Ein erstes Bild vom Zukunftshaus: So ähnlich könnte das Versuchsgebäude aussehen, das der Uniprofessor Werner Sobek in der Weißenhofsiedlung errichten möchte. Illustration: Büro Werner Sobek

Das Wohnhaus der Zukunft ist auch ein Minikraftwerk und eine Zapfstelle für Elektroautos mit Anschluss an intelligente Stromnetze. Mitten in der berühmten Weißenhofsiedlung möchte Uniprofessor Werner Sobek diese Zukunft jetzt vorexerzieren. Gegen den Standort gibt es aber noch Bedenken.

Stuttgart - Die Idee hat etwas Bestechendes: Für die Mobilität von morgen wird das passende Haus geschaffen. Fahrzeuge und Immobilie werden verbunden. Rund fünf Millionen Euro wollen die Werner-Sobek-Group und fünf weitere Projektträger, darunter die Daimler AG, in die Entwicklung des Zukunftshauses stecken – einschließlich 2,4 Millionen Euro an Zuschüssen des Bundes, die in das „Schaufenster Elektromobilität“ in Baden-Württemberg fließen. Uniprofessor Werner Sobek plant, das sogenannte E-Lab hier in der Landeshauptstadt zu bauen. Dabei will er aufbauen auf dem „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“, das er in Berlin realisierte: ein Haus, das mehr Strom produziert, als es verbraucht, das keine Emissionen hat und das aus vollständig wiederverwertbaren Materialien besteht.

Das in Stuttgart geplante „Zukunftshaus“, für das zu gegebener Zeit passende Bewohner gesucht werden, solle noch deutlich besser werden, sagte Sobek im Rathaus. Es soll mit Fotovoltaikanlagen garantiert 70 oder 80 Prozent mehr Strom herstellen, als es selbst benötigt. Außerdem will Sobek hier die Verbindung mit intelligenten Stromnetzen, mit Nachbarhäusern und mit Elektromobilen vorexerzieren. Das Ziel: Schnittstellen und Steuerungsgeräte sollen dafür sorgen, dass erzeugter Strom nicht nur ins allgemeine Netz eingespeist, sondern auch in Autobatterien zwischengespeichert und in Nachbarhäusern abgerufen werden kann. Im Auto können Daten und Informationen aus dem Haus abgerufen werden – und anders herum. Die Geräte liefern auch Daten über den Stromverbrauch an die EnBW, damit man eines Tages die Stromproduktion an den Bedarf in den Wohngebieten anpassen kann. Oder umgekehrt: Ist in der Siedlung genügend Ökostrom verfügbar, soll sich die rechtzeitig befüllte Waschmaschine anstellen.

Noch habe Stuttgart beim Thema nachhaltiges Bauen in der Welt einen Vorsprung, sagte Sobek. Das Projekt soll diese Stellung sichern. Der Hochschullehrer betrachtet es auch als Auftakt, um den Automobilstandort Stuttgart mit einem neuen Exportschlager besser gegen Krisen zu wappnen. „Mit Lösungen fürs nachhaltige Bauen können Sie weltweit Geld verdienen ohne Ende“, machte er dem Wirtschaftsausschuss Appetit.

Sorge, dass die Verkehrsbelastung für die Siedlung unverträglich wird

Die Stadträte und die Verwaltung sind zum Zugreifen bereit. „Das ist eine tolle Chance für die Stadt“, sagte beispielsweise Hans H. Pfeifer (SPD). Allein Sobeks Standortvorschlag bereitet ihm und manchen Kollegen noch Sorgen. Der Professor möchte das E-Lab nämlich für fünf Jahre am Bruckmannweg in der architekturgeschichtlich berühmten Weißenhofsiedlung errichten – auf einem städtischen Grundstück, auf dem im Zweiten Weltkrieg ein von Richard Döcker entworfenes Gebäude den Bomben zum Opfer fiel.

Im Gemeinderat gibt es allerdings die Sorge, dass die Verkehrsbelastung für die Siedlung unverträglich ist, wenn die Fachwelt zum E-Lab pilgern sollte. Sobek hat keine Bedenken. Wenn sich die Besucherzahl der Vorzeigesiedlung von heute 100 auf 300 pro Tag verdreifache, wäre das auch nicht schlimm, meinte er. Ganz sachte deutete er an, dass er nicht auf Stuttgart angewiesen wäre. Er verdiene bei dem Projekt nichts. Er investiere viel und könne das auch anderswo tun. Aber ihm liege an dem Standort Stuttgart.

Diese Fingerzeige dürften letztlich aber gar nicht nötig sein. Dass die Stadt für fünf Jahre unentgeltlich ein Grundstück zur Verfügung stellt, ist unumstritten. Am Freitag wurde der Beschluss allerdings noch einmal für zwei Wochen vertagt, weil man erneut eine Alternative suchen will. Die Grünen wollen im Neckarpark und der Umgebung fahnden. Die Verwaltung, hieß es, könne aber auch noch einmal suchen und sich etwas mehr Mühe geben als letztes Mal. Wenn sich nichts findet, werden die Stadträte vielleicht auch dem Standort Bruckmannweg zustimmen. Die CDU wäre dazu schon am Freitag bereit gewesen, sagte Philipp Hill.