Inklusiver Unterricht an Regelschulen belastet die Lehrer der Förderschule. . Foto: dpa

Die Inklusion hat die Hasenbergschule mit so viel Mehrarbeit befrachtet, dass Eltern nun befürchten, ihre Kinder könnten nicht mehr angemessen betreut werden. Die Lehrer unterrichten an unterschiedlichen Schulen und eilen in den Pausen von der einen zur anderen.

S-West - Inklusion ist richtig und sie hat Bewegung in die Hasenbergschule gebracht – da sind sich die Schulleiterin Marlies Friesch und ihre Stellvertreterin Maike Diener-Cartes einig. Denn als sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen (SBBZ Lernen) ist die Schule seither eng mit zahlreichen Schulen im Westen und in Botnang vernetzt. Gute Kontakte hätten sich entwickelt, sagt Diener-Cartes. Sonderschulpädagogen der Förderschule betreuen seit Einführung des inklusiven Unterrichts Schüler mit Behinderungen an der Falkertschule, der Schlossrealschule, der Schlossrealschule für Mädchen, der Schwabschule, der Vogelsangschule und der Kirchhaldenschule. Das aber gehe zu Lasten der Schüler an der Hasenbergschule, sagen die Eltern. „Wir Eltern des SBBZ Lernen sind besorgt um die Schulbildung unserer Kinder“, sagt December Lynn Zawinell, die stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirates.

Weniger Förderung als früher

Wenn von Inklusion gesprochen werde, liege das Augenmerk meist auf den behinderten Schülern. „Aber was Inklusion mit der Förderschule macht, wird nie gefragt“, sagt auch die stellvertretende Schulleiterin. Zawinell berichtet, die Eltern hätten den Eindruck, „dass die Selbstständigkeit und das Sozialverhalten unserer Kinder nicht mehr in der Weise gefördert werden, wie in vergangenen Zeiten“. Das sei insbesondere Eltern aufgefallen, die bereits ein zweites Kind auf die Förderschule schickten und vergleichen könnten. Kinder erzählten, dass sie ihre Lehrer „oft auf dem Sprung“ erlebten. Die Besprechung von Konflikten etwa werde häufig vertagt, weil die Lehrer noch an eine andere Schule müssten. „Wir haben die Befürchtung, dass die für Förderschüler so wichtige Beziehungsarbeit zu kurz kommt und damit eine gute Lernentwicklung verhindert wird“, folgert Zawinell.

Unterricht fällt aus

Zwar sei ihr Lehrerkollegium hoch motiviert und über die Maßen engagiert, versichern Friesch und ihre Stellvertreterin, aber zu dünn besetzt. Für die neuen Aufgaben in Sachen Inklusion seien keine weitere Pädagogen eingestellt worden. Ein Blick in den Stundenplan bestätigt, dass die Lehrer tatsächlich ständig „auf dem Sprung“ sind: Da unterrichtet eine Pädagogin zwei Stunden an der Hasenbergschule, wechselt dann zur Schlossrealschule, um die sechste Stunde wieder an der Hasenbergschule vor der Klasse zu stehen. So geht das die ganze Woche hindurch. Besser kriege man es nicht hin, denn schließlich müsse man die Stundenpläne der anderen Schulen berücksichtigen.

Eine Mutter hat kürzlich die Lehrer der Hasenbergschule befragt, und sie bestätigten die Eindrücke der Eltern, berichtet Zawinell. Die Lehrer seien zwar vom Konzept der Inklusion an sich überzeugt, doch fehlten ihnen für diese Arbeit die zeitlichen Ressourcen. All dies deckt sich auch mit den Erkenntnissen der Schulleitung. „Unsere Lehrer sind nach relativ kurzer Zeit extrem ausgepowert. Früher war es immer erst kurz vor den Sommerferien so weit, dass sie dringend Erholung brauchten. Heute hangeln sie sich quasi von Ferien zu Ferien“, berichtet Friesch.

Inzwischen bleibe den Lehrkräften auch nur noch wenig Zeit für den sonderpädagogischen Dienst, der zu den Aufgaben der Schule gehört. Hier werden Kinder, Eltern und Lehrer an allgemeinen Schulen beraten. Die Frühberatungsstelle berät und unterstützt ferner Eltern von Kindern im Kindergartenalter. An der Lernwerkstatt werden Grundschüler mit Schwierigkeiten in Mathematik unterstützt und gefördert sowie Fortbildungen für Lehrer an Grund- oder anderen Sonderschulen abgehalten. „Wir bekommen für die Beratung kein Lehrdeputat“, sagt Friesch. Die Lehrer quetschten die Beratungstermine zwischenrein. Dabei sei der Beratungsbedarf an den Regelschulen groß. Überhaupt keine Ressourcen gebe es mehr für Förderunterricht an der Hasenbergschule. „Davon können wir nur träumen“, sagt Diener-Cartes. Tatsächlich schaffe man nicht einmal mehr das geforderte Unterrichtskontingent: „Zwei bis drei Schulstunden fehlen uns in der Woche.“ Die Schulform des SBBZ drohe ausgehöhlt zu werden.

Die 18 Lehrkräfte für fast 60 SBBZ-Schüler und gut 50 Inklusionsschüler seien schlicht zu wenig, sagt die Schulleitung, es bräuchte mindestens zwei Lehrkräfte mehr. Wünschenswert wären laut Friesch und Diener-Cartes außerdem Konzepte für den inklusiven Unterricht an den Regelschulen sowie Inklusionspädagogen, die mit im Unterricht sitzen. Doch selbst, wenn das Land alle Wünsche erfüllen wollte: All diese Spezialpädagogen stehen nicht auf dem Arbeitsmarkt parat, sie müssen erst noch gebacken werden – und nicht bloß für die Hasenbergschule.