Mit speziellen Fitnessuhren lassen sich unter anderem Schritte und Kalorienverbrauch messen Foto: dpa

Der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse erklärt, wie sich Aktivitätstracker nutzen lassen, um sich im Alltag mehr zu bewegen.

Herr Froböse, nach welcher Uhr leben Sie?
Mal so, mal so! Leider viel zu oft nach der Armbanduhr – das aber meist nur im beruflichen Alltag. Privat und besonders beim Sport folge ich meist meiner inneren Uhr!
 
Viele Menschen zeichnen gerade ihre sportlichen Erfolge mit sogenannten Aktivitäts-Trackern auf und leben danach. Was halten Sie davon?
Auf dem Markt wird eine riesige Vielzahl von solchen Aktivitäts-Trackern mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Gut geeignet sind sie meiner Meinung nach, um bei den Nutzern ein Bewusstsein zu schaffen, ob es und wenn ja es welche Bewegungsdefizite gibt! Gerade für Bewegungsmuffel ist das im Berufsalltag eine sehr schöne Hilfe, um das Mindestmaß an Bewegung für einen gesundheitlichen Nutzen zu erreichen. Die Aufzeichnung der Bewegung und Alltagsaktivität kann dabei unterstützen, ein besseres Gefühl für ein gesundes Maß an Bewegung zu entwickeln.
Andere Modelle beziehen sich rein auf die sportliche Tätigkeit und zeichnen einen regelrechten „Datenwust“ auf, der als eher kritisch zu betrachten ist. Zum Einen kann ein Sportanfänger mit vielen dieser Daten gar nichts anfangen, da sie einer Interpretation durch einen Experten bedürfen, zum Anderen ist die Genauigkeit der Daten zu hinterfragen.
Wird man durch so einen Tracker ganz schnell und einfach von der Couch-Potato zum Supersportler?
Eine Couch-Potato wird niemals schnell und einfach von heut auf morgen zum Supersportler, auch nicht mit technischer Unterstützung. Der Sporteinstieg sollte generell immer langsam und dosiert erfolgen und man sollte seinem Körper genügend Zeit für Anpassungsprozesse geben.
Der Fitnesstracker kann sicherlich eine große motivationale Unterstützung zu einem Mehr an Bewegung bieten, da man seine eigenen Trainingserfolge schnell und direkt „schwarz auf weiß“ sieht. Die meisten Tracker bieten heute die Möglichkeit, seine Ergebnisse auf Sozialen Netzwerken öffentlich zu teilen und sich so mit Freunden und Bekannten zu vergleichen und auch zu messen. Das kann ein motivierendes Wettkampfgefühl schaffen, auch wenn man allein sein Training absolviert.
Allerdings ist hier gerade beim blutigen Sportanfänger Vorsicht geboten. Ein Aktivitätstracker ersetzt noch lange keinen Trainer und beim Einstieg in die meisten Sportarten ist eine professionelle Einweisung wichtig, um Fehlhaltungen und Überlastungen zu vermeiden. Eine Übermotivation und „blindes“ Training kann zu Gesundheitsschädigung führen.
Gezählt werden zum Beispiel gelaufene Schritte, verbrauchte Kalorien, die Zeit, in der man sich bewegt hat, und auch wie gut man schläft. Was fängt man mit diesen ganzen Daten an?
Einige Daten sind sicherlich gut geeignete und interessante Parameter, andere eher weniger.
Beispiele: Der Schrittzähler ist meiner Meinung nach ein sehr gut geeigneter Wert um die Alltagsaktivität zu messen. Laut der WHO sind 10.000 Schritte am Tag ideal für die Gesundheit. Bei einem Bürojob ist das ohne die abendliche Joggingeinheit oder den Spaziergang nur schwerlich zu erreichen. Probieren Sie es aus.
Die Anzahl der verbrauchten Kalorien ist generell sehr ungenau, denn sie ist stark abhängig von dem individuellen Stoffwechselzustand des Trägers, den der Fitnesstracker nicht messen kann. Sie sollten sich ohnehin nicht zu stark an dem bestimmten Kalorienverbrauch einer bestimmten Sportart orientieren. Wichtig ist, dass Sie regelmäßig Sport treiben. Ob Schwimmen, Laufen oder Radfahren, das ist letztlich egal.
Das Problem ist, dass die Messdaten von der Industrie/Technik vorgegeben werden, weil sie „messbar“ sind. Wirklich Sinn haben oft andere Werte/Messgrößen. Also: Vorsicht bei der Interpretation, denn es ist immer nur ein Ausschnitt!
