Auf Durchreise: „In weiter Ferne, der Mensch“ im alten Tübinger Güterbahnhof Foto: Richard Becker

Die jungen, wilden Genies: Das Tübinger Sommertheater zeigt „In weiter Ferne, der Mensch“.

Stuttgart - „Ich geselle mich zur Gruppe und zünde meine Pfeife an“, sagt Hölderlin. In die frühen Tage der Genies schickt das Theater Lindenhof die Zuschauer mit seinem Stück fürs Tübinger Sommertheater: Hegel, Schelling und der Dichter des „Hyperions“ hausen in einer Wohngemeinschaft, kiffen und saufen und feilen an der Revolution. Die Eliteschüler rebellieren gegen den Protestantismus und steuern ekstatisch auf die Philosophie zu.

„In weiter Ferne, der Mensch“ ist die Uraufführung eines Stückes, das der Stuttgarter Autor Markus Bauer für den Lindenhof geschrieben hat – er vermischt Tübinger Impressionen mit Bildern vom Elend einer Klassengesellschaft, lässt Hegel, Schelling, Hölderlin im Jargon der Gegenwart poltern: „Megageil! Endprächtig!“ Bauers Text ist durchsetzt mit Zitaten, Provokationen, poetischen Bildern – auch der allgegenwärtige Reformator bleibt nicht ungeschoren.

Philipp Becker hat den Text mit zehn Darstellern des Melchinger Lindenhofsund der Züricher Hochschule der Künste inszeniert. Gespielt wird im alten Güterbahnhof, zuerst in einem großen Raum, in dem die Schauspieler sich unter die Menge mischen, dann in der von Anna Jacobi mit abstrakten Zeichen ausgemalten Güterhalle – und die Inszenierung nutzt die Breite dieser Halle und lässt sie stehen für die Distanz, welche die Dichter und Denker zu Tradition und Gesellschaft empfinden: am einen Ende die WG, am anderen die Mutter, die Professoren.

Denker in der Technoparty

Bernhard Hurm, Lindenhof-Intendant und Schauspieler, ruft immer wieder: „Zeit wird’s!“ – nun tanzt er dionysisch auf der Leinwand, Darsteller gehen nackt umher. „In weiter Ferne, der Mensch“ ist eine packende Performance von zweieinhalb Stunden, die das Glück der Jugend feiert. Keine leichte Kost, gedankenschwer wild und herausfordernd.

Aufführungen: 23. Juli, 6. und 13. August jeweils 19 Uhr; vom 25. bis 29. Juli, 2. bis 5. und 9. bis 12. August um 20 Uhr.