Moderne Bilder von HAP Grieshaber im historischen Kirchengewölbe. Foto: Peter Petsch

Der Pionier des großformatigen Holzschnitts folgt auf Picasso und andere Künstler von Weltformat: Jeweils rund 15.000 Besucher.

Nürtingen - Kunst von Weltrang: Wer Originale der bedeutendsten Maler und Grafiker sehen will, muss nicht unbedingt in die Metropolen. Nürtingen hat sich mit seinen jährlichen Ausstellungen zum Jahreswechsel einen Namen gemacht, nicht nur in der Kunstszene, sondern auch bei Menschen, die vor den großen Galerien Schwellenangst spüren. Jetzt sind in der Kreuzkirche 160 Originalgrafiken und Aquarelle von HAP Grieshaber zu sehen.

Die Erfolgsgeschichte der Ausstellungsreihe begann 2008 mit Friedensreich Hundertwasser. Der populäre Künstler setzte mit 14.000 Besuchern sofort den Maßstab. Bis zu 15 000 Besucher lockten in den Folgejahren auch Dalí, Chagall, Miró und Picasso in die Kreuzkirche mit ihrer außergewöhnlichen Atmosphäre. Jetzt, so OB Otmar Heirich, würdigt die Stadt einen Künstler aus der Umgebung, der allerdings auch europaweit bekannt ist: HAP Grieshaber verbrachte die meiste Zeit im Kreis Reutlingen und lebte dort zuletzt auf der Achalm.

Aus Heirichs Sicht ist Grieshaber aus drei Gründen bemerkenswert: Wegen seiner herausragenden Holzschnitte und Aquarelle, die wegen ihrer Farbigkeit viele Menschen ansprächen. Aber auch wegen seiner regionalen Verankerung und nicht minder wegen seines politischen Engagements für Freiheit und gegen die Diktatur. Möglich gemacht hat auch diese Ausstellung die Galeristin Brigitte Kuder-Bross, die durch ihre guten Kontakte die Originale als Leihgaben bekommen hat. Einige Originalgrafiken, die Grieshaber von Holzschnitten gemacht hat, werden auch verkauft. Schon jetzt, so Projektleiterin Bärbel Igel-Goll, gebe es 206 Anmeldungen zu den Führungen, die sich auch an Kinder und Jugendliche richten.

Freiheitsdrang wegen Nazi-Regime

„Grieshaber hat bewusst Kunst für die Menschen gemacht“, sagt Heirich. Er habe sich als Menschenfreund verstanden und verständliche Arbeiten gefertigt. Seine Themen sind Mensch (Paare) und Natur und unterschwellig stets die Freiheit. Grieshaber war bettelarm: Viele seiner Druckstöcke aus Holz, so weiß die Galeristin, verschwanden, sobald sie ausgedient hatten, im Heizofen.

Seinen Freiheitsdrang begründet sie mit dem Nazi-Regime, das seine Kunst verbot, weil sie zu wenig gegenständlich sei. Heimlich arbeitete Grieshaber weiter, kleinformatig, um die Bilder verstecken zu können, und ohne Signatur, damit ihm die Urheberschaft nicht nachgewiesen werden konnte. Erst nach dem Krieg blühte Grieshaber auf und fertigte „monumentale Holzschnitte, die es vorher nie gab“, so Heirich. Im Alter wurde ihm diese Technik zu strapaziös, er wechselte zum Aquarell. Diese Bilder sind jetzt erstmals in Süddeutschland zu sehen.

Viel Persönliches über Grieshaber erfahren Besucher bei einem Zeitzeugen-Abend mit Hildegard Ruoff: Sie liest aus Briefen, die Grieshaber mit ihrem verstorbenen Mann, dem Künstler und Nürtinger Ehrenbürger Fritz Ruoff, wechselte.

Kirchenatmosphäre für moderne Holzschnitte

Die Galerie: Die Kreuzkirche, Friedhofskirche aus dem 15. Jahrhundert, wurde 1928/29 renoviert und im Stil des Expressionismus ausgemalt. Die Glasfenster im Chor und die holzvertäfelte Galerie schaffen Atmosphäre. Sie ist heute Veranstaltungsort für Ausstellungen und Konzerte.

Der Künstler: Helmut Andreas Paul (HAP) Grieshaber ist 1909 in Oberschwaben geboren und mit 72 Jahren in Eningen unter Achalm (Kreis Reutlingen) gestorben. Er war bedeutender Maler und Grafiker und prägte den großformatigen Holzschnitt. Die Staatsgalerie Stuttgart und das Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen verfügen über einen großen Bestand an Arbeiten Grieshabers.

Die Ausstellung: Geöffnet bis 17. Februar, dienstags bis sonntags 12 bis 18 Uhr. Eintritt: 5 Euro/3 Euro. Abende mit Zeitzeugen: 23. Januar Kreuzkirche und 7. Februar Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung, jeweils ab 19 Uhr.

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