Kinder können spielend schwimmen lernen – wie hier im Heslacher Hallenbad. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Nur 77 Prozent der Viertklässler können sich das Abzeichen Seepferdchen anheften und sich wie ein Fisch im Wasser tummeln. Abhilfe will die Stadt Stuttgart mit der Initiative Schwimmfit schaffen.

Stuttgart - Die gute Nachricht zuerst: Dank akribischer Recherche wurden tatsächlich Bäder und Lehrschwimmbecken gefunden, die noch nicht total ausgebucht sind und Kapazitäten für den Schwimmunterrichtfrei haben: „Für 155 Stunden und damit für 200 neue Kurse pro Woche, die jeweils 45 Minuten dauern“, kann Martin Schairer, Bürgermeister für Sicherheit, Ordnung und Sport, beim „Schwimmgipfel“ am Dienstag im Rathaus verkünden. Er wurde einberufen, um die Initiative „Schwimmfit – sicher schwimmen in Stuttgart“ zu starten und das Konzept vorzustellen.

„Es ist nicht gut um den Schwimmunterricht bestellt“

„Denn“, so Schairer, „es ist nicht gut bestellt um den Schwimmunterricht in unserer Stadt.“ Es könne nicht sein, dass ein 13-jähriger Bub wie im letzten Sommer im Botnanger Freibad ertrinkt, weil er noch nicht schwimmen kann. Und es schmerzt, dass Stuttgart mit seinen zehnjährigen Seepferdchen-Absolventen im Städte-Ranking nur an neunter Stelle steht. Gegen diesen Missstand hat Schairer zusammen mit Schulbürgermeisterin Isabel Fezer und dem Bürgermeister für Technik, Dirk Thürnau, die Initiative „Schwimmfit“ gestartet. „Schwimmen können“, betont Isabel Fezer, „ist Teil der Grundfertigkeiten, die ein Kind spätestens mit zehn Jahren beherrschen sollte und die daher zwingend zum Bildungsauftrag gehört, den wir erfüllen müssen.“ Dem kann Thürnau nur beipflichten: Umso mehr, als er ausgebildeter Rettungstaucher sei.

Ämter, Vereine, Verbände – alle in einem Boot

Dafür werden nun alle Anstrengungen für eine deutliche Verbesserung in einer Allianz gebündelt, zu der nicht nur die zuständigen Ämter, Schulbehörden und Eigenbetriebe wie die Bäderbetriebe Stuttgart gehören. Sondern auch Vereine und Verbände, die mit ins Boot geholt werden.

Beim Schwimmgipfel herrscht Einigkeit zwischen den Vertretern der Stadt und der Vereine und Verbände wie dem Schwimmverband Württemberg, der Deutschen Lebensrettungsgesellchaft (DLRG) oder auch dem Turnerbund Cannstatt darüber, dass man bei Kindern nicht früh genug anfangen könne. Der erste Schritt des Konzeptes in drei Stufen sieht daher vor, schon die Kinder bis zum Ende der Kita-Zeit ans Wasser zu gewöhnen. „Analog zum Kita-Fit-Programm, mit dem die Motorik der Kinder gefördert wird“, schlägt Anneliese Schick vom TB Cannstatt vor. Das liege doch nahe. Belohnt werden die Drei- bis Sechsjährigen mit einem niedlichen Frosch, der fröhlich ins aufspritzende Wasser platscht.

In der Grundschule gut schwimmen lernen

Stufe 2 der Anstrengungen heißt: Alle Kinder legen bis zum Ende der zweiten Klasse die Seepferdchen-Prüfung ab. Drittens: Wenn sie aus der Grundschule kommen, sollen sie sicher schwimmen können. Den Sieben- bis Neunjährigen winkt dann das Seeräuber-Abzeichen. Bei den weiterführenden Schulen soll nicht Schluss sein, damit auch das Schwimmabzeichen noch erworben wird. Gut schwimmen können, meint Christine Häberle vom Schwimmverband Württemberg, sei doch allein schon für die Freizeit- und Urlaubsgestaltung der Kinder und Familien im Freibad, am Meer oder am See nötig.

Nachlässigkeit vieler Eltern

Offen angesprochen werden beim Schwimmgipfel aber von Sören Otto und Andi Mündorfer (Sportamt) auch die Gründe, warum es so schlecht bestellt ist um Unterricht und Kompetenz: Nachlässigkeit bei vielen Eltern. Aus sozialen Gründen, finanziellen Aspekten und unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen. Die Eltern einzubinden ist daher eine dringende Empfehlung. Dennoch hätten weit mehr Kinder das Schwimmen dank elterlicher Initiative gelernt als in der Schule.

Viele Lehrer scheuen das Risiko

Tatsächlich kommt von seiten der Vereine und Verbände heftige Kritik an Schulen und Lehrern: Da herrsche wenig Neigung zum Schwimmunterricht. Zu aufwendig und unterm Strich zu wenig effektiv, weil mit Fahrt und Umziehen vielleicht gerade mal 15 Minuten im Wasser bleiben. Konzidiert wird freilich auch, dass die meisten Lehrer dafür nicht ausgebildet sind und ohne Rettungsausbildung das Risiko scheuen, es könnte etwas passieren. Daraus folgen zwei Forderungen: Dem Schwimmen künftig zwei Unterrichtsstunden zu gönnen. Und dem Lehrer einen Schwimmtrainer beizugeben. Nach dem Motto: Rent a Schwimmtrainer.

Viele Fragen: Nach mehr Personal, der Lösung organisatorischer Fragen, genügend freien Wasserflächen und der Finanzierung, beispielsweise der Trainer. Aber Schairer bleibt dabei: „Wir fangen jetzt mit der Umsetzung des Konzeptes an.“

Hier finden Eltern Hilfe bei der Kitaplatz-Suche.