Sollte man seinen Tagesablauf nach einem Aktivität-Tracker ausrichten?
Meiner Meinung nach sollte man den eigenen Tagesablauf eher nach dem subjektiven Empfinden richten und seiner eigenen inneren Uhr anpassen als nach objektiv aufgezeichneten Daten. Lediglich Zahlen hinterher zu laufen ist der völlig falsche Weg. Nutzen Sie den Aktivitätstracker zu Beginn, um ein Gefühl für die Bewegung zu entwickeln, aber danach sollten die Geräte nur sporadisch zum Einsatz kommen! Ein Gebrauch um die Werte ab und an zu kontrollieren ist völlig in Ordnung, es sollte aber nicht zu oft geschehen. So schützen Sie sich vor einer möglichen Abhängigkeit und geben ihrem Körper gleichzeitig die Möglichkeit selbst ein Gefühl für ein gutes Bewegungsmaß zu finden und die Kontrolle zu behalten.
Wie stark darf man den aufgezeichneten Daten trauen?
Es handelt sich um kein wissenschaftliches Messinstrument und damit nicht um eine 100 prozentig korrekte Erfassung der körperlichen Aktivität! Viele Tracker haben kleine Mängel, so kann z.B. der Unterschied zwischen Arm- und Beinbewegung nicht immer einwandfrei festgestellt werden. Um die eigenen Erfolge zu sehen, können die Daten aber dennoch ganz gut genutzt werden. Denn auch wenn der Wert ansich nicht genau ist, so liegt dennoch eine Konstanz in den Messdaten vor. Eine Verbesserung oder Verschlechterung der Datenreihe ist also zuverlässig.
Kann die falsche Nutzung solcher Tracker auch dem Körper schaden?
Das Dokumentieren von Ergebnissen kann auch dazu führen, dass man schnell in eine Sucht nach immer höheren Zielen gerät. Man überwacht sich mit den Apps 24 h am Tag, das ist gefährlich und kann auf Dauer belasten. Anstatt der entspannenden Wirkung und Spaß, die der Sport mit sich bringt artet es in einem Wettkampf aus. Besonders durch das Teilen von Trainingsergebnissen orientiert man sich vielleicht zu sehr an anderen und versucht verbissen ihnen nachzueifern. Viele stürzen sich unvorbereitet in ein heftiges unpassendes Trainingsprogramm und riskieren Verletzungen oder Schlimmeres. Ein Arztbesuch ist der beste Sport-Einstieg für Menschen, die schon bei leichten sportlichen Aktivitäten außer Atem geraten. Wichtig ist, auf die richtige Haltung zu achten und die Übungen exakt auszuführen. Ein Trainer, der die Haltung korrigieren kann, fehlt bei diesen Apps. Es besteht das Risiko, dass Übungen falsch ausgeführt werden. Das kann dann sogar negative Folgen haben, der Sportler kann sich verletzen.
Die Verbraucherzentralen sorgen sich darum, dass die Fitnessdaten auch dem Nutzer schaden könnten, etwa gibt es Überlegungen, diese Daten an die Krankenkassen weiterzuleiten. Teilen Sie solche Befürchtungen?
Ja und Nein! Ein öffentliches Nutzen der Daten oder gar ein „Bonus und Malus“ halte ich für einen falschen Weg – das ist in der Tat sehr bedenklich. Auf der anderen Seite macht es mit auch Sorge, dass Menschen sich zunehmend fehlverhalten und ihre Gesundheit eben durch ihr Verhalten schaden. Also einen „Empfehlungscharakter“ können solche Daten schon haben.
Wenn man sich nicht nach solchen Trackern richtet, was müsste man täglich tun, um fit zu bleiben?
In erster Linie sollte man, ob mit oder ohne Fitnesstracker lernen, auf die Signale des Körpers zu hören und ein Training dementsprechend anzupassen. Denn der eigene Körper ist immer noch der beste Trainer und eine Ermüdung und Überlastung sollte man auch spüren, ohne dass ein Display zum Beispiel eine überhöhte Herzfrequenz anzeigt. Ideal sind Ausdaueraktivitäten an 3-4 Tagen der Woche und ein Krafttraining an 2-3 Tagen der Woche. Suchen Sie sich die Sportarten aus, die Ihnen Spaß bereiten, dann werden Sie auch lange und motiviert dabei bleiben. Auch ohne die ständige Datenkontrolle.