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Anonyme Kennzeichnung soll eine schnellere Aufklärung von Vorwürfen in Zweifelsfällen bringen.

Als neuer SPD-Innenminister hat sich Gall vorgenommen, die Polizei technisch und personell aufzurüsten. Damit will er einen Gegenpol zur schwarz-gelben Vorgängerregierung setzen. Diese hat seiner Meinung nach die Sicherheitskräfte stiefmütterlich behandelt. Stuttgart (dpa/lsw) - Baden-Württembergs neuer Innenminister Reinhold Gall (SPD) will das Personal bei der Polizei aufstocken. „Wir müssen einen Zahn zulegen, auch weil der Polizei immer mehr Aufgaben aufgebürdet wurden. Mein Bestreben ist es, für das kommende Jahr die Zielmarke von 1200 Neueinstellungen anzupeilen“, sagte Gall in Stuttgart. Damit würde die Stellenstreichung der schwarz-gelben Vorgängerregierung teilweise wieder rückgängig gemacht.

Gall: Uniformen von Polizisten mit Code versehen

Einen großen Aufschlag plant Gall in den nächsten fünf Jahren bei der Ausstattung der Polizei. „Dort gibt es einen Investitionsstau von 300 Millionen Euro. Bei der Polizei wurde seit 2005 in wichtigen Teilbereichen nicht mehr nennenswert investiert. Das möchte ich ändern“, sagte Gall. Das heißt: Neue Spezialfahrzeuge, bessere Analysegeräte und moderne Computerausstattung. Wie das bezahlt werden könne, werde zentraler Teil aller künftigen Haushaltsberatungen. Zudem plant Grün-Rot, die Uniformen von Polizisten mit einem Code zu versehen, um sie im Einsatz leichter identifizieren zu können. Mit diesem anonymen Kennzeichnungssystem erhofft sich Gall eine schnellere Aufklärung von Vorwürfen gegen Beamte bei unübersichtlichen „Großlagen“. Gall: „Ich möchte dazu beitragen, dass die Bürger nicht das Gefühl haben, da wird etwas vertuscht. Sollte sich jemand daneben benommen haben, gehen wir dem nach.“ Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Uli Sckerl, bekräftigte: „Das gehört zum Leitbild einer bürgernahen Polizei.“

Innenminister verspielt Sympathien

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) wehrt sich jedoch massiv gegen ein solch „kollektiv-politisches Misstrauen gegen die Rechtmäßigkeit der Polizei“. „Bei diesem Thema ist der Innenminister drauf und dran, zahlreiche Sympathien aufs Spiel zu setzen. Nicht mit uns“, sagte Gewerkschaftsvorsitzender Joachim Lautensack. Die anonyme Kennzeichnungspflicht dient laut Gall auch dem Schutz der Polizisten und ihrer Familien. „In der Vergangenheit kam es zu Aggressionen, die sich gegen Familienangehörige richteten. Das ist nicht akzeptabel - wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten.“ Mit welchen Kennzeichen genau die Beamten ausgestattet werden sollen, ist noch nicht geklärt. Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte beschlossen, von 2008 bis 2013 jährlich 800 Polizeianwärter auszubilden, um die anstehende Pensionswelle abzufedern. Gleichzeitig wurde die Zahl der Vollzeitstellen bei der Polizei von rund 24.600 Ende 2007 bis zum Jahr 2010 auf 23.700 abgebaut. „Das 800er-Programm wird nicht ausreichen, um den Abbau zu kompensieren“, betonte Gall.

Mit Neueinstellungen auf doppelten Abiturjahrgang reagieren

Der Minister will mit den zusätzlichen Neueinstellungen 2012 auch auf den doppelten Abiturjahrgang reagieren und gut ausgebildete Schüler für den Polizeidienst gewinnen. „Wir sind gut beraten, die Fühler auszustrecken nach Menschen mit entsprechenden Qualifikationen, weil der Polizeiberuf ein schwerer Beruf ist. Wir wollen deshalb auf die Qualität vieler Abiturienten nicht verzichten.“ Bei der Polizei solle es aber weiterhin Einstiegsmöglichkeiten mit dem mittleren Bildungsabschluss geben. „Gleichzeitig streben wir die zweigeteilte Laufbahn an und wollen dort die Zahl derer, die im gehobenen Dienst bei der Polizei sind, erhöhen.“ Lautensack fragt sich, wie und auf welcher Zeitschiene Gall die Polizisten in den gehobenen Dienst bringen will. „Das ist doch die Gretchenfrage. Hier geht es um verlässliche berufliche Perspektiven für eine Vielzahl von Kollegen, die schon seit Jahren Dienst bei der Polizei schieben.“

Die Beamten interessiere relativ wenig, wie viele Abiturienten künftig eingestellt werden sollen. „Die wollen am eigenen Leibe spüren, was die neue Landesregierung konkret für sie tut.“ Die Aufrüstung bei der Technik in den Bereichen Internet- und Wirtschaftskriminalität bezeichnete Gall als absolut notwendig. „Wir haben uns vorgenommen, die technischen Defizite zu minimieren. Wir müssen die Polizei dort hinbringen, wo sie sein muss. Das kostet alles richtig Geld“.