Ann-Elise Layer (Mitte) hilft Finn und Miriam bei der Aktivitätensuche. Foto: C. Friedmann

Ein Inklusionsprojekt soll jungen Menschen mit leichter geistiger Behinderung das Leben erleichtern.

Untertürkheim - Wer frisch in eine neue Stadt zieht, kennt das Problem: Man muss sich erst mal orientieren, neue Freunde finden, sich neue Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten suchen – und Möglichkeiten finden, seine Freizeit sinnvoll zu verbringen. Diese Herausforderung kennen auch die acht jungen Menschen, die im „Ambulant Betreuten Wohnen“ des Anna Haag Mehrgenerationenhauses an der Nebelhornstraße in Untertürkheim leben. Für sie war der Umzug in die dortige Wohngemeinschaft wohl noch ein wenig schwieriger als für andere Menschen. Denn die acht jungen Erwachsenen haben allesamt eine leichte geistige Behinderung. Doch mit Hilfe des Projekts „Freunde finden“ sollen sie in Untertürkheim Anschluss – und eben neue Freunde – finden.

„Alle jungen Erwachsenen, die an der Nebelhornstraße leben, haben im Anna-Haag-Haus eine berufliche Förderung erhalten und sind nun in einem Beschäftigungsverhältnis“, erklärt die Projektleiterin und Sozialpädagogin Ann-Elise Layer. „Das Projekt soll helfen, sie im Gemeinwesen zu integrieren, damit sie in Untertürkheim wohnen, leben und sich ein soziales Netz aufbauen können.“

Die jungen Leute sind sehr schüchtern

Die Bewohner des Hauses an der Nebelhornstraße sind alle zwischen 21 und 25 Jahre alt und – wie Ann-Elise Layer erklärt – „sehr schüchtern“. Daher ist es für sie nicht gerade einfach, neue Kontakte zu knüpfen. Um ihnen den Start in Untertürkheim zu erleichtern, hat Layer die jungen Erwachsenen bei ihrem Einzug unterstützt, ihnen gezeigt, wo Supermärkte, Ärzte und Bus- und Bahnhaltestellen zu finden sind. Damit sich die Bewohner untereinander besser kennenlernen, kochen sie gemeinsam oder verkaufen Gebäck und Selbstgebasteltes beim Untertürkheimer Weihnachtsmarkt. Ein Adventsfest mit den Nachbarn ist ebenfalls schon geplant. Außerdem versucht Ann-Elise Layer in Gesprächen herauszufinden, welche Freizeitangebote zu den Interessen ihrer Schützlinge passen könnten. Um deren Wünsche zu realisieren, tritt Layer auch in Kontakt mit Vereinen. „Die müssen aber schon ein bisschen offen sein und Geduld mit den jungen Leuten haben“, sagt Layer. „Sonst klappt das nicht.“ Einige der Bewohner haben auf diese Art und Weise bereits ein neues Hobby gefunden. „Ein Bewohner ist in der Untertürkheimer Narrenzunft aktiv und hat dort auch einen Kumpel gefunden“, erzählt Layer. „Ein anderer spielt jetzt Schach und Fußball.“

Bei der Förderung von Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung sei der Freizeitbereich bisher meist vernachlässigt worden, sagt Britta Kurz vom Anna Haag Mehrgenerationenhaus. Diesen Bereich wolle man mit dem Projekt stärken. „Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen die acht jungen Leute in Vereinen und Gemeinschaften integriert sein, Freizeitaktivitäten entwickelt und Selbstständigkeit gelernt haben“, so Kurz.

Vom Chor über Fitness bis zum „Gassigeh-Kurs“

Der 21-jährige Finn nimmt privat Englischunterricht und hat vor wenigen Wochen angefangen, in einem Fitnessstudio Sport zu treiben. Ab und zu ist er auch künstlerisch aktiv: Kürzlich hat an der Aktion „Heimat-Kunst im Rahmen“ teilgenommen und gemeinsam mit einer Mitbewohnerin ein großformatiges Graffiti gesprüht, das seit dem 21. Oktober 2016 im Hof des Kindertreffs an der Strümpfelbacherstraße 38 zu sehen ist. Finns größte Leidenschaft gilt aber der Musik. Deshalb ist er nun auf der Suche nach einem Chor, bei dem er mitsingen kann.

Die 22-jährige Miriam ist erst im September in die Untertürkheimer Wohngemeinschaft eingezogen. Doch schon jetzt spielt sie mit ihren Mitbewohnern leidenschaftlich gerne Fußball. Auch ihr Job als Küchenkraft in einer Kindertagesstätte macht ihr Spaß. Einen Wunsch will sich Miriam aber gerne noch erfüllen: Zur Zeit nimmt sie an einem „Gassigeh-Kurs“ des Esslinger Tierheims teil. „Danach will ich einen Hund suchen, mit dem ich regelmäßig spazieren gehen kann“, sagt Miriam. „Und später möchte ich selber einen Labrador, Golden Retriever oder einen Berner Sennenhund haben.“