Gegen Hepatitis kann man sich schützen. Foto: dpa

Leberentzündungen sind für ihre oftmals schleichenden Verläufe bekannt. Teils leiden Betroffene über Jahre unbemerkt. Aber das ist nicht immer so, wie ein aktueller Ausbruch zeigt.

Berlin - „Achtung! Hepatitis-A-Ausbruch in Berlin. Klick hier und schütze dich.“ Neben Hotel- und Bierwerbung blinkt auf der Webseite des Christopher Street Day auch eine Anzeige des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso). Denn seit November 2016 beobachten Experten in der Hauptstadt immer neue Fälle der Leberentzündung. Sie geht ausschließlich mit akuten Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchschmerzen sowie einer Gelbfärbung von Haut und Augen einher - und bedeutete bislang in etwa jedem dritten Fall einen Aufenthalt im Krankenhaus. Die Infektion heilt in vielen Fällen von selbst aus.

Betroffen sind vor allem Männer, ein Großteil gibt an, schwul zu sein. Von den bundesweit rund 550 gemeldeten Infektionen mit Hepatitis A in diesem Jahr stammen gut 100 aus Berlin. Einzelne Fälle wurden auch aus anderen deutschen Großstädten wie Köln und München berichtet, heißt es beim Robert Koch-Institut (RKI). Die Hauptstadt jedoch erlebt eine Häufung von Fällen wie noch nie binnen kurzer Zeit. Üblicherweise wird das Virus in Deutschland eher bei Kindern und in Einzelfällen beobachtet, am häufigsten verbunden mit Reisen in betroffene Gebiete.

Übertragung durch Kontakt- und Schmierinfektion

Übertragen werden kann das Virus durch Kontakt- und Schmierinfektionen, etwa durch enge Kontakte im Kindergarten oder in Haushalten, beim Sex vor allem unter Männern oder etwa durch kontaminiertes Wasser. Die Berliner Anzeige im Netz ist neben Aushängen und Postkarten in Clubs ein Versuch, die Szene über das Infektionsrisiko aufzuklären und zur Impfung aufzurufen.

Vor dem Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli warnt RKI-Expertin Ruth Zimmermann: „Die Bevölkerung ist nicht so gut geimpft, wie sie sein könnte, sein sollte.“ Impfungen gibt es gegen die Virustypen A und B. Erstere wird vor allem Fernreisenden empfohlen, letztere seit 1995 allen Säuglingen und Kleinkindern.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO strebt die Eindämmung von Hepatitis bis 2030 an. Zimmermann und ihre Kollegin Sandra Dudareva-Vizule, die sich am RKI mit dem Thema befassen, sehen Deutschland noch vor einigen Anstrengungen, um Neuinfektionen, chronische Verläufe und damit die Weiterverbreitung einzugrenzen. Hauptaugenmerk legen die Expertinnen auf Hepatitis B und C: Diese können schwerere und chronische Verläufe nehmen, zu Leberkarzinomen und Leberzirrhose führen. Internationalen Schätzungen zufolge dürften hierzulande Hunderttausende von Hepatitis B und C betroffen sein, insgesamt rund 7400 Fälle wurden dem RKI 2016 gemeldet.

Behandlungsmöglichkeiten haben sich verbessert

Doch bei Neudiagnosen handelt es sich nur bedingt um neue Erkrankungen. Bei Hepatitis C etwa würden jedes Jahr noch Fälle von Menschen gemeldet, die sich vor 1992 durch Blutprodukte wie Transfusionen nach OPs infizierten, sagt Ruth Zimmermann. „Weil die Infektion so lange schleichend verläuft und nicht besonders typische Symptome hat, wird sie manchmal erst Jahre oder Jahrzehnte später erkannt.“ Neben Abgeschlagenheit und Leistungsminderung könnten das auch psychische Symptome wie Depressionen sein. Typische Anzeichen wie Gelbsucht gebe es teils erst bei stärkeren Leberschäden.

Seit 1992 werden Blutprodukte auf Hepatitisviren getestet, seitdem sei der Übertragungsweg nicht mehr relevant, so die Expertin. Noch immer sei die Aufmerksamkeit bei Allgemeinmedizinern und Hausärzten für Hepatitiserkrankungen aber „nicht sehr ausgeprägt“.

Dabei haben sich die Behandlungsmöglichkeiten insbesondere bei Hepatitis C verbessert. Dieser Typ sei inzwischen „in fast allen Fällen“ therapierbar, sagt Zimmermann. Seit 2014 kommen laufend neue, sehr wirksame - und sehr teure - Medikamente auf den Markt. Nach einem Anstieg der Behandlungszahlen 2015 gab es im vergangenen Jahr jedoch ein Rückgang, sagt die Expertin. Jetzt müssten Hepatitis-C-Infektionen aktiver diagnostiziert werden - es seien sicherlich nicht alle betroffenen Patienten bereits behandelt. Ein Screening für besonders gefährdete Personen fehle.

Kritik an der Preisgestaltung eines Medikaments

Die Organisation Ärzte der Welt kritisiert die Preisgestaltung eines der Mittel gegen Hepatitis C: Eine dreimonatige Behandlung damit kostet offiziell rund 60 000 Euro. Eine Sprecherin sagte über erste Erfahrungen, die Therapie werde noch nicht in allen Fällen von den Kassen übernommen. Zumindest Einzelfälle seien bekannt, in denen Ärzte daher vor der Verschreibung zurückschreckten. Um die Zugänglichkeit des Wirkstoffs in Europa zu beschleunigen, fechten mehrere Organisationen das Patent auf den Wirkstoff an. Sie hoffen auf günstigere Generika.

Weniger gut als bei Hepatitis C sind die Prognosen bei Hepatitis B: Diese gilt als Diagnose fürs Leben, wenn die Infektion chronisch wird, wie Sandra Dudareva-Vizule sagt. Mit Blick auf die vorhandene Impfung betont sie: „Die Infektionen müsste es eigentlich gar nicht geben.“ Bei der Schuleingangsuntersuchung seien 88 Prozent der Kinder geimpft - noch zu wenig.

Zumindest der Berliner Hepatitis-A-Ausbruch schlägt sich in Zahlen nieder: In den ersten beiden Quartalen 2017 sei etwa doppelt so häufig geimpft worden wie in früheren Jahren, sagte Dudareva-Vizule. Da in der Szene die Saison der Partys und Großveranstaltungen im Gange ist, wird noch nicht mit einem Abklingen der Welle gerechnet.