Was für Christen Weihnachten ist, ist für Inder Diwali. Um das in Stuttgart zu feiern, flogen sogar eigens Tänzerinnen aus Paris ein. Foto: Christoph Kutzer

Was für Christen Weihnachten ist, ist für Inder das Lichterfest Diwali. 400 Gäste vom Subkontinent feierten das mit Tanzeinlagen und Gesang. Sogar ein Stromausfall fühlt sich da irgendwie heimisch an.

S-Ost - Mit ihren hochgeklappten Basketballkörben, den Kletterwänden und der kantigen Innenarchitektur ist die Turn- und Versammlungshalle Ost ein recht prosaischer Ort. Am Samstag jedoch machen farbenfrohe Gewänder die Nüchternheit der Lokalität vergessen: Männer in goldener Kurta, Frauen in schmucken Saris und Lehengas verwandeln den Saal in ein kleines Paralleluniversum: Fast 400 Inder haben sich eingefunden, um gemeinsam Diwali zu feiern, das Lichterfest, das für Hindus ähnlich bedeutsam ist, wie Weihnachten für die Christenheit.

Eingeladen hat der erst im März dieses Jahres gegründete Verein IndischerTreffpunkt@Stuttgart, der sich als kulturelle Plattform für jene versteht, die die Traditionen des Subkontinents aufrechterhalten und mit dem Leben am Neckar verknüpfen wollen. „Unser Symbol ist ein Baum mit starken Wurzeln“ erklärt Gründungsmitglied Pravin Sinha. „Seine Krone ist in Schwarz-Rot-Gold gehalten. Sie kann aber nur gedeihen, wenn die Verbindung zur Herkunft nicht verloren geht. Unser Motto lautet: Indian Roots and German Fruits.“

Gesprochen wird Hindi, Englisch und auch ein bisschen Deutsch

Der 38-Jährige stammt aus dem nordöstlich gelegenen Bundesstaat Bihar. „Ich habe schon immer Herausforderungen gesucht“, sagt er. Auf ein Ingenieursstudium in Frankreich folgte die Doktorarbeit in Deutschland. Heute lebt Sinha in Reutlingen. „Vor zwei Jahren wollte ich eigentlich wieder zurück nach Indien“, erzählt er. Dann hätten sich neue Perspektiven ergeben: Nun hat er geschäftlich mit seiner Heimat zu tun. Vorerst wird er in der Region Stuttgart bleiben. „Ich glaube, wir Inder sind gut darin, Veränderungen als Chance zu begreifen“, überlegt der Bosch-Mitarbeiter. „Ich muss nicht wissen, was in ein paar Jahren sein wird. Was geschehen soll, wird ohnehin geschehen.“

Auch Shilpa (28), die vor zwei Jahren nach Stuttgart kam, kann sich vorstellen, länger zu bleiben. „Meine Arbeitsstelle als Ingenieurin ist unbefristet, ich habe deutsche Freunde, mein Mann ist hier. Ich wüsste nicht, warum ich zurückkehren sollte“, gibt die Frau aus dem Süden Indiens zu verstehen. „An Festtagen wie heute bekomme ich aber Sehnsucht. Da ist es schön, unter Landsleuten zu sein.“ Was angesichts der Größe Indiens ein relativer Begriff ist. Seine 29 Bundesstaaten unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander. Das beginnt bei der Kommunikation. Pravin Sinha spricht von Hause aus Bhojpuri. Alok Dashora, der in Rajasthan im Nordosten Indiens aufgewachsen ist, Rajahsthani. „Glücklicherweise gibt es die gemeinsame Sprache Hindi“, so der 44-Jährige, der am Pragsattel bei Daimler arbeitet. „Und Englisch natürlich. Jüngeren Leuten sind die Hindi-Begriffe oft zu kompliziert. Sie mischen dann beides und sprechen Hinglisch.“

Für eine Tanzeinlage werden drei Tänzerinnen aus Paris eingeflogen

Auch die Moderation des Show-Programms bewegt sich zwischen Hindi und Englisch. Hier und da kommen ein paar deutsche Phrasen hinzu. Die Darbietungen halten die Balance zwischen kulturellem Erbe und Aufgeschlossenheit für Neues. Bharatanatyam, ein klassischer Tanzstil, und Bhangra, ein von Männern dargebotener Volkstanz zur Fasstrommel, stehen hier neben der Bollywood-Einlage von drei Tänzerinnen, die eigens aus Paris angereist sind. Dann wäre da noch Sakis Tsapakidis. Der in Gerlingen ansässige Grieche hat sich auf indischen Pop spezialisiert. Sein Auftritt findet großen Anklang. Als zwischenzeitlich die Stromzufuhr zusammenbricht, bleibt die Stimmung gelassen. „Jetzt ist es wirklich fast wie in Indien“, merkt eine Mitdreißigerin an. „Dort gibt es fast täglich einen Stromausfall.“ Die Frau ist Schwäbin und mit einem Inder verheiratet. „Normalerweise sind wir zu Diwali immer nach Indien geflogen“, erklärt sie. „Dieses Jahr hat das leider nicht geklappt.“ Ihren Mann hat sie an der Stuttgarter Uni kennengelernt. „Dort gab es früher sogar eine eigene Diwali-Feier von Studierenden“, erinnert sie sich. „Das ist mittlerweile allerdings eingeschlafen. Ich habe mich daher sehr gefreut, dass dieses Fest hier stattfindet. So bekommt auch unsere Tochter wieder ein bisschen indische Kultur mit.“