Ob Kauf oder Miete: Reihenhäuser, wie hier in Vaihingen, kosten immer mehr. Foto: Kraufmann

Riesige Nachfrage, immer kärglicheres Angebot: Wer in der Landeshauptstadt ein Domizil sucht, muss mehr denn je in die Taschen greifen. Egal, ob bei Eigentums- oder Mietwohnungen, die Preise und Kosten steigen einfach immer weiter.

Stuttgart - Besonders deutlich wird der Anstieg der Preise für Eigentums- und Mietwohnungen durch jene Zahlen, die das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbands Deutschland (IVD) in den vergangenen sechs Jahren erhoben hat. Im Vergleich der Entwicklung stieg das Kaufpreisniveau in Stuttgart bei den Eigentumswohnungen im Bestand um 34,7 Prozent von Herbst 2009 bis Herbst 2015. Im Marktsegment Eigentumswohnungen als Neubau lag der Anstieg seit 2009 gar bei 54,7 Prozent. In der Landeshauptstadt liegen die Preise im Vergleich der baden-württembergischen Großstädte ohnehin am höchsten, hieß es jüngst bei der Vorstellung des Preisspiegels für Wohn- und Gewerbeimmobilien Baden-Württemberg in der IVD-Geschäftsstelle Süd in der Calwer Straße.

Dies verdeutlichen auch einige Beispiele mit absoluten Zahlen. Freistehende Einfamilienhäuser im Bestand kosten in Stuttgart 575 000 Euro (mittlerer Wohnwert) beziehungsweise 850 000 Euro (guter Wohnwert). Neu gebaute Reihenmittelhäuser kommen hier auf 510 000 Euro (guter Wohnwert), Doppelhaushälften auf 625 000 Euro. Bei den Eigentumswohnungen aus dem Bestand sind im guten Wohnwert in Stuttgart 3350 Euro pro Quadratmeter fällig, im Neubau 5320 Euro. Das Fazit, so Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts: „Es mangelt nicht an Käufern, sondern an Objekten.“

31,5 Milliarden Euro wurden für Immobilien ausgegeben

Das Transaktionsvolumen im Bundesland, also das Umsatzvolumen in Baden-Württemberg bei den Immobilien, liegt nach IVD-Berechnungen bei 31,5 Milliarden Euro. Das sind gut vier Milliarden mehr als 2014. „Der Zuwachs wäre aber noch deutlich höher, wenn man ein paar Objekte mehr gehabt hätte“, so Kippes. Ein Grund für die sehr angespannte Lage sieht er im Rückgang der Baugenehmigungen: Vor 25 Jahren gab es davon noch rund 90 000. „Heute dümpeln wir bei etwa 30 000 Baugenehmigungen herum.“ In der Landeshauptstadt etwa wurden in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres 1457 Wohnungen genehmigt. Dies sei jedoch in Stuttgart und im Land „nicht das, was man bräuchte, um ein klein wenig Entspannung reinzubringen“.

Die Kaufpreise für Stuttgarter Bestandswohnungen scheinen jedoch ihren Zenit zu erreichen: „Während sie seit 2009 in Großstädten wie Heidelberg, Ulm oder Freiburg um 39 Prozent stiegen, verbuchte die Landeshauptstadt nur eine Zunahme von 35 Prozent“, so das Verbandsinstitut. Dies liege am bereits sehr hohen Preisniveau in Stuttgart.

Vor allem in Stuttgarts Innenstadt ist der Wohnungsmangel groß

Deutlich niedriger als beim Eigentum fiel der Anstieg bei den Mietwohnungen aus – bei Bestandswohnungen landesweit um 14,1 Prozent, bei Neubauwohnungen um 7,8 Prozent seit 2009. Seit dem Frühjahr 2014, so Kippes, „geht in Stuttgart die Schere zwischen den Kauf- und Mietpreisen deutlich auseinander, was die Rendite deutlich unter Druck setzt“. Die heftig steigenden Kaufpreise gingen zulasten der Vermieter, deren Bereitschaft zu investieren schwinde.

Angesichts der steigenden Einwohner- und Haushaltszahlen aufgrund der Binnen- und Außenwanderung sei in Stuttgart „mit einem weiteren Anstieg des Wohnraumbedarfs zu rechnen“ . Besonders knapp ist das Angebot in der Schwabenmetropole, so die Marktforscher, bei Mietwohnungen mit einer Kaltmiete bis 1000 Euro je Objekt (bei einem einfachen bis mittleren Wohnwert) in den Stuttgarter Innenstadtlagen. Die Nachfrage in diesem Marktsegment sei sehr hoch, was sich darin widerspiegele, dass die Wohnungen ruck, zuck weg sind. Im Herbst lagen die Mietpreise in Stuttgart in Altbauwohnungen bei 12,40 Euro je Quadratmeter, bei Wohnungen aus dem Bestand bei 12,30 Euro und bei den neu errichteten Mietwohnungen bei 13,70 Euro – 30 Cent pro Quadratmeter mehr als im Herbst 2014.

Es muss wieder Wohnungen mit geringerem Standard geben

Das Immobiliengeschäft ist derzeit die Verwaltung des Mangels, hieß es bei der Präsentation der Zahlen. Ein Mittel, dieses Problem abzufedern, sehen die IVD-Experten auch in der Rückbesinnung großer und mittlerer Unternehmen im Großraum Stuttgart. Die seien in der Pflicht und sollten verstärkt wieder Mitarbeiterwohnungen anbieten. „Dies ist eine alte Forderung von uns“, so Kippes. „Die Firma bindet Mitarbeiter, macht sich als Arbeitgeber attraktiv und lindert die Wohnungsnot in den Großstädten.“

Ist die Lage schon vertrackt und von einem engen Wohnungsmarkt gekennzeichnet, so wird dies durch jene Flüchtlinge, die demnächst aus den Sammelunterkünften in normale Wohnungen umziehen sollen und wollen, noch verschärft. Aus diesem Grund, so Dirk Karge, Vorstandsmitglied im IVD Süd und Geschäftsführer der Alfred Pfeiffer Immobilien GmbH in Stuttgart, müsse man bei der Wohnungsgröße und Ausstattung „wieder über andere Standards reden“. Es müsse „gelingen, die Standards zurückzuschrauben“. Dies sei „eine politische Entscheidung: Worauf verzichten wir?“. Und es müsse sich zeigen, ob man sich traue, Trabantenstädte der 70er Jahre oder große Häuser auf der grünen Wiese zu errichten. Doch nur mit Ideen in diese Richtung könne man die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen meistern.