Außenminister Sigmar Gabriel und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu. Foto: AFP

Der Außenminister scheitert in der Türkei mit seinem Einigungsversuch im Incirlik-Streit. Politiker in Deutschland fordern nun, dass der Bundestag rasch über den Abzug der Bundeswehr entscheidet.

Ankara - Die Erfolgsaussichten waren gering, das wusste Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) schon vor seiner Abreise am frühen Montagmorgen von Berlin nach Ankara. Dort wollte er im Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nach einer Lösung im Streit um das Besuchsrecht deutscher Parlamentarier bei den Bundeswehrsoldaten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik suchen. Aber Cavusoglu zeigte Gabriel die kalte Schulter. Der Einigungsversuch scheiterte. „Im Moment sind die Bedingungen für einen Besuch in Incirlik nicht gegeben“, stellte der Bundesaußenminister nach dem Treffen mit Cavusoglu ernüchtert fest. „Ich bedauere das, aber bitte um Verständnis, dass wir aus innenpolitischen Gründen die Soldaten verlegen müssen.“ Bereits vor dem Treffen mit Cavusoglu hatte der Außenminister unterstrichen, wenn die Türkei an dem Besuchsverbot festhalte, „dann bleibt uns nur die Entscheidung für ein Verlegen“.

Jordanien als mögliche Alternative

Von Incirlik aus beteiligt sich die Bundeswehr mit etwa 250 Soldaten, sechs Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einem Airbus-Tanker am Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak. Das Bundesverteidigungsministerium hatte in den vergangenen Wochen bereits mehrere Alternativen zu Incirlik geprüft. Als wahrscheinlichster neuer Standort gilt eine Luftwaffenbasis in Jordanien. Die Bundesregierung besteht darauf, dass Parlamentarier des Bundestages, der über Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheidet, die Soldaten an ihren Standorten jederzeit besuchen können. Bereits vor einem Jahr hatte die Türkei ein Besuchsverbot für Incirlik verhängt – damals als Reaktion auf eine Resolution des Bundestages zum Völkermord an den Armeniern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lenkte seinerzeit ein und erklärte das Votum des Bundestages für „nicht rechtsverbindlich“. Ankara genehmigte daraufhin einen Besuch von Abgeordneten des Verteidigungsausschusses. Das jetzt verhängte neue Besuchsverbot begründet die türkische Regierung damit, dass Deutschland Schutz suchenden türkischen Nato-Offizieren und Diplomaten Asyl gewährt hat. Sie werden von Ankara beschuldigt, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen zu sein, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan hinter dem Putschversuch vom vergangenen Juli vermutet.

Außenminister Gabriel versuchte, das Beste aus dem gescheiterten Einigungsversuch zu machen: „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass diese Entscheidung nichts zu tun hat mit den prinzipiellen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland“, sagte Gabriel. Man wolle nicht, dass die Verlegung der Bundeswehrsoldaten „unsere Beziehungen weiter verschlechtert“. Der Bundestag werde nun entscheiden, wo die Bundeswehr stationiert wird.

SPD-Fraktionschef Oppermann: „Gut, dass wir endlich Klarheit haben“

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte am Montag, dass die Bundeswehr auf einen Umzug vom türkischen Stützpunkt nach Jordanien vorbereitet sei. Nach den Worten des CDU-Verteidigungspolitikers Henning Otte muss die Bundesregierung bereits am Mittwoch den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik beschließen. „Für die CDU/CSU ist klar, dass wir aus Incirlik abziehen müssen - auch wenn wir dort militärisch gut aufgehoben waren“, sagte Otte am Montag . SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte, das Parlament solle sich mit der Sache in der nächsten Sitzungswoche befassen, die am 19. Juni beginnt. „Es ist gut, dass wir endlich Klarheit haben“, betonte Oppermann. Er sei „gegen falsche Kompromisse mit der Türkei“. Die Grünen-Sicherheitsexpertin Agnieszka Brugger erklärte, die Türkei habe schon vor langer Zeit „die Grenze des Erträglichen“ überschritten. Die Bundesregierung habe sich mit „ihrem Spiel auf Zeit blamiert und ist mit ihrem Kurs der Gutgläubigkeit völlig gescheitert“. Jetzt müsse unverzüglich der Abzug aus Incirlik erfolgen. Die Linke lehnt eine Verlegung der Bundeswehrsoldaten nach Jordanien ab. Parteichefin Katja Kipping forderte in der Zeitung „Welt“ ein neues Bundestagsmandat für die deutsche Beteiligung am Nato-Einsatz gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat.