Die Impfraten in der Region Stuttgart sind nicht hoch genug. Foto: dpa

Kinderkrankheiten wie Masern, Keuchhusten und Röteln treten in der heutigen Zeit nur noch selten auf. Das verleitet einige Eltern dazu, ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Ein Fehler, der fatale Folgen haben kann, sagen viele Ärzte.

Ludwigsburg - Dr. Pieksmichnicht hat heute Sprechstunde im Kinder- und Familienzentrum in Grünbühl. Sie will den Kindergartenkindern die Angst vor der Spritze nehmen und die Eltern dazu animieren, ihre Kinder impfen zu lassen. Denn Dr. Pieksmichnicht leitet die Abteilung Gesundheitsförderung und Prävention im Landratsamt und heißt eigentlich Uschi Traub. Zur europäischen Impfwoche vom 24. bis zum 30. April möchte die Medizinerin das Thema mit Eltern, Kindern und Jugendlichen angehen.

„Die Impfraten im Landkreis sind noch zu niedrig“, sagt die Ärztin. Denn nicht geimpfte Kinder seien nicht nur selbst stärker gefährdet, an Masern, Mumps oder Keuchhusten zu erkranken, sondern können auch andere, noch nicht geimpfte Kinder anstecken. Gefährdet seien besonders Säuglinge und Kleinkinder, die noch zu jung für die Vorsorge mit dem Impfserum seien und daher leichter infizieren werden könnten, sagt Uschi Traub.

Für einen ausreichenden Schutz, eine Herdenimmunität wie Traub sie nennt, sollten mindestens 95 Prozent der Kinder geimpft sein. „Diesen Wert haben wir bei den vier bis fünf Jahre alten Kindern im Kreis bisher nicht erreicht“, sagt Traub. Besonders bei Masern sei eine Impfung empfohlen, da hier der Schutz recht hoch sei.

Gegner befürchten Impfschäden

Kinder sollten laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit elf bis 14 Monaten erstmals gegen Masern geimpft werden, die zweite Impfung sollte vier Wochen später erfolgen. Im Kreis Ludwigsburg lag die Impfrate für beide Masernimpfungen bei den Vorschulkindern im Jahr 2015/2016 bei nur 91 Prozent. In der Region Stuttgart sieht es nicht besser aus: Im Rems-Murr-Kreis lag die Quote der geimpften Vier- bis Fünfjährigen bei lediglich 84 Prozent.

Der Journalist Hans U. P. Tolzin beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit Jahren mit dem Impfthema. Von der Masernimpfung halte er nichts, schreibt er auf seiner Homepage. Masern seien eine harmlose Kinderkrankheit und die Wirkung der Impfung nicht belegt. Außerdem sei das Restrisiko der Impfung nicht kalkulierbar.

„Man hat heute vergessen, wie schlimm es war, als es noch keine Impfungen gab“, sagt hingegen der Vaihinger Kinderarzt Arnold Schwarz. Viele Krankheiten würden wieder vermehrt auftreten, wenn immer weniger Eltern ihre Kinder impfen lassen würden, sagt er. „Die wenigen nicht geimpften Kinder profitieren stark von den Geimpften“, sagt er. Die Angst der Eltern vor Impfschäden sei in der Regel unbegründet. „Das Risiko von Entwicklungsstörungen und schädlichen Krankheiten ist größer, wenn die Eltern das Kind nicht impfen lassen“, sagt der Kinderarzt.

Auch Jugendlichen und Erwachsenen fehlt Impfschutz

Nicht nur bei Kindern, auch bei Jugendlichen und Erwachsenen fehle oft der Impfschutz, weil das Auffrischen einfach vergessen werde, sagt Traub. Einen 100-prozentigen Schutz gebe es bei den Impfungen allerdings nicht, räumt Traub ein. „In den meisten Fällen verläuft die Krankheit bei einem geimpften Patienten jedoch milder“, sagt die Ärztin.

Sie fordert daher, was einige Länder bereits umgesetzt haben: Eine gesetzliche Impfpflicht. Der Kinderarzt Schwarz hält dies für schwer durchsetzbar. „Aber ich wäre dafür, dass es in einigen Einrichtungen, wie Schulen und Kindergärten zum Aufnahmekriterium wird, ob ein Kind gegen bestimmte Krankheiten geimpft ist.“

Keuchhusten
Die Zahl der geimpften Vorschulkinder lag 2015/2016 bei 93 Prozent im Kreis Ludwigsburg, 89 Prozent in Stuttgart und 90 Prozent im Rems-Murr Kreis. In Böblingen und Esslingen liegen die Zahlen bei 93 beziehungsweise 94 Prozent. 2010/11 waren die Quoten noch je zwei Prozent höher.

Masern
In den letzten fünf Jahren stagniert die Rate für beide Masernimpfungen in der Region. Im Kreis Ludwigsburg und in Esslingen lag sie bei den Vorschulkindern 2015/2016 bei 91 Prozent, in Stuttgart bei 88, im Rems-Murr-Kreis bei 85 und in Böblingen bei 93 Prozent.