Unternehmen in Deutschland haben allmählich begriffen, dass schrittweise Innovationen nicht mehr reichen. Es braucht radikal neue Ideen – und die entstehen nicht in traditionellen Unternehmensstrukturen. Die Konferenz in München wurde vom Veranstaltungszweig des Süddeutschen Verlags ausgerichtet, an dem auch die Eigentümer von Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten beteiligt sind.

Alle machen es, niemand will zurückbleiben

Auf die Frage, warum Bosch beispielsweise seit einigen Jahren eine eigene Start-up GmbH hat, die bisher vor allem eigene, kreative Mitarbeiter zu Gründern machen soll, gab deren Chef Peter Guse eine entwaffnende Antwort: „Weil es alle anderen auch machen.“ Hintergrund sei nicht nur ein gewaltiger Wandel in der Industrie, sondern auch in der Gesellschaft. „Wir wollen eine Heimat für Selbstverwirklicher werden“, sagte Guse im Hinblick auf den Wertewandel der jüngeren Generation.

Talentierte und besonders kreative Leute können man heute oft nur locken, wenn man ihnen den Freiraum lasse, den sie in einem eigenen Start-up hätten. Die Hälfte seiner 70 Mitarbeiter seien von Bosch in die Start-up GmbH gewechselt – völlig aus eigenem Antrieb.

Der technologische Fortschritt im Zeitalter der Digitalisierung sei inzwischen so schnell, dass traditionelle Entwicklungsprozesse viel zu langsam seien, sagte Andreas Popp, der Technologie-Scout des Maschinenbauers und Laserspezialisten Trumpf. „Für uns schließt ein Start-up häufig die Lücke zwischen Forschung und Marktreife“, sagte Popp. Wenn Trumpf in junge Unternehmen investiert, treibt das Unternehmen nicht zentral das Renditeinteresse: „Wir suchen eine stabile, innovative Lösung, aber wir müssen nicht der erste am Markt sein.“

Auch der Leuchtenhersteller Osram – der sein traditionelles Geschäftsfeld gerade verkauft – sucht seit einigen Monaten mit seinem Start-up-Zweig Fluxunit sowohl bei internen Mitarbeitern als auch bei externen Gründern nach neuen Ideen. Intern gehe es unter anderem darum, den vorhandenen, talentierten Ingenieuren das geschäftsorientierte Denken nahezubringen, sagte Fluxunit-Geschäftsführer Ulrich Eisele: „Der Mitarbeiter verzichtet dann schrittweise auf sein bisheriges Gehalt und kann dafür Kunden und Anteile an seinem Start-up bis zu einer Mehrheitsbeteiligung erwerben.“ Zusätzlich puffert Osram dies mit einer Rückkehrgarantie – während Bosch ein solches Recht nicht offeriert.

Start-up-Kultur ist nicht gleich Start-up-Kultur

Zwischen technologiegetriebenen Projekten, wie sie für Baden-Württemberg typisch sind und der etwa in Berlin verankerten Start-up-Kultur liegt aber offenbar immer noch ein Graben – trotz des modischen Slogans von den Start-up-Kooperationen. Maks Giordano von der Berliner Innovationsberatung Kreait nannte radikale Beispiele für den nötigen Kulturbruch: „Die meisten Start-ups, die es nicht schaffen, sind diejenigen, die es zu perfekt machen wollen.“ Das Prinzip sei: „Scheitere schnell, scheitere klug, scheitere glücklich.“ Er plädierte für Schmierzettel statt für Lastenhefte. Sebst ein Tesla sei erst kein gutes Produkt gewesen und dann kontinuierlich und vor allem schnell verbessert worden. Giordanos Beispiele stammten aber eher aus der Welt der Dienstleistungen als der Technologie.

Noch betasten sich die ungleichen Partner eher vorsichtig. Partnerschaften zwischen Firmen und Gründern gibt es bisher vor allem in der Phase, in der Start-ups schon über erste Ideen hinausgekommen sind, aber noch die Begleitung und Unterstützung durch ein etabliertes Unternehmen gebrauchen können.

Sie sind also in der Regel nicht auf ein Stadium ausgelegt, in dem ein junges Unternehmen massiv aus eigener Kraft expandieren will und dafür Kapital im ein- oder zweistelligen Millionenbereich aufnehmen muss. „Die etablierten Firmen kaufen nichts – und das ist eines der Probleme, die wir in Deutschland haben“, sagte Alex von Frankenberg, der Geschäftsführer des deutschen Hightech-Gründerfonds. An radikal andere Ideen werde man aber über Kooperationen nicht herankommen.

Doch für Unternehmen wie Trumpf oder Bosch ist das gar bisher gar nicht das Ziel. Trumpf-Experte Popp: „Wir beteiligen uns mit Minderheitskapital und wollen Zugriff auf Technologien, die für unser Kerngeschäft relevant sind“. Man wolle frühzeitig wissen, was das eigene Geschäftsmodell vielleicht umkrempeln könne, sagte Bosch-Start-up-Experte Guse: „Die Start-ups, die glauben, selber reich und glücklich zu werden, kommen nicht zu uns. Wir werden bei uns nie das nächste Google haben.“