Ingenieure sind gesucht – im Südwesten fehlen rund 4000 Bewerber. Foto: Bosch

Die Ingenieurkammer Baden-Württemberg legt erstmals eine Statistik über Berufsanerkennungen vor. Syrer stellen die meisten Anträge, gefolgt von Rumänen und Russen. Die Anerkennungsquote liegt bei syrischen Ingenieuren nahezu bei 100 Prozent.

Stuttgart - Über das Land Syrien gibt es derzeit kaum eine positive Schlagzeile: Eine Ausnahme macht die Ingenieurkammer Baden-Württemberg, die erstmals seit ihrer im vergangenen Jahr gewonnen Zuständigkeit für die Anerkennung ausländischer Ingenieurs-Titel eine Statistik vorlegte: 2016 sind die Anträge sprunghaft gestiegen auf fast 500 – genauer gesagt um 40 Prozent im Vergleich zu 2015.

Mit 27 Prozent der Antragsteller machten in Syrien ausgebildete Ingenieure „den absoluten Großteil“ aus, berichtet Daniel Sander, der Hauptgeschäftsführer der Ingenieurkammer unserer Zeitung. „Die Anerkennungsquote bei ihnen liegt bei nahezu 100 Prozent. Das bedeutet, dass sie leicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können.“ Das A und O seien fließende Deutschkenntnisse, sagte Sander. Ein Bauingenieur müsse beispielsweise deutsche Normen wie die Landesbauordnung oder Gutachten verstehen und mit Kunden und Projektpartnern beraten können. Deutschkurse seien besonders wichtig.

Landesweit fehlen 4000 Ingenieure

Der Zustrom ausländischer Ingenieuren kommt der Wirtschaft nicht ungelegen, denn in mehreren Disziplinen herrsche noch „akuter Fachkräftemangel“, sagte Sander. Dies betreffe vor allem Elektrotechnik, Bauingenieurwesen und IT – weniger den Maschinenbau. „Bei den Bauingenieuren fehlen beispielsweise landesweit rund 4000 Ingenieure.“ Dies bekomme auch die öffentliche Verwaltung zu spüren, die mit den Unternehmen im Wettbewerb um Personal stehe.

Aus der Sicht der Ingenieurkammer ist der baden-württembergische Arbeitsmarkt – selbst bei einer Rezession – auf den Zuzug von ausländischen Ingenieuren angewiesen. Denn in den nächsten Jahren gehen mehr Ingenieure in den Ruhestand, als es Hochschulabsolventen gibt. Vor allem die hohe Abbrecherquote im Studium sieht die Kammer mit Sorgen. Vor 2016 waren die vier Regierungspräsidien des Landes mit der Anerkennung fremder Ingenieurtitel betraut, seit einer Novellierung des Ingenieurgesetzes erledigt die Ingenieurkammer die Aufgabe zentral.

Die Anerkennungsquote ist hoch: 96 Prozent

Deshalb gibt es erstmals eine zentrale Datenerhebung. Nicht nur bei den Syrern, auch allgemein ist die Anerkennungsquote bei den Anträgen fremder Ingenieurstitel hoch, sie liegt bei 96 Prozent. Von 489 eingereichten Anträgen sind 411 anerkannt und 17 abgelehnt worden, der Rest ist noch in Bearbeitung. Unter den Abgelehnten sind vier aus Kroatien, drei aus Rumänien und zwei aus Syrien, der Rest verteilt sich auf andere Länder. Insgesamt haben Ingenieure aus 47 Ausbildungsländern Anträge gestellt. Auf Platz zwei nach den Syrern liegen Ingenieure aus Rumänien (knapp zehn Prozent), gefolgt von Russland (knapp sieben Prozent) sowie Polen und der Ukraine. Haben die Antragsteller die Anerkennung, dürfen sie die deutsche Berufsbezeichnung „Ingenieurin“ oder „Ingenieur“ führen.

Ein ernüchterndes Bild über die Qualifikation von Flüchtlingen zeichnete kürzlich eine repräsentative Erhebung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) anhand der Befragung von 4500 Migranten erstellte. Demnach sei das Niveau der Allgemeinbildung der Geflüchteten „stark polarisiert“. „Einer vergleichsweise großen Gruppe, die weiterführende Schulen besucht hat, steht eine ebenfalls recht große Gruppe gegenüber, die nur Grundschulen oder gar keine Schule besucht hat“, heißt es in der Studie. Auf einen mindestens zehnjährigen Besuch einer allgemeinbildenden Schule, wie er in Europa Standard sei, kommen 55 Prozent der Flüchtlinge. Rund 30 Prozent der Flüchtlinge haben Hochschulen und berufliche Bildungseinrichtungen besucht, weniger als 20 Prozent haben dort einen Abschluss gemacht. Zwei Drittel der Geflüchteten wollen aber in Deutschland noch Schul- oder Berufsabschlüsse erwerben. Es sei zu erwarten, dass das Bildungsniveau steigen werde, heißt es in der IAB-Studie, zumal im Bericht Kinder noch unberücksichtigt seien. Die meisten Geflüchteten konnten bei der Ankunft in Deutschland kein Deutsch.