Die Oberkommissarin Silke Stegmaier vom Polizeirevier an der Balinger Straße fordert die Senioren auf, grundsätzlich wachsam zu sein. Foto: Caroline Holowiecki

Oberkommissarin Silke Stegmaier hat beim Frauenkreis von Bedrohungen im Alltag berichtet.

Rohr - Kichern, Entrüstung, Fassungslosigkeit. „Gibt’s denn so viel Dummheit auf einem Haufen?“, empört sich eine Frau beim Blick auf die Leinwand und erntet dafür Zustimmung. Nein, die rund 35 Senioren, die sich beim katholischen Frauenkreis Rohr eingefunden haben, schauen und kommentieren nicht das Dschungel-Camp. Sie sehen einen Infofilm der Polizei, der vor Augen führt, in welchen Situationen Taschendiebe zulangen. Im Café, im Zugabteil, in der Warteschlange beim Bäcker. Die Zuschauer im Gemeindehaus Heilige Familie scheinen sich einig zu sein: Ihnen würde das nicht passieren.

Täter suchen sich gezielt Senioren aus

Silke Stegmaier weiß es besser. Die Oberkommissarin aus dem Revier Balinger Straße, Referat Prävention, ist an diesem Mittwoch da. Um zu warnen. Davor, die Handtasche offen baumeln zu lassen. Davor, Fremde in die Wohnung zu bitten. Mail-Anhänge unüberlegt anzuklicken. Das Fenster im verlassenen Haus gekippt zu lassen. Eigentlich alte Hüte, Binsenweisheiten, sollte man meinen. Dennoch hat die Polizistin die Erfahrung gemacht: Es kommen immer wieder neue Maschen dazu, und man muss die Leute dran erinnern. Denn Ganoven setzten stets auf den Überraschungseffekt.

Zwar stößt Senioren statistisch gesehen seltener etwas zu als jungen Leuten, betont Silke Stegmaier. Tatsächlich sind 2015 in Stuttgart knapp 11 500 Menschen Opfer von Straftaten geworden, 500 von ihnen waren älter als 60. Dafür sind Senioren im Visier einer besonderen Gruppe von Neppern, die auf die Gutgläubigkeit oder womöglich auch Senilität einer Hilde, einer Hannelore oder eines Alfreds setzt. Daher rät die Oberkommissarin: Vornamen vom Klingelschild streichen. Und wenn dann doch mal jemand vor der Tür steht, Blumen für Nachbarn abgeben will oder sich als Amtsträger ausgibt: Sprechanlage benutzen, die Tür nur mit Sperrbügel öffnen, einen Ausweis fordern – und im Zweifelsfall lieber wegschicken. Oder den Telefonhörer auflegen, wenn jemand ganz schnell Geld verlangt. Denn der sogenannte Enkeltrick, der sei zwar alt, aber immer noch sehr beliebt. 248 solcher Tricks wurden 2015 in Stuttgart aktenkundig; plus 156 Prozent.

Lieber zu oft als zu selten bei der Polizei anrufen

Was Silke Stegmaier wichtig ist: Die Leute sollen wachsam sein, auf der Straße beleuchtete Wege wählen, sich Gruppen anschließen, wenn sie sich unsicher fühlen. „Auch in den Vororten nehmen die Taschendiebstähle zu“, mahnt sie. 2015 wurden in Gesamt-Stuttgart 2370 Fälle registriert – ein Höchststand seit 1997. Und wenn dann tatsächlich irgendetwas passiert: anzeigen. „Wir kennen ganz, ganz viele, die aus Scham nicht zur Polizei gehen. Damit ist niemandem gedient.“ Lieber einmal zu viel als zu wenig anrufen. Sie betont: „Auch wenn Sie sich geirrt haben, die Hilfe der Polizei ist für Sie kostenlos.